Hochaltarbild Verherrlichung des Franziskus, Franziskanerkirche, Krakau |
Wie ihm durch den göttlichen Willen kundgegeben worden war, sollte die Zeit seiner Bekehrung schon mit zwanzig Jahren vollendet sein. Als nämlich der selige Vater einmal mit Bruder Elias in Foligno weilte, trat eines Nachts, als sie sich schon zur Ruhe begeben hatten, ein weißgekleideter Priester, hochbetagt und vorgerückten Alters, von ehrwürdigem Aussehen vor Bruder Elias und sprach: "Steh auf, Bruder, und sage Bruder Franziskus, daß achtzehn Jahre verflossen sind, seit er die Welt verließ und Christus anhing, daß er von heute ab nur noch zwei Jahre auf dieser Welt bleiben wird, daß ihn dann Gott zu sich ruft und er den Weg allen Fleisches gehen wird!" Und so ging das Wort des Herrn, das er lange vorher gesagt, in der festgesetzten Zeit in Erfüllung. Als er an der heißersehnten Stätte einige Tage geruht hatte und nun erkannte, daß die Stunde seines Todes nahe bevorstehe, rief er zwei Brüder , die ihm besonders liebe Söhne waren, zu sich und hieß sie wegen des nahen Todes oder vielmehr wegen des so nahe bevorstehenden Lebens im Jubel des Geistes dem Herrn mit lauter Stimme die Lobpreisungen singen.
Er selbst brach, so gut er konnte, in den Psalm Davids aus: "Mit meiner Stimme rufe ich zum Herrn, mit meiner Stimme flehe ich zum Herrn." - Einer von den anwesenden Brüdern aber, den der Heilige ganz besonders liebte und der für alle Brüder außerordentlich besorgt war, sagte zum heiligen Vater, als er seinen Zustand sah und erkannte, daß sein Ende nahe sei: "Gütiger Vater, wehe, ohne Vater müssen die Kinder zurückbleiben und werden ihres wahren Augenlichtes beraubt . Gedenk daher der Waisen, die du zurücklässest, laß allen ihre Schuld nach und erfreue alle, die Anwesenden und die Abwesenden, mit deinem heiligen Segen!" Ihm erwiderte der Heilige: "Mein Sohn, sieh an, Gott ruft mich zu sich. Meinen Brüdern in der Nähe und in der Ferne lasse ich alle Vergehen und alle Schuld nach und spreche sie davon los, soviel ich kann. Tue ihnen das kund und segne alle an meiner Statt" !
Zuletzt ließ er sich das Evangelienbuch bringen und bat, man möge ihm das Evangelium nach Johannes vorlesen von der Stelle an, wo es heißt : "Sechs Tage vor Ostern, da Jesus wußte, daß für ihn die Stunde gekommen sei, aus dieser Welt hinüber zum Vater zu gehen ..." Auch der Minister hatte sich vorgenommen, dieses Evangelium zu lesen, noch ehe es ihm geboten ward. Er stieß sofort auf diese Stelle, als er das Buch zum ersten Male öffnete, obwohl es eine vollständige Ausgabe der ganzen Heiligen Schrift war, aus der das Evangelium gelesen werden sollte. Darauf ließ sich der Heilige auf ein Zilizium legen und mit Asche bestreuen, da er ja bald Staub und Asche werden sollte. Während nun viele Brüder herbeikamen, denen er Vater und Führer war, und ehrfürchtig ihn umstanden und alle sein seliges Scheiden und glückliches Ende erwarteten, löste sich seine heiligste Seele vom Leibe und wurde in dem grundlosen Meer des Lichtes verschlungen; der Leib aber entschlief im Herrn. - Einer aber von den Brüdern und Jüngern des Heiligen - sein Ruhm ist weithin bekannt, aber ich glaube seinen Namen verschweigen zu müssen, da er bei Lebzeiten ob solcher Auszeichnung nicht gerühmt sein will - sah die Seele des heiligsten Vaters geradewegs über viele Wasser hinweg in den Himmel aufsteigen. Sie war wie ein Gestirn, an Größe dem Mond gleich, hatte aber irgendwie den Glanz der Sonne und ward von einem lichten Wölkchen emporgetragen.
Man darf darum wohl über ihn ausbrechen in den Ruf: "Wie herrlich ist dieser Heilige, dessen Seele sein Jünger in den Himmel aufsteigen sah! Schön wie der Mond, auserwählt wie die Sonne, und als sie aufstieg auf lichter Wolke, erstrahlte sie überaus herrlich. Du wahres Licht der Welt, heller leuchtend als die Sonne in der Kirche Christi, siehe, du hast uns jetzt die Strahlen deines Lichtes entzogen, bist in jene lichterfüllte Heimat eingegangen und hast statt uns Armseligen die Versammlung der Engel und Heiligen zu deinen Genossen erwählt! Du gütiger, glorreicher Vater, hehrsten Lobes würdig, entziehe dich nicht der Sorge für deine Söhne, wenn du auch vom sterblichen Leib, den du mit ihnen gemein hattest, schon geschieden bist. Du weißt, ja wirklich, du weißt, in welch gefährlicher Lage du sie zurückgelassen hast; ihre ungezählten Mühen und vielfachen Bedrängnisse hat allein schon deine beglückende Gegenwart zu jeder Stunde barmherziglich gemildert. Wirklich barmherzig warst du, heiligster Vater, da du in deiner Güte immer bereit warst, dich deiner sündigen Söhne zu erbarmen und ihrer zu schonen! Dich also lobpreisen wir, würdiger Vater, den der Allerhöchste gesegnet hat, der immer der über alles gebenedeite Gott ist. Amen."
Es strömte darob viel Volk zusammen, das Gott lobte und sprach: "Gelobt und gepriesen seist du, Herr, unser Gott, der uns Unwürdigen ein so kostbares Gut anvertraut hat! Lob und Ruhm sei dir, unaussprechliche Dreieinigkeit!"-In Scharen strömte die ganze Stadt Assisi herzu, und alle Leute der Umgebung eilten herbei, die Großtaten Gottes zu sehen, die der Herr der Herrlichkeit an seinem heiligen Knechte so glorreich kundgetan hatte. Jedermann sang ein Lied der Freude, wie es sein Herzensjubel ihm eingab, und alle benedeiten die Allmacht des Erlösers, daß ihr Verlangen erfüllt worden. Gleichwohl klagten die Söhne, die ihren großen Vater verloren hatten, und taten die kindliche Liebe ihres Herzens kund durch Tränen und Seufzer. Doch eine unerhörte Freude linderte ihre Trauer, und die Neuheit des Wunders versetzte sie in übergroßes Staunen. Ihre Trauer kehrte sich in Lobgesang und ihr Wehklagen in Freudenjubel. Denn noch nie hatten sie gehört oder in Büchern gelesen, was sich ihren Augen darbot und wovon sie sich hätten kaum überzeugen lassen, wenn es nicht durch einen so klaren Beweis bestätigt worden wäre. Es strahlte an ihm wider das wahrhafte Bild des Kreuzes und des Leidens des unbefleckten Lammes, das die Sünden der Welt abgewaschen hat; er sah aus, als sei er frisch vom Kreuz herabgenommen, als seien Hände und Füße von Nägeln durchbohrt und die rechte Seite wie von einer Lanze verwundet. Die Beschreibung des toten Franziskus und seiner Wundmale hier und in 1 Celano 113 stützt sich offensichtlich auf das Rundschreiben des Bruders Elias (5. 6 [S. 102-103]).
Sie sahen nämlich seinen Leib, der zuvor dunkel gewesen war, in blendendem Glanze erstrahlen und durch seine Schönheit den Lohn der seligen Auferstehung verheißen. Sie schauten endlich sein Antlitz gleich dem Antlitz eines Engels, und so, als ob er lebe und nicht gestorben sei, und seine übrigen Glieder zart und beweglich wie die eines unschuldigen Kindes. Seine Sehnen verkrampften sich nicht, wie es bei Toten gewöhnlich der Fall ist, seine Haut wurde nicht hart, seine Glieder wurden nicht starr, sondern ließen sich hin- und herbewegen, wie man sie gerade legte.
(Thomas von Celano, Erste Lebensbeschreibung, VIII und IX)
Franziskanerkirche, Krakau |
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