Sonntag, 30. April 2023

Der aufgebrochen ist, das verlorene Schaf - die Menschheit - zu suchen

 

der Gute Hirt, Salisbury Cathedral

 Der gute Hirt

Altarbild in Mannersdorf/Leithagebirge (B16, 16. Mai 2011)

Herz Jesu Bild des Guten Hirten mit Schaf auf Schulter, S. Maria in Vado, Ferrara
Guter Hirt auf der Kanzel in Enzersfeld, Niederösterreich
Guter Hirt in St. Wolfgang im Salzkammergut
Guter Hirte, St. Giles, Cambridge (Guter Hirtendienst, B16, 7.5.2006, anläßl. einer Priesterweihe)
Tabernakel in der Seitenkapelle des Stiftes Klosterneuburg
Wandmalerei über dem Sarkphag der Apostel Jakobus und Philippus, Rom
Glasfenster in Stokenchurch, England
Statue in der Mathiaskirche, Budapest
Glasfenster in der Rochester Cathedral
Statue in S. Maria della Pace, Rom
Mosaik in der Kathedrale von Aquileia
Mosaik im Mausoleum Galla Placidia, Ravenna
Glasfenster von Christopher Webb in der St Alban´s Cathedral 
Glasfenster im Kapuzinerkloster in Padua 

Liebe Brüder und Schwestern, liebe Weihekandidaten!

In dieser Stunde, in der Ihr, liebe Freunde, durch das Sakrament der Priesterweihe zu Hirten im Dienst des großen Hirten Jesus Christus bestellt werdet, spricht der Herr im Evangelium selber zu uns über den Dienst für die Herde Gottes. Das Bild vom Hirten kommt von weither. Im alten Orient hatten die Könige sich als Hirten ihrer Völker bezeichnet. Im Alten Bund hatten Mose und David zuerst als Hirten gearbeitet, ehe sie berufen wurden, Führer des Gottesvolkes und dessen Hirten zu werden. In den Nöten der Exilszeit angesichts des Versagens der Hirten Israels, seiner politischen und religiösen Führer, hatte Ezechiel das Bild von Gott selbst als dem Hirten seines Volkes entworfen. Gott sagt durch den Propheten: »Wie ein Hirt sich um die Tiere seiner Herde kümmert…, so kümmere ich mich um meine Schafe und hole sie zurück von all den Orten, wohin sie sich am dunklen, düsteren Tag zerstreut haben« (Ez 34,12). Nun verkündet Jesus, daß diese Stunde gekommen ist: Er ist selbst der gute Hirte, in dem Gott selbst sich um sein Geschöpf Mensch kümmert, die Menschen zusammenholt und sie zur wahren Weide führt. Der heilige Petrus, dem der auferstandene Herr aufgetragen hatte, seine Schafe zu weiden, Hirte für ihn und mit ihm zu werden, nennt Jesus in seinem ersten Brief den Archipoimen – den Erzhirten (5,4) – und will damit sagen, daß jemand Hirte in der Gemeinschaft Jesu Christi nur sein kann durch ihn und in der innigsten Gemeinschaft mit ihm. Das eben drückt sich im Sakrament der Priesterweihe aus: Der Priester wird durch das Sakrament ganz Christus zugeeignet, um von ihm her und auf ihn hin, in der Gemeinschaft mit ihm den Dienst des einen Hirten zu tun, Jesus, in dem Gott als Mensch unser Hirt sein will.

Das Evangelium dieses Sonntags, das wir gehört haben, ist nur ein Ausschnitt aus der großen Hirtenrede Jesu; darin sagt uns der Herr dreierlei über den wahren Hirten: Er gibt sein Leben für die Schafe. Er kennt die Seinen und sie ihn. Er steht im Dienst der Einheit. Bevor wir über diese drei Kernbestimmungen des Hirteseins nachdenken, tut es vielleicht gut, einen Augenblick an das vorhergehende Stück der Hirtenrede zu erinnern, in dem Jesus – bevor er sich Hirte nennt – zu unserer Überraschung sagt: »Ich bin die Tür« (Joh 10,7). Durch ihn muß man in den Hirtendienst eintreten. Diese Grundbedingung verdeutlicht er sehr nachdrücklich, indem er erklärt: »Wer … anderswo einsteigt, ist ein Dieb und ein Räuber« (Joh 10,1). Dieses Wort »einsteigt« – griechisch »anabaínei« – schließt die Vorstellung ein von jemandem, der den Zaun hochklettert, um so – den Zaun übersteigend – dorthin zu gelangen, wo er rechtmäßig nicht hinkommen kann. Aufsteigen – das ist aber auch das Bild des Karrierismus, für den Versuch, nach oben zu kommen, sich durch die Kirche eine Stellung zu verschaffen – sich zu bedienen und nicht zu dienen. Es ist das Bild des Menschen, der durch das Priestertum etwas werden und jemand sein möchte, dem es um die eigene Erhöhung geht und nicht um den demütigen Dienst Jesu Christi. Aber der einzig rechtmäßige Aufstieg zum Hirtenamt in der Kirche ist das Kreuz. Das ist der wahre Aufstieg, das ist die wahre Tür. Nicht selber jemand werden wollen, sondern für den anderen da sein – für Christus und so, durch ihn und mit ihm für die Menschen, die der Herr sucht, die er auf den Weg des Lebens führen will. Man tritt zum Priestertum ein durch das Sakrament – das bedeutet eben: durch die Freigabe seiner selbst an Christus, daß er über mich verfüge; daß ich ihm zu Diensten sei und seinem Ruf folge, auch wenn er meinen Wünschen nach Selbstverwirklichung und Ansehen entgegenläuft. Durch Christus, die Tür, eintreten, heißt: ihn immer mehr kennen und lieben, damit unser Wille eins werde mit dem Seinen und unser Handeln eins mit dem Seinen. Liebe Freunde, darum wollen wir immer von neuem beten, darum uns mühen, daß Christus in uns wächst; daß unsere Einheit mit ihm immer tiefer werde, so daß durch uns wirklich Christus weidet.

Sehen wir nun die drei Grundaussagen näher an, die Jesus über den guten Hirten macht. Die erste, die mit großem Nachdruck die ganze Hirtenrede durchzieht, lautet: Der Hirt gibt sein Leben für die Schafe. Das Geheimnis des Kreuzes steht im Mittelpunkt von Jesu Hirtendienst – es ist der eigentliche große Dienst, den er für uns alle tut. Er gibt sich selber, und das nicht nur in einer fernen Vergangenheit. In der heiligen Eucharistie läßt er das jeden Tag Wirklichkeit werden, gibt sich selbst hin durch unsere Hände, schenkt sich uns. Deswegen steht mit Recht die heilige Eucharistie im Zentrum des priesterlichen Lebens, in der Jesu Hingabe am Kreuz immerfort wirklich unter uns gegenwärtig bleibt. Und von da aus lernen wir auch, was es bedeutet, Eucharistie recht zu feiern: in ihr dem Herrn zu begegnen, der für uns seine göttliche Herrlichkeit ablegt, sich erniedrigen läßt bis in den Tod am Kreuz und so sich an jeden von uns verschenkt. Die tägliche Eucharistie ist für den Priester ganz wichtig, in der er sich immer neu diesem Mysterium aussetzt; sich selber immer neu dem Herrn in die Hände gibt und zugleich die Freude erfährt, daß ER da ist, mich annimmt, mich immer wieder neu aufhebt und trägt, mir die Hand, ja sich selbst gibt. Die Eucharistie muß uns Schule des Lebens werden, in der wir lernen, unser Leben zu geben. Das Leben gibt man nicht erst im Augenblick des Todes und nicht nur in der Weise des Martyriums. Wir müssen es geben, Tag um Tag. Tag um Tag gilt es zu erlernen, daß ich mein Leben nicht für mich selber habe. Tag um Tag gilt es zu lernen, mich loszulassen; mich zur Verfügung zu halten für das, wofür er, der Herr, mich gerade braucht, auch wenn mir anderes schöner oder wichtiger erscheint. Das Leben geben, nicht nehmen. Gerade so erfahren wir Freiheit. Freiheit von uns selbst, die Weite des Seins. Gerade so, im Gebrauchtwerden, dadurch daß wir jemand sind, der in der Welt gebraucht wird, wird unser Leben wichtig und schön. Nur wer sein Leben gibt, findet es.

Als zweites sagt uns der Herr: Ich kenne meine Schafe, und sie kennen mich, wie der Vater mich kennt und ich ihn. Zwei scheinbar ganz verschiedene Beziehungen sind in diesem Satz ineinander verwoben: die Beziehung zwischen Jesus und dem Vater; die Beziehung zwischen ihm und den ihm anvertrauten Menschen. Aber beide Beziehungen gehören eben zusammen. Denn die Menschen gehören im letzten dem Vater und sind auf der Suche nach dem Schöpfer, nach Gott. Wenn sie merken, daß jemand nur für sich selber und aus Eigenem redet, spüren sie, daß das zu wenig ist und daß er das nicht sein kann, was sie suchen. Wo aber in einem eine andere Stimme aufklingt, die Stimme des Schöpfers, des Vaters, da öffnet sich die Türe der Beziehung, auf die der Mensch wartet. So also muß es bei uns sein: Wir müssen zuerst und zuinnerst in der Beziehung mit Christus und durch ihn mit dem Vater stehen, dann erst verstehen wir die Menschen wirklich. Nur im Licht Gottes erfaßt man die Tiefe des Menschen. Dann merkt derjenige, der uns hört, daß wir nicht von uns, von irgend etwas, sondern vom wahren Hirten reden. Natürlich ist in den Worten Jesu die ganz praktische pastorale Aufgabe mitenthalten, den Menschen nachzugehen, zu ihnen zu kommen, für ihre Nöte und Fragen offen zu sein. Natürlich ist das praktische, konkrete Kennen der mir anvertrauten Menschen grundlegend, und natürlich ist dabei wichtig, daß wir das »Kennen« der anderen im biblischen Sinn verstehen: Wirkliches Kennen ohne Liebe, ohne innere Beziehung, ohne inneres Annehmen des anderen gibt es nicht. Der Hirte kann sich nicht mit einem Wissen um Namen und Daten begnügen. Sein Kennen der Schafe muß immer mehr auch ein Kennen mit dem Herzen sein. Aber das geht letztlich nur, wenn der Herr unser Herz geöffnet hat. Wenn unser Kennen die Menschen nicht an mein privates Ich, an mein eigenes, kleines Herz bindet, sondern sie das Herz Jesu, das Herz des Herrn spüren läßt. Es muß ein Kennen mit dem Herzen Jesu und auf ihn hin sein, das den Menschen nicht an mich bindet, sondern zu Jesus führt und so frei und weit macht. Und auf diese Weise werden auch wir unter den Menschen zu Nächsten. Dafür, daß uns dieses Kennen mit dem Herzen Jesu geschenkt werde, dieses nicht an mich, sondern an das Herz Jesu Binden und das Stiften wahrer Gemeinschaft. Daß uns dies geschenkt werde, darum wollen wir immer neu den Herrn bitten.

Schließlich spricht uns der Herr vom Dienst der Einheit, der dem Hirten aufgetragen ist: »Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muß ich führen, und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten« (Joh 10,16). Es ist das Gleiche, was Johannes nach dem Tötungsbeschluß des Hohen Rates wiederholt, als Kaiphas gesagt hatte, es sei besser, einer sterbe »pro popolo«, als daß die ganze Nation zu Grunde gehe. Johannes erkennt in diesem Wort des Kajaphas ein prophetisches Wort und fügt hinzu, »daß Jesus für das Volk sterben werde. Aber er sollte nicht nur für das Volk sterben, sondern auch, um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln« (Joh 11,51–52). Der Zusammenhang von Kreuz und Einheit wird sichtbar; die Einheit kostet das Kreuz. Vor allem aber wird der universale Horizont von Jesu Wirken aufgerichtet. Hatte Ezechiel in seiner Hirtenprophetie die Wiederherstellung der Einheit der getrennten Stämme Israels im Auge (34,22–24), so geht es nun nicht mehr nur um die Einigung des zerstreuten Israel, sondern um die Einung aller Kinder Gottes, um die Menschheit – um die Kirche aus Juden und Heiden. Die Sendung Jesu betrifft die Menschheit im ganzen, und der Kirche ist daher eine Verantwortung für die Menschheit aufgetragen: daß sie Gott kennenlerne, den Gott, der in Jesus Christus für uns alle Mensch geworden ist, gelitten hat, gestorben und auferstanden ist. Die Kirche darf sich nie mit der Schar derer begnügen, die sie nun einmal erreicht hat und sagen, daß es den anderen – den Muslimen, den Hindus und so weiter – auch so gutgehe. Die Kirche kann sich nicht bequem ins bloß Eigene zurückziehen. Die Sorge um das Ganze, um alle, ist ihr aufgetragen. Diesen großen allgemeinen Auftrag müssen wir in unsere jeweiligen Sendungen hinein übersetzen. Natürlich muß ein Priester, ein Seelsorger, sich zuallererst um die bekümmern, die mit der Kirche glauben und leben, die in ihr die Straße des Lebens suchen und die ihrerseits die Kirche als lebendige Steine aufbauen und eben auch den Priester mit aufbauen und mittragen. Aber wir müssen doch auch immer wieder – wie der Herr sagt – an die Straßen und Zäune gehen (vgl. Lk 14,22) und die Einladung Gottes zu seinem Festmahl auch zu den Menschen bringen, die bisher nicht davon gehört haben oder nicht inwendig davon berührt worden sind. Dieser universale Dienst, der Dienst an der Einheit hat viele Formen. Immer gehört auch dazu, um die innere Einheit in der Kirche selber zu ringen; daß sie über alle Unterscheidungen und Grenzen hinweg ein Zeichen von Gottes Gegenwart in der Welt sei, der allein solche Einheit schaffen kann.

Die alte Kirche hat in der Plastik ihrer Zeit die Gestalt des Hirten vorgefunden, der ein Schaf auf seiner Schulter trägt. Vielleicht gehören diese Bilder dem Traum nach der Idylle des ländlichen Lebens zu, der damals die Gesellschaft ergriffen hatte. Aber für die Christen wurde diese Figur ganz von selbst zum Bild für den, der aufgebrochen ist, das verlorene Schaf – die Menschheit – zu suchen; das Bild für ihn, der uns Menschen nachgeht in unsere Wüsten und Wirrnisse hinein; das Bild für den, der dieses verlorene Schaf – die Menschheit – auf seine Schultern genommen hat und heim trägt. Es wurde zum Bild für den wahren Hirten Jesus Christus. Ihm vertrauen wir uns an. Ihm vertrauen wir Euch, liebe Brüder, in dieser Stunde ganz besonders an, daß er Euch führe und trage alle Tage; daß er Euch helfe, durch ihn und mit ihm gute Hirten seiner Herde zu werden. Amen. 

(Priesterweihe Rom, 7.5.2006, Benedikt XVI.) 



Freitag, 28. April 2023

Ludwig Maria Grignion v. Montfort (nach der hl. Kommunion)

 

Wie ein Engel am Altar

Nach der heiligen Kommunion sammle dich innerlich, schließe die Augen und führe Jesus in das Herz Mariens. Gib ihn seiner Mutter. Sie wird ihn voller Liebe empfangen, ihn voll Ehrfurcht anbeten, ihn vollkommen lieben, ihn innigst umarmen und ihm noch viele Dienste erweisen, von denen wir bei der Finsternis unseres Geistes nichts wissen.

In Vereinigung mit Maria bitte Jesus, daß durch seine heilige Mutter sein Reich in deine Seele komme:
Bete:
Mein Jesus, du mußt wachsen in meiner Seele, ich aber muß abnehmen.
Maria, auch du mußt wachsen in mir, und ich muß kleiner werden.

O Jesus und Maria, wachset in mir und in allen Seelen.

(Ludwig Maria, die vollkommene Hingabe, S 418)

Basilika hl. Ludwig Maria Grignion v. Montfort, Saint Laurent sur Sevre

Mittwoch, 26. April 2023

Am symbolischen Grab des hl. Trudpert


Brunnenkapelle in St. Trudpert im Münstertal

 


 Hochaltar in St. Trudpert



Heiliger Trudpert, bitte für uns!

Symbolischer Sarkophag des hl. Trudpert mit den Heiligen Rupert und Erentrud

Dienstag, 18. April 2023

Sonntag, 16. April 2023

Die Lauheit des Glaubens bei Thomas

 

 

Bringe deine Finger hierher und sie meine Hände, und bringe deine Hand her und leg sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig. (Johannes 20,27)

Nun wendet sich der Herr an Thomas und fordert ihn auf, seine Wunden nicht nur zu beschauen, sondern nach seinem eigenen Wunsch zu berühren. So fügt sich der Herr dem, was Thomas begehrte. Er stellt ihm genau die Möglichkeiten der Prüfung zur Verfügung, von denen Thomas seinen Glauben abhängig machte: die Prüfung durch die Augen, durch den Finger und durch die Hand.
Thomas hat den Herrn sogleich bei seinem Erscheinen erkannt; er hat keinen Augenblick an seiner Identität gezweifelt.  

Jetzt aber soll er das, was er sich gewünscht hat, tun. Und doch bietet der Herr ihm, indem er seinen Wunsch erfüllt, unendlich mehr, als was Thomas erwartet hatte oder was in seiner Forderung überhaupt enthalten war. Der Herr paßt sich zwar der Forderung des Jüngers an und begrenzt damit scheinbar sein Angebot. Aber gerade in seiner Anpassung liegt das viel Größere dessen, was er anbietet.

Was er im tiefsten anbietet, ist, daß er sich Thomas unterordnet, sich ihm vollkommen zur Verfügung stellt. Er gibt ihm seine Hände und seine Seite dahin und damit seine ganze Person. Und indem Gott der Sohn sich dem Menschen Thomas zur Verfügung stellt, beweist er, daß in seiner Sohnschaft das vollkommene Menschsein inbegriffen ist: ein Menschsein, das an keinerlei Rangordnung gebunden ist, sondern frei ist, auch als Objekt zu dienen, der Schau und der Betastung sich auszusetzen.

Der Sohn erniedrigt sich in seiner Menschheit soweit, daß er zu seinem von Thomas selbst festgesetzten Beweis für dessen Glaube wird. Er sinkt herab zu einem Anschauungsmaterial, das der Mensch verlangt, um zum göttlichen Glauben  zu kommen. Er macht sich zum Beweis des Beweises, zum Beweisenden innerhalb des Beweises. Und er verkleinert sich rein menschlich so, als wäre er nichts weiter mehr als diese Wundmale, das, was dem Auge, dem Finger, der Hand des Thomas entspricht. Er zeigt damit dem Apostel die Kleinheit dessen, was er verlangt hat. Thomas hat den Herrn auf etwas reduziert, was man mit zwei kleinen Bewegungen seines Fingers und seiner Hand umfassen kann. Er hat die ganze Möglichkeit des Glaubens eingeschränkt auf das, was seiner Fingerspitze, seinem Handgefühl entspricht.
Er läßt, um seinen Glauben zu erhärten, vom Herrn nur bestehen, was ihm vor dem Kreuz gar nicht gehörte: die Narben der Passion. Diese Zeichen eines äußern Geschehnisses sind alles, worin für Thomas der Herr Platz hat.
Und indem dieser bereit ist, für Thomas nur noch die Wundmale zu sein, offenbart er in überwältigender Weise dem Jünger, wie tief sein Glaube gesunken wäre, wenn wirklich nur diese Zeichen seinen Glauben enthielten. Durch die Erniedrigung des Herrn, durch seine Demut, solche Erniedrigung anzunehmen, trifft er den Jünger dort, wo er am tiefsten getroffen werden kann: in seinem lebendigen Glauben der Zeit vor dem Kreuz. Jählings wird für Thomas sichtbar, wie groß der Abstand geworden ist. Das wird ihm zunächst am Herrn ersichtlich.
Denn die Verkleinerung des Herrn in seiner Demut offenbart, wie groß die Lauheit des Glaubens in Thomas geworden ist.

(Adrienne von Speyr, Johannes, Geburt der Kirche, 295f)

Thomas will die Wunden des Herrn berühren

Hochaltarbild Unterpremstätten/Stmk (B16, 12.4.2010)

St. Pierre, Chartres, Glasfenster (Hans U. von Balthasar)

Statue des hl. Thomas in der Lateranbasilika

Malerei von Pietro Paolo Bonzi im Pantheon

Herz-Jesu Altar, Reliefs, Farm Street Church, London (Benedikt XVI. zum Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit, 2005)

Fresko in der Taufkirche von Johannes Paul II. in Wadowice

Notre Dame de Paris (Generalaudienz von Benedikt XVI. über den Apostel Thomas)

Domingo de Silos (Wandrelief)

Jesus College - Cambridge (Glasfenster)

Kunsthistorisches Museum-Wien (Gemälde)

 

Erscheinungen des Auferstandenen: Maria Magdalena, Emmausjünger, Thomas
Hochaltar in der alten Kathedrale v. Salamanca

Thomas, Zeuge der Auferstehung

Zu Maria Magdalena hatte der Herr gesagt: »Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen« (Joh 20,17).
Ein Wort, das uns überrascht, vor allem wenn wir es mit dem vergleichen, was mit dem ungläubigen Thomas geschieht. Dort im Abendmahlssaal zeigt der Auferstandene selbst dem Apostel die Hände und die Seite, damit er sie berührte und daraus die Gewißheit gewann, daß es tatsächlich Er war (vgl. Joh 20,27). In Wirklichkeit besteht zwischen den beiden Episoden kein Widerspruch; im Gegenteil, die eine hilft uns, die andere zu verstehen. Maria Magdalena möchte ihren Meister so wiederhaben wie vorher und hält das Kreuz für eine dramatische Erinnerung, die man vergessen kann. Doch für eine rein menschliche Beziehung mit dem Auferstandenen ist jetzt kein Platz mehr. Um ihm zu begegnen, muß man nicht zurückkehren, sondern auf neue Weise zu ihm in Beziehung treten: Man muß weitergehen! Das unterstreicht der hl. Bernhard: Jesus »lädt uns alle zu diesem neuen Leben, zu diesem Übergang ein … Wir werden Christus nicht sehen, wenn wir uns nach rückwärts wenden« (Predigt über Ostern; PL 183). Und genau das ist bei Thomas geschehen.

Jesus zeigt ihm seine Wundmale nicht, um das Kreuz zu vergessen, sondern um es auch in Zukunft unvergeßlich zu machen. Denn der Blick ist nunmehr in die Zukunft gerichtet. Aufgabe des Jüngers ist es, Zeugnis zu geben vom Tod und von der Auferstehung seines Meisters und von seinem neuen Leben. Darum fordert Jesus seinen ungläubigen Freund dazu auf, »ihn zu berühren«: Er will ihn zum direkten Zeugen seiner Auferstehung machen. 

Thomas und der Auferstandene, Alte Kathedrale in Salamanca

 

Liebe Brüder und Schwestern, wie Maria Magdalena, Thomas und die anderen Apostel, sind auch wir gerufen, Zeugen des Todes und der Auferstehung Christi zu sein. Wir können die großartige Nachricht nicht für uns behalten. Wir müssen sie der ganzen Welt überbringen: »Wir haben den Herrn gesehen!« (Joh 20,25). Die Jungfrau Maria helfe uns, die österliche Freude voll auszukosten, auf daß wir, gestärkt durch die Kraft des Heiligen Geistes, dazu fähig werden, überall, wo wir leben und wirken, sie unsererseits zu verbreiten. Nochmals Frohe Ostern euch allen!
(B16, 11. April 2007)

Dienstag, 11. April 2023

Sie beteten IHN an

 

Der Auferstandene und die Frauen, Salisbury Cathedral

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus 28                                                             

Nachdem die Frauen die Botschaft des Engelsvernommen hatten,

8 verließen sie sogleich das Grab und eilten voll Furcht und großer Freude zu seinen Jüngern, um ihnen die Botschaft zu verkünden.

9Plötzlich kam ihnen Jesus entgegen und sagte: Seid gegrüßt! Sie gingen auf ihn zu, warfen sich vor ihm nieder und umfassten seine Füße.

10Da sagte Jesus zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Geht und sagt meinen Brüdern, sie sollen nach Galiläa gehen, und dort werden sie mich sehen.

11Noch während die Frauen unterwegs waren, kamen einige von den Wächtern in die Stadt und berichteten den Hohenpriestern alles, was geschehen war.

12Diese fassten gemeinsam mit den Ältesten den Beschluss, die Soldaten zu bestechen. Sie gaben ihnen viel Geld

13und sagten: Erzählt den Leuten: Seine Jünger sind bei Nacht gekommen und haben ihn gestohlen, während wir schliefen.

14Falls der Statthalter davon hört, werden wir ihn beschwichtigen und dafür sorgen, dass ihr nichts zu befürchten habt.

15Die Soldaten nahmen das Geld und machten alles so, wie man es ihnen gesagt hatte. So kommt es, dass dieses Gerücht bei den Juden bis heute verbreitet ist.

Montag, 10. April 2023

Emmaus (im Heiligen Land)

 

Glasfenster in Notre Dame de Chartres (B16, Generalaudienz, 11.April 2007)

Cambridge, Jesus College, Glasfenster
Glasfenster in St Alban´s Cathedral

Emmaus-Gang 
Mosaik im Johannes Paul II. Heiligtum Krakau (Benedikt XVI., Regina Caeli, 7.4.2008)
Relief in Santo Domingo de Silos 
Wandteppich in Vatikanischen Museen (2)
Wandteppich (1) - Johannes Paul II., Mane nobiscum Domine)

Ikone der Emmausbegegnung

Liebe Freunde, auch heute tritt der Auferstandene in unsere Häuser und in unsere Herzen ein, obwohl die Türen manchmal verschlossen sind. Er tritt ein und schenkt Freude und Frieden, Leben und Hoffnung: Gaben, die wir für unsere menschliche und geistliche Neugeburt brauchen. Nur er kann jene Grabsteine wegwälzen, die der Mensch oft auf seine Empfindungen, seine Beziehungen, sein Verhalten legt – Steine, die den Tod bestimmen: Spaltungen, Feindschaften, Groll, Neid, Mißtrauen, Gleichgültigkeit. Nur er, der Lebendige, kann der Existenz Sinn verleihen und jene, die müde und traurig sind, die kein Vertrauen und keine Hoffnung haben, den Weg wieder aufnehmen lassen. Das haben die beiden Jünger erfahren, die am Ostertag auf dem Weg von Jerusalem nach Emmaus waren (vgl. Lk 24,13–35). Sie sprechen über Jesus, aber ihr trauriges Gesicht (vgl. V. 17) bringt enttäuschte Hoffnung, Ungewißheit und Schwermut zum Ausdruck. Sie hatten ihr Dorf verlassen, um Jesus mit seinen Freunden nachzufolgen, und hatten eine neue Wirklichkeit entdeckt, in der Vergebung und Liebe nicht mehr nur Worte waren, sondern das Leben konkret berührten. Jesus von Nazaret hatte alles neu gemacht, hatte ihr Leben verwandelt. Aber jetzt war er gestorben und alles schien zu Ende zu sein.

Plötzlich sind jedoch nicht mehr zwei, sondern drei Personen unterwegs. Jesus kommt zu den beiden Jüngern hinzu und geht mit ihnen, aber sie sind unfähig, ihn zu erkennen. Gewiß, sie haben die Gerüchte über seine Auferstehung gehört, denn sie berichten ihm: »Einige Frauen aus unserem Kreis haben uns in große Aufregung versetzt. Sie waren in der Frühe beim Grab, fanden aber seinen Leichnam nicht. Als sie zurückkamen, erzählten sie, es seien ihnen Engel erschienen und hätten gesagt, er lebe« (V. 22–23). All das reichte jedoch nicht aus, um sie zu überzeugen: »Ihn selbst aber sahen sie nicht« (V. 24). Daraufhin legte Jesus ihnen geduldig dar, »ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht« (V. 27). Der Auferstandene erläutert den Jüngern die Heilige Schrift und bietet ihren grundlegenden Interpretationsschlüssel: sich selbst und sein Ostergeheimnis.

Über ihn legen die Schriften Zeugnis ab (vgl. Joh 5,39–47). Plötzlich weitet sich der Sinn von allem, der Sinn des Gesetzes, der Propheten und der Psalmen; er wird vor ihren Augen deutlich. Jesus hatte ihnen die Augen für das Verständnis der Schrift geöffnet (vgl. Lk 24,45). Inzwischen waren sie im Dorf angekommen, wahrscheinlich beim Haus eines von ihnen. Der fremde Weggefährte tut, »als wolle er weitergehen « (V. 28), aber dann bleibt er, weil sie ihn inständig bitten: »Bleib doch bei uns« (V. 29). Auch wir müssen dem Herrn immer wieder inständig sagen: »Bleib doch bei uns.« »Als er mit ihnen bei Tisch war, nahm er das Brot, sprach den Lobpreis, brach das Brot und gab es ihnen« (V. 30). Der Verweis auf die Gesten, die Jesus beim Letzten Abendmahl vollbracht hat, ist offensichtlich. »Da gingen ihnen die Augen auf und sie erkannten ihn« (V. 31). Die Gegenwart Jesu, erst mit Worten und dann mit der Geste des Brotbrechens, ermöglicht es den Jüngern, ihn zu erkennen, und sie können auf neue Weise spüren, was sie bereits empfunden hatten, als sie mit ihm gingen: »Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloß?« (V. 32). Diese Episode verweist uns auf zwei vorrangige »Orte«, an denen wir dem Auferstandenen begegnen können, der unser Leben verwandelt: das Hören des Wortes, in Gemeinschaft mit Christus, und das Brechen des Brotes; zwei »Orte«, die zutiefst miteinander verbunden sind, denn »Wort und Eucharistie gehören so eng zueinander, daß eines nicht ohne das andere verstanden werden kann: Das Wort Gottes wird im eucharistischen Geschehen sakramentales Fleisch« (Nachsynodales Apostolisches Schreiben Verbum Domini, 55).

Nach dieser Begegnung, »noch in derselben Stunde, brachen [die beiden Jünger] auf und kehrten nach Jerusalem zurück, und sie fanden die Elf und die anderen Jünger versammelt. Diese sagten: Der Herr ist wirklich auferstanden und ist dem Simon erschienen« (V. 33–34). In Jerusalem hören sie die Nachricht der Auferstehung Jesu und berichten ihrerseits über ihre eigene Erfahrung, entflammt von der Liebe zum Auferstandenen, der ihnen das Herz geöffnet hat für eine überschwengliche Freude. Wie der hl. Petrus sagt, wurden sie in seinem großen Erbarmen neu geboren zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten (vgl. 1 Petr 1,3). Denn in ihnen entsteht wieder die Begeisterung für den Glauben, die Liebe zur Gemeinschaft, das Bedürfnis, die gute Nachricht weiterzugeben. Der Meister ist auferstanden, und mit ihm ersteht alles Leben auf; dies zu bezeugen wird für sie zu einer Notwendigkeit, die nicht unterdrückt werden kann.

Liebe Freunde, die Osterzeit möge für uns alle eine günstige Gelegenheit sein, um mit Freude und Begeisterung die Quellen des Glaubens, die Gegenwart des Auferstandenen unter uns neu zu entdecken. Es geht darum, denselben Weg zu gehen, den Jesus die beiden Emmausjünger zurücklegen ließ, durch die Neuentdeckung des Wortes Gottes und der Eucharistie, also mit dem Herrn zu gehen und sich die Augen öffnen zu lassen für den wahren Sinn der Schrift und für seine Gegenwart im Brechen des Brotes. Der Höhepunkt dieses Weges, damals wie heute, ist die eucharistische Kommunion: In der Kommunion nährt uns Jesus mit seinem Leib und seinem Blut, um in unserem Leben gegenwärtig zu sein, um uns neu zu machen, beseelt von der Kraft des Heiligen Geistes.

Abschließend lädt uns die Erfahrung der Jünger ein, über den Sinn des Osterfestes für uns nachzudenken. Wir wollen dem auferstandenen Jesus begegnen! Er, der Lebendige und Wahre, ist immer unter uns gegenwärtig; er geht mit uns, um unser Leben zu leiten, um unsere Augen zu öffnen. Haben wir Vertrauen in den Auferstandenen, der die Macht hat, das Leben zu schenken, damit wir als Kinder Gottes neu geboren werden, fähig zu glauben und zu lieben. Der Glaube an ihn verwandelt unser Leben: Er befreit es von der Angst, er gibt ihm feste Hoffnung, er läßt es beseelt sein von dem, was der Existenz den vollen Sinn verleiht: von der Liebe Gottes. Danke.

(Benedikt XVI, Generalaudienz, 11. April 2012)

Kapelle in Emmaus-Nicopolis, Heiliges Land

Samstag, 8. April 2023

Jesus, ich danke Dir, Du hast uns erlöst

 

 

Am heutigen Karsamstag gedenken wir der Grabesruhe unseres Herrn Jesus Christus und seines Hinabsteigens in das Totenreich. Während wir uns aber mit der Tatsache auseinandersetzen müssen, dass Menschen Gott aus der Welt schaffen wollen, nimmt er dem Tod seine Macht und verwandelt er unsere menschliche Vergänglichkeit in neues Leben. An seinem Grab knien wir nieder und rufen:

V: Jesus ruht im Grabe. Kommt, wir beten ihn an!

A: Er starb den Tod, den alle Menschen sterben.

V: Im Tod hat er den Tod vernichtet, das Leben neu geschaffen.

A: Er starb unseren Tod und schenkt uns sein Leben.

V: Lasst uns ihn besingen als Schöpfer und Herrn.

A: Jesus ruht im Grabe. Kommt wir beten ihn an!

V: Heiliger Gott, heiliger Starker, heiliger Unsterblicher, erbarme dich unser. A: wiederholen 2x

 

Marienkirche, Berndorf, NÖ