Montag, 4. Oktober 2021

Franziskus vor dem Sultan

 

Franziskus vor dem Sultan, S. Croce, Florenz


In Begleitung des Bruders Illuminatus, eines wahrhaft erleuchteten und tugendhaften Menschen, machte er sich auf den Weg. Da begegneten ihm auf dem weg zwei Schäflein. Ihr Anblick erfüllte den Heiligen mit Freude, und er sagte zu seinem Gefährten: Vertrau  auf den Herrn, Bruder, denn an uns wird sich das Wort des Evangeliums erfüllen: Siehe, ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe.
Als sie schon weitergegangen waren, stießen sie auf sarazenische Soldaten. Wie Wölfe auf die Schafe stürzen, so ergriffen sie die Diener Gottes. Sie behandelten sie mit Grausamkeit und Verachtung, stießen Schmähungen gegen sie aus, versetzten ihnen Schläge und fesselten sie. Übel zugerichtet wurden sie schließlich zum Sultan gebracht - Gottes Vorsehung lenkte es so, wie Franziskus es gewünscht hatte.

Der Fürst fragte sie, wer sie gesandt habe, was der Zweck ihres Kommens sei und wie sie hierher gelangt seine.  Da gab der Diener Christi Franziskus freimütig zur Antwort, nicht Menschen, sondern Gott, der Allerhöchste, habe sie gesandt, damit er ihm und seinem Volke den Weg des Heiles zeige und das wahre Evangelium verkünde. Er predigte dem Sultan mit solcher Unerschrockenheit, Geisteskraft und  Glut den einen, dreifaltigen Gott und den Erlöser aller Menschen Jesus Christus, dass in Wahrheit an ihm das Wort des Evangeliums erfüllt schien. Ich werde euch Beredsamkeit und Weisheit verleihen, der alle eure Gegner nicht zu widerstehen und zu widersprechen vermögen. Denn auch der Sultan sah die wunderbare Glut und Kraft des Geistes bei dem Gottesmann, er hörte ihn gern und drängte ihn, länger bei ihm zu bleiben.
Durch eine Weisung Gottes erleuchtet, gab jedoch der Diener Christi zur Antwort: "Wenn du dich mit deinem Volke zu Christus bekehren willst, will ich aus Liebe zu ihm gern bei euch bleiben. Solltest du aber Bedenken tragen, für den Glauben an Christus das Gesetz des Mohammed zu verlassen, dann lass ein großes Feuer anzünden, dann werde ich mit deinen Geistlichen ins Feuer hingehen, damit du wenigstens dadurch erkennen mögest, welchen Glauben man mit mehr Recht als sicherer und heiliger festhalten muss."
Da erwiderte der Sultan:"Ich glaube nicht, dass sich einer meiner Priester bereit findet, sich zur Verteidigung seines Glaubens ins Feuer zu gebeben oder irgendeine Marter auf sich zu nehmen." Denn er hatte bemerkt, wie sich einer von seinen Priestern, ein Mann von hohem Ansehen und Alter, bei diesen Worten des Heiligen aus dem Blickfeld entfernte. 

Da sagte der Heilige: "Versprichst du mir für dich und dein Volk, du werdest den Glauben an Christus annehmen, wenn ich unversehrt durchs Feuer gehe, dann will ich allein hineingehen. Werde ich verbrannt, dann rechte dies meinen Sünden an; beschützt mich aber Gottes Macht, dann erkennt, dass Christus, Gottes Kraft und Weisheit wahrhaft Gott und Herr, der Erlöser aller Menschen ist!"

Der Sultan erwiderte, er wage nicht, eine solche Probe vorzunehmen, denn er fürchtete einen Aufruhr seines Volkes. Doch bot er Franziskus viele kostbare Gegenstände an, die der gottesmann aber alle wie Lehm verachtete; denn ihn verlangte nicht nach irdischem Reichtum, sondern nach dem Heil der Seelen. Da wunderte sich der Sultan sehr und brachte ihm noch größere Verehrung entgegen, sah er doch, wie dieser Heilige alle irdischen Güter gänzlich verachtete. Er wollte zwar nicht den christlichen Glauben annehmen oder wagte es vielleicht nicht; doch bat er den Diener Christi inständig, er möge zum Heil seiner Seele diese Gaben nehmen und für die christlichen Armen oder die Kirchen verwenden. Weil aber Franziskus die Last des Geldes floh und weil er erkannte, dass die wahre Frömmigkeit im Herzen des Sultan noch nicht Wurzel geschlagen hatte, lehnte er dieses Angebot ab.
(Bonaventura von Bagnoregio, Legenda Major, IX,8; in FranziskusQuellen, 744)

Santa Croce, Firenze/Florenz

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