Evangelist Markus, S. Martino, Lucca |
Glaube
und Nachfolge
Zu Beginn
des Evangeliums liest man Jesu programmatische Forderung: "Kehrt um und
glaubt an das Evangelium!" (1,15 [1. Fastensonntag; 3. S.i.Jk.]). Glaube
an das Evangelium ist das Vertrauen darauf, daß Gott seine Herrschaft
tatsächlich durch Jesus Christus, seinen Sohn, nahekommen läßt und vollenden
wird. Glaube integriert deshalb das Bekenntnis zu Jesus Christus als Sohn
Gottes, kann aber nur als Kreuzesnachfolge gelebt werden.
Vor allem
die Wundergeschichten zeigen, weshalb man Jesus glauben kann: weil er durch
seine menschliche Zuwendung und durch die Inanspruchnahme seiner von Gott
verliehenen Vollmacht den Kranken und den Besessenen mit Leib und Seele die
Gnade der Gottesherrschaft vermittelt. Er ist der "Arzt" der Kranken
(2,17), der Hirt einer schutzlosen Herde (6,34 [16. S.i.Jk.]), der "Herr"
(7,28), der "alles gut gemacht hat" (7,37 [23. S.i.Jk.]), der
"Davidssohn", der sich der Notleidenden erbarmt (10,47f [30.
S.i.Jk.]).
Die
Sprache des Glaubens ist das Gebet. Getragen von der Bereitschaft, die Schuld
des Nächsten zu vergeben und bestimmt vom Vertrauen in die kraftvolle Gnade Gottes,
kann es Berge versetzen, d.h. eine so große Macht gewinnen, daß es die Erfahrung
der Gottesherrschaft vermittelt, die alle festgefügten Vorstellungen ins Wanken
bringt und alle Sehnsüchte übersteigt (11,22-25).
Der Weg
des Glaubens ist die Nachfolge (1,14f.16-20 [3. S.i.Jk.]) - nicht nur für einige
wenige Auserwählte, sondern für alle Christen, besonders aber für jene, die an
der Sendungsvollmacht Jesu teilhaben (6,6b-13 [15. S.i.Jk.]). Nachfolge ist
gekennzeichnet durch die Bereitschaft, von Jesus zu lernen und um Jesu und des
Evangeliums willen auch Konfliktsituationen und Benachteiligungen nicht zu
scheuen (8,38; 10,29f [28. S.i.Jk.]). In einer Umwelt, die den Gemeinden mit
Mißtrauen und Feindschaft begegnet, ist auch der Weg der Jünger der Weg der
Kreuzesnachfolge (8,34-38 [24. S.i.Jk.]) - und das Leiden im Dienst der
Gottesherrschaft wird selbst zu einer tiefen Glaubenserfahrung.
Der Blick
auf die Jünger zeigt aber auch in aller Klarheit, wie lang und beschwerlich der
Weg des Glaubens ist, wie viele Höhen und Tiefen er kennt, wie wenig er vor
Versagen und Schuld, Zweifel und Resignation gefeit ist. Petrus liefert das
deutlichste Beispiel. Zum Jünger berufen (1,16-20 [3. S.i.Jk.]), zum Mitglied
des Zwölferkreises bestellt (3,13-19), zum vollmächtigen Verkündigungs-dienst ausgesendet
(6,6b-13 [15. S.i.Jk.]), bekennt er zwar die Messianität Jesu (8,30),
widerspricht aber der Leidensankündigung (8,31f [24. S.i.Jk.]) und versagt
trotz seines großen Versprechens (14,29) in der Stunde der Passion (14,66-72);
er sagt sich von Jesus los (Mk 14,72: "Ich kenne diesen Menschen
nicht!") - und wird doch von Jesus nicht fallengelassen, sondern durch die
österliche Erscheinung neu in die Nachfolge gerufen (14,28; 16,7 [Osternacht])
Der Glaube wird mit der Schwachheit des
menschlichen Fleisches (14,38) und der Kraft Gottes (11,22-25) konfrontiert.
Wer glaubt, kann den Unglauben nicht leugnen, der tief im Herzen nistet - und
dennoch durch Jesus Gott sein volles Vertrauen schenken. Die ganze Spannung von
menschlichem Zweifel und göttlicher Gnade kommt im paradoxal zugespitzten
Glaubensbekenntnis des Vaters zum Ausdruck, der Jesus um Heilung seines
besessenen Sohnes bittet: "Ich glaube, hilf meinem Unglauben" (9,24).
(aus: Thomas Söding, Das Markusevangelium)
Auferstehung u. letztes Abendmahl, S. Martino, Lucca |
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