Mittwoch, 25. Dezember 2019

Anbetung der Hirten



Kehren wir zum Weihnachtsevangelium zurück. Es erzählt uns, daß die Hirten, nachdem sie die Botschaft des Engels vernommen hatten, zueinander sagten: „'Kommt, wir gehen nach Betlehem' … So eilten sie hin“ (Lk 2, 15f). Ja, sie eilten. Was ihnen da verkündet worden war, war so wichtig, daß sie sofort gehen mußten. In der Tat, was ihnen da gesagt wurde, ging über alles Gewöhnliche hinaus. Es veränderte die Welt. Der Erlöser ist geboren. Der erwartete Sohn Davids ist in seiner Stadt zur Welt gekommen. Was konnte es Wichtigeres geben? Gewiß, auch die Neugier trieb sie, aber doch vor allem die Erregung über das Große, das gerade ihnen, den Kleinen und scheinbar unwichtigen Menschen, gesagt worden war. Sie eilten – ohne Aufschub.
In unserem durchschnittlichen Leben ist es nicht so. Die Dinge Gottes erscheinen den meisten Menschen nicht vordringlich, sie bedrängen uns nicht unmittelbar. Und so sind wir, die Allermeisten, gern bereit, sie zu verschieben. Zuerst tut man das jetzt und hier Vordringliche. In der Liste der Prioritäten steht Gott häufig so ziemlich an letzter Stelle. Das kann man immer noch tun, so meint man. Das Evangelium sagt uns: Gott hat höchste Priorität. Wenn irgend etwas in unserem Leben Eile ohne Aufschub verdient, dann allein die Sache Gottes. Ein Grundsatz der Regel des heiligen Benedikt lautet: „Dem Werk Gottes (das heißt dem Gottesdienst) darf nichts vorgezogen werden.“ Der Gottesdienst ist für die Mönche die erste Priorität. Alles andere kommt danach. In seinem Kern gilt dieser Satz aber für jeden Menschen. Gott ist wichtig, das Wichtigste in unserem Leben überhaupt. Diese Priorität lehren uns die Hirten. Von ihnen wollen wir lernen, uns von all den bedrängenden Dingen des Alltags nicht erdrücken zu lassen. Von ihnen wollen wir die innere Freiheit lernen, anderes noch so Wichtiges zurückzustellen, um uns aufzumachen zu Gott, ihn einzulassen in unser Leben und in unsere Zeit. Zeit, die wir für Gott und von ihm her für den Nächsten verwenden, ist nie verlorene Zeit. Es ist die Zeit, in der wir eigentlich leben, in der wir das Menschsein selbst leben.
(Benedikt XVI., Christmette 2009)


Anbetung der Hirten, Southwark Cathedral, London

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