Donnerstag, 15. Oktober 2020

Heiligsprechung der hl. Theresa - Inneres Gebet als Weg zur Vollkommenheit

Teresa von Avila, polychrom, 17. Jh.

 

Teresa hat dieses Wort (inneres Gebet) nicht selbst geprägt. Sie übernahm es aus der schon in ihrem Jahrhundert langen geistlichen Tradition des Christentums. Mag der Begriff selbst, der als „oratio mentalis“ bereits bei den lateinischen Kirchenvätern bekannt war, auch eine recht wechselvolle Bedeutungsgeschichte haben: Gemeint ist immer, so auch bei Teresa von Ávila, die bewusste Hinwendung des Ich zum verborgen gegenwärtigen Du Gottes. Inneres Beten ist der kleine Schritt in einen lebendigen Glauben.

In meinen Exerzitienkursen verwende ich ein Bild, das anschaulich zum Ausdruck bringen kann, was Inneres Beten meint. Ich male einen Baum an die Tafel und schreibe an die Äste die verschiedenen Formen, in denen christliches Beten vollzogen werden kann:

– das geformte Beten mit einem Gebetstext, auswendig oder aus einem Buch, allein oder gemeinschaftlich;

– das liturgische Beten, worunter ich jede Form von Gottesdienst, vor allem aber die Eucharistiefeier und auch das Stundengebet zähle;

– das persönlich-stille oder gemeinsame freiformulierte Beten;

– das betrachtende (meditierende) Beten;

– das schweigende Beten, das ein Mann aus einfacher Herkunft dem Pfarrer von Ars mit den treffenden Worten beschrieben hat: „Gott schaut mich an, und ich schaue ihn an“;

– das rhythmische Beten, eine Form, bei der bestimmte Gebetsworte wiederholend, eventuell im Rhythmus des Atems, gesprochen werden (Jesus-Gebet, Rosenkranz, Litanei ...).

Konkrete Einzelformen können dann jeweils als Zweige dem entsprechenden Ast zugeordnet werden. Das Stichwort Inneres Beten schreibe ich an den Stamm- und Wurzelbereich und erläutere meinen Exerzitanten: Inneres Beten meint nicht eine spezielle Gebetsart neben anderen; es bildet nicht einen weiteren Ast an unserem Baum. Mit diesem Wort bezeichnen wir vielmehr das, was Beten erst zum Beten macht, was Beten und Gebete-Verrichten voneinander unterscheidet.

Im Bild: Inneres Beten entspricht dem Fluss des Lebenssaftes, der aus dem Erdreich über Wurzeln und Stamm die Äste und Zweige mit Nahrung versorgt, ohne die sie, wenn auch äußerlich noch eine Weile schön anzusehen, „leer“ sind und ohne Leben, bald auch ohne Blattwerk und ohne Frucht. – Hinter diesem Bild steht die Weinstockrede aus Joh 15,1-8, die dazu passend meditiert werden kann.

Inneres Beten heißt: sich zu Gott hinwenden von Ich zu Du, „an Gott denken“, sich seineGegenwart bewusst machen, zu Gott „du“ sagen und dieses „du, Gott ...“ auch wirklichmeinen ... „Meiner Meinung nach“, schreibt Teresa ihren Schwestern, „ist inneres Beten nichts anderes als Verweilen bei einem Freund, mit dem wir oft allein zusammenkommen, einfach um bei ihm zu sein, weil wir sicher wissen, dass er uns liebt.“ In welcher Form (Äste und Zweige) wir dann diese Hinwendung zu Gott ausdrücken, ist eine nicht unwesentliche, aber zweitrangige Frage.
(aus: Reinhard Körner, Inneres Beten)


Heiligsprechung der hl. Teresa v. Avila, Öl, 17. Jh
Gregor XV. sprach am 12. März 1622 Ignatius von Loyola, Franz Xaver,
Teresa von Avila, Philipp Neri und Isidor von Madrid heilig.

 

5. Das Gute, das derjenige erhält, der sich im Beten, ich meine im inneren Beten übt, haben viele Heilige und gute Menschen beschrieben. Gott sei dafür gepriesen! Und wenn es nicht so wäre, so wäre ich, wenn ich auch nicht sehr demütig sein mag, doch nicht so eingebildet, daß ich es wagte, darüber zu reden: Aber über das,was ich aus Erfahrung weiß, kann ich sprechen, und das ist, daß jemand, der mit dem inneren Beten begonnen hat, es ja nicht mehr aufgeben soll, mag er noch so viel Schlechtes tun, denn es ist das Heilmittel, durch das er sich wieder bessern kann, während ohne es alles sehr viel schwieriger wird. Und der Böse soll ihn nur nicht dazu verleiten, wie er es mit mir getan hat, es aus Demut zu unterlassen; er soll daran glauben, daß seine Worte nicht trügen können und daß die Freundschaft wieder geknüpft wird, sofern wir nur ehrlich bereuen und uns entschließen, ihn nicht mehr zu beleidigen, und daß er die Gnaden von neuem erweist, die er vorher erwies, ja manchmal sogar noch viel mehr, wenn unsere Reue das verdient.

Wer aber noch nicht mit dem inneren Beten begonnen hat, den bitte ich um der Liebe des Herrn willen, sich ein so großes Gut doch nicht entgehen zu lassen. Hier gibt es nichts zu verlieren, sondern nur zu gewinnen; denn wenn er auch nicht vorankommen und sich Mühe geben sollte; so vollkommen zu werden, daß er die Wohlgefühle verdient, die Gott solchen Menschen gibt, so wird er doch schon nach einem so kleinen Gewinn den Weg zum Himmel erkennen. Und wenn er durchhält, dann hoffe ich auf das Erbarmen Gottes, daß ihn noch nie jemand zum Freund erwählt hat, dem er es nicht vergolten hätte.

Denn meiner Meinung nach ist inneres Beten nichts anderes als Verweilen bei einem Freund, mit dem wir oft zusammenkommen, einfach um bei ihm zu sein, weil wir sicher wissen, daß er uns liebt.

Und wenn ihr ihn noch nicht liebt ( ), dann könnt ihr es von euch aus auch nicht fertigbringen, ihn entsprechend zu lieben, weil er nicht von eurer Wesensart ist; wenn ihr aber seht, wieviel euch an seiner Freundschaft gelegen ist und wie sehr er euch liebt, dann nehmt ihr den Schmerz in Kauf, viel mit jemandem zusammenzusein, der so ganz anders ist als ihr.

6. O unendliche Güte meines Gott! So meine ich dich und so mich zu sehen! O Wonne der Engel, wen ich das so sehe, möchte ich mich ganz in Liebe zu dir auflösen! Wie gewiß ist es doch, daß du den erträgst, der es erträgt, daß du bei ihm bist!
Was für ein guter Freund bist du, Herr! Wie verwöhnst und erträgst du ihn dauernd und erwartest, daß er sich deiner Art angleicht, und erträgst in der Zwischenzeit seine! Du rechnest ihm die Zeiten an, in denen er dich liebt, und ein Augenblick von Reue läßt dich die Beleidigung vergessen, die er dir angetan hat!

(Teresa von Avila, Das Buch meines Lebens, 8,5.6)


Museum im Konvent der Verkündigung, Alba de Tormes (Grabeskirche v. Teresa)

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