Donnerstag, 14. August 2025

Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt

 


 
PREDIGT VON PAPST PAUL VI. (Sonntag, 17. Oktober 1971)
zur Seligsprechung von Maximilian Maria Kolbe

Maximilian Maria Kolbe ein Seliger. Was bedeutet dies? Es will heißen, daß die Kirche in ihm einen ganz besonderen Menschen sieht, einen, in dem die Gnade Gottes und seine Seele in solcher Weise aufeinander getroffen sind, daß daraus ein wundervolles Leben hervorging, in dem der gute Beobachter die Symbiose eines doppelten Wirkungsprinzips entdeckt, des göttlichen und des menschlichen - geheimnisvoll das eine, experimentell das andere, übernatürlich und doch im Inneren das eine, natürlich und doch komplex wie ausgedehnt das andere, bis zum Erreichen jenes einzigartigen Profils moralischer und geistlicher Größe, die wir Heiligkeit nennen, das heißt die nach religiösen Kriterien erreichte Vollkommenheit, die - wie man weiß - zu den unendlichen Höhen des Absoluten strebt. Selig will also heißen, jener Verehrung würdig zu sein, das heißt jenes gestatteten und entsprechenden lokalen Kultes, welcher die Bewunderung dessen einschließt, der wegen mancher außergewöhnlicher und prachtvoller Wirkung des heiligenden Geistes Objekt derselben Verehrung ist. Selig will heißen gerettet und siegreich. Will heißen Bürger des Himmels mit allen Eigenheiten des Erdenbürgers; will heißen Bruder und Freund, um den wir noch als den unsrigen wissen, sogar mehr denn je als den unsrigen, weil er identifiziert ist als fruchtbares Glied der Gemeinschaft der Heiligen, die jener mystische Leib Christi ist, die Kirche, die sowohl in der Zeit als auch in der Ewigkeit lebt; will heißen Fürsprecher und deshalb Protektor im Reich der Liebe, und gemeinsam mit Christus «lebt er allezeit, um für uns einzutreten» (Hebr 7,25; vgl. Röm 8,34); will schließlich heißen exemplarischer Champion, die Sorte Mensch, an dem wir unsere Lebensform ausrichten können, weil beim Seligen das Privileg des Apostels Paulus anerkannt ist, dem christlichen Volk sagen zu können: «Haltet euch an mein Vorbild, wie ich Christus zum Vorbild nehme» (1 Kor 4,16; 11,1; Phil 3, 17; vgl. 1 Thess 3,7).

LEBEN UND WERKE DES NEUEN SELIGEN

So können wir von heute an Maximilian Kolbe als neuen Seligen betrachten. Aber wer ist Maximilian Kolbe?

Ihr wißt es, ihr kennt ihn. Steht er doch unserer Generation so nahe, ist er doch so durchtränkt von der gelebten Erfahrung dieser unserer Zeit, alles weiß man von ihm. Wenig andere Prozesse sind wahrscheinlich so gut dokumentiert wie dieser. Nur wegen unserer modernen Leidenschaft für die historische Wahrheit lesen Wir - einer Inschrift ähnlich - das biographische Profil von Pater Kolbe, das wir einem seiner unermüdlichsten Erforscher verdanken:

«P. Maximilian Kolbe wurde am 8. Januar 1894 in Zdusnka Wola, in der Nähe von Lodz, geboren. Nachdem er im Jahr 1907 ins Seminar der Minoriten-Konventualen eingetreten war, wurde er nach Rom gesendet, um die kirchlichen Studien an der Päpstlichen Universität Gregoriana und am "Seraphicum" seines Ordens fortzusetzen.

Noch als Student ersann er eine Institution, die Miliz der Unbefleckten. Zum Priester ausgeweiht am 28. April 1918 und nach Polen heimgekehrt, begann er sein marianisches Apostolat, insbesondere mit der Monatspublikation Rycerz Niepokalanej (der Ritter der Unbefleckten), welche im Jahr 1938 eine Million Exemplare erreichte.

1927 gründete er die Niepokalanów (Stadt der Unbefleckten), Zentrum des religiösen Lebens und diverser Formen des Apostolates. 1930 brach er nach Japan auf, wo er eine weitere ähnliche Institution gründete.

Nach seiner definitiven Rückkehr nach Polen widmete er sich ganz seinem Werk, mit verschiedenen religiösen Publikationen. Der Zweite Weltkrieg überraschte ihn an der Spitze des eindrucksvollsten polnischen Verlagskomplexes.

Am 19. September 1939 wurde er von der Gestapo festgenommen, die ihn zuerst nach Lamsdorf (Deutschland) deportierte, später ins provisorische Konzentrationslager Amtitz. Nach seiner Freilassung am 8. Dezember 1939 kehrte er nach Niepokalanów zurück und nahm die unterbrochene Tätigkeit wieder auf. Wieder festgenommen im Jahr 1941, wurde er ins Pawiak-Gefängnis in Warschau eingesperrt und dann ins Konzentrationslager von Oswiecim (Auschwitz) deportiert.

Nachdem er das Leben als Ersatz für einen zum Tode verurteilten Unbekannten - es handelte sich um eine Repressalie für die Flucht eines Häftlings - angeboten hatte, wurde er in einen Bunker gesperrt, um darin den Hungertod zu erleiden. Am 14. August, Vigil der in den Himmel Aufgenommenen, durch eine Phenolininjektion verstorben, gab er seine gute Seele Gott zurück, nachdem er zuvor noch seinen Leidensgenossen beigestanden war und sie getröstet hatte. Sein Leib wurde verbrannt» (Pater Ernesto Piacentini, O.F.M. Conv.)

DIE VEREHRUNG DER
UNBEFLECKTEN EMPFÄNGNIS

Aber bei einer Zeremonie wie dieser entschwindet der biographische Anhaltspunkt im Lichte der großen Hauptlinien der zusammengeschauten Gestalt des neuen Seligen; und wir richten unseren Blick für einen Moment auf diese Linien, die ihn charakterisieren und ihn unserem Gedenken anvertrauen.

Maximilian Kolbe war ein Apostel der Verehrung der Madonna, und sie wurde von ihm in ihrem ersten, ursprünglichen und vorzüglichen Glanz, jenem ihrer Bezeichnung von Lourdes betrachtet: als die Unbefleckte Empfängnis. Es ist unmöglich, den Namen, die Aktivität, die Mission des seligen Kolbe vom Namen der unbefleckten Maria abzutrennen. Er war es, der die Miliz der Unbefleckten hier in Rom am 16. Oktober 1917 gründete, noch bevor er zum Priester geweiht wurde. Wir können heute diesen Jahrestag begehen. Er ist bekannt als der demütige und milde Franziskaner, und mit unglaublicher Kühnheit sowie außerordentlichem Organisationstalent entfaltete er die Initiative. Und die fromme Verehrung der Mutter Christi, geschaut in ihrem Sonnenkleid (vgl. Offb 12,1), wurde der Brennpunkt seiner Spiritualität, seines Apostolates, seiner Theologie. Kein Zweifel möge unsere Bewunderung und unsere Zustimmung zu diesem Auftrag beeinträchtigen, den uns der neue Selige als Erbe und Vorbild hinterlassen hat, als ob auch Wir Mißtrauen hegten gegenüber einer ähnlichen marianischen Lobpreisung und als ob sich zwei andere theologische und geistliche Strömungen, die heute im religiösen Denken und Leben vorherrschen - jene christologische und jene ekklesiologische - im Wettstreit mit jener mariologischen befänden. Kein Wettstreit. Im Denken Kolbes behält Christus nicht nur den ersten Platz, sondern - absolut gesprochen - den einzig notwendigen und ausreichenden Platz in der Heilsökonomie; und auch die Liebe zur Kirche und zu ihrer Sendung ist in der Konzeption der Lehre oder in der apostolischen Zielsetzung des neuen Seligen nicht vergessen. Im Gegenteil, gerade aus der untergeordneten Komplementarität der Gottesmutter - im Hinblick auf den kosmologischen, anthropologischen und soteriologischen Plan Christi - entspringt jedes ihrer Vorrechte und ihre ganze Größe.

Das wissen Wir genau. Und Kolbe sieht Maria so wie die ganze katholische Lehre, die ganze katholische Liturgie und die ganze katholische Spiritualität eingefügt in den göttlichen Plan als «Fixpunkt des ewigen Ratschlusses», als die voll der Gnade, als den Sitz der Weisheit, als die zur Mutterschaft Christi Vorherbestimmte, als die Königin des messianischen Reiches (Lk 1,33), und gleichzeitig als die Magd des Herrn, als die dazu Erwählte, der Inkarnation des Wortes ihre unersetzliche Kooperation darzubieten, als die Mutter des Gottmenschen, unseres Erlösers: «Maria ist diejenige, durch welche die Menschen bei Jesus ankommen, und diejenige, durch welche Jesus bei den Menschen ankommt» (L. BOUYER, Le trône de la Sagesse, S. 69).

Unserem Seligen sind daher keine Vorwürfe zu machen - auch nicht der Kirche mit ihm gemeinsam - wegen seines Enthusiasmus, der der Verehrung der Jungfrau gewidmet ist; die Verehrung ist nie dem Zentralen gleichgestellt noch gibt es einen Vorrang einer solchen Verehrung, eben wegen des Geheimnisses der Gemeinschaft, die Maria mit Christus vereint und die im Neuen Testament so überzeugend dokumentiert ist; aus der Verehrung erwächst nie eine «Mariolatrie». So wie die Sonne nie vom Mond verdunkelt wird; ebensowenig wird jemals die dem Dienst der Kirche im eigentlichen Sinne anvertraute Rettungsmission beeinträchtigt, wenn diese versteht, Maria als ihre eine herausragende Tochter und als ihre geistliche Mutter zu verehren. Wenn man so will, ist der charakteristische Aspekt, ja sogar aus sich heraus der Ausgangspunkt der Frömmigkeit, der Mehrverehrung Mariens, von Seiten des seligen Kolbe die Bedeutung, die er ihr zuschreibt im Hinblick auf die gegenwärtigen Bedürfnisse der Kirche, auf die Wirksamkeit ihrer Weissagung über die Herrlichkeit des Herrn und auf die Erhöhung der Niedrigen, auf die Mächtigkeit ihrer Fürsprache, auf den Glanz ihrer Vorbildlichkeit, auf die Präsenz ihrer mütterlichen Liebe. Das
Konzil hat uns in diesen Gewißheiten bestätigt, und nun belehrt und hilft uns vom Himmel her Pater Kolbe, diese zu meditieren und zu leben.

Dieses marianische Profil des neuen Seligen qualifiziert ihn und ordnet ihn den großen Heiligen und den vorausblickenden Denkern zu, die das Geheimnis Mariens verstanden, verehrt und besungen haben.

TRAGISCHER UND HERAUSRAGENDER EPILOG

Und dann sind wir beim tragischen und herausragenden Epilog des unschuldigen apostolischen Lebens von Maximilian Kolbe. Von diesem Epilog her rührt hauptsächlich die Verherrlichung, welche die Kirche heute in bezug auf den demütigen, milden und fruchtbringenden Ordensmann, auf den mustergültigen Schüler des heiligen Franziskus, auf den in Maria, die Unbefleckte, verliebten Ritter feiert. Die Szene seines zeitlichen Endes ist so schrecklich und erschütternd, daß Wir vorzögen, darüber nicht zu sprechen und sie nie mehr zu betrachten, um nicht zu sehen, bis wohin die unmenschliche Erniedrigung durch die Präpotenz gehen kann, die sich aus ungerührter Grausamkeit gegenüber Menschenwesen, die auf wehrlose Sklaven reduziert und zur Ausrottung bestimmt sind, das Podest der Größe und Herrlichkeit verschafft; und es waren Millionen solcher, die dem Stolz der Gewalt und dem Wahn des Rassismus geopfert wurden. Und doch bedarf es des Nachdenkens über diese finstere Szene, um darin manchen Funken verbliebener Menschlichkeit zu erblicken. O weh, die Geschichte darf diese ihre fürchterliche Seite nicht vergessen. Und so kann sie nicht anders als den bestürzten Blick auf die hellen Punkte richten, die sich aus ihr ergeben, aber gemeinsam besiegen sie so die unbegreifliche Finsternis. Einer dieser Punkte, ja vielleicht der leuchtendste und funkelndste, ist die zermürbte, gelassene Figur des Maximilian Kolbe. Der stille und immer fromme Held, der getragen ist von einem paradoxen und doch vernünftig durchdachten Vertrauen. Sein Name wird unter den Großen verbleiben und wird enthüllen, welche Rücklagen an moralischen Werten bei jenen unglücklichen Massen brachliegen, die vor Angst und Verzweiflung erstarrt sind. Und nun umhüllen Wir diesen immensen Vorhof des Todes mit einem göttlichen und unvergänglichen Wort des Lebens, mit jenem von Jesus, welches das Geheimnis des schuldlosen Leidens offenbart - Sühne zu sein, Opfer zu sein und schließlich Liebe zu sein: «Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt» (Joh 15,13). Jesus sprach von Sich angesichts Seiner bevorstehenden Hinopferung für die Rettung der Menschen. Die Menschen sind alle Freunde Jesu, wenn sie wenigstens Sein Wort hören. Pater Kolbe verwirklichte im verhängnisvollen Lager von Auschwitz den Spruch der befreienden Liebe auf zweifache Weise (unter doppeltem Titel):

DER PRIESTER, «ALTER CHRISTUS»

(1.) Wer erinnert sich nicht an die unvergleichliche Episode? «Ich bin ein katholischer Priester», sagte er, als er sein Leben dem Tod darbot - und welchem Tod! - um einen unbekannten Schicksalsgefährten das Überleben zu ermöglichen, der nämlich schon für die blinde Blutrache bestimmt war. Und das war ein gewaltiger Moment: das Angebot wurde angenommen. Es ging hervor aus dem Herzen, das eingeübt war, sich selbst zu schenken, als natürliche, spontane und sozusagen logische Konsequenz des eigenen Priestertums. Ist nicht ein Priester ein «zweiter Christus»? War nicht Christus als Priester das Erlösungsopfer des Menschengeschlechtes? Welcher Ruhm, welches Beispiel für uns Priester, in diesem neuen Seligen einen Interpreten dieser unserer Weihe und unserer Sendung zu erkennen! Welche Ermahnung in dieser Stunde der Unsicherheit, in der die menschliche Natur bisweilen gerne ihre Rechte dominieren lassen möchte gegenüber der übernatürlichen Berufung zur totalen Hingabe an Christus in demjenigen, der in Seine Nachfolge berufen ist! Und welcher Trost für die so geliebte und so edle, dichte und treue Schar der guten Priester und Ordensmänner, die ihre Sendung - auch in der legitimen und lobenswerten Intention, ihre Berufung von der persönlichen Mittelmäßigkeit und von der gesellschaftlichen Frustration abzuheben - so verstehen: ich bin ein katholischer Priester, und deshalb opfere ich mein Leben, um jenes der anderen zu retten! Dies scheint der Auftrag zu sein, den der Selige besonders an uns richtet, die Diener der Kirche Gottes, und in analoger Weise an alle, die den Geist dieses Auftrags annehmen.

SOHN DES EDLEN UND KATHOLISCHEN POLEN

(2.) Und diesem Titel des Priesters fügt sich noch ein anderer hinzu; ein weiterer Nachweis, daß das Opfer des Seligen seine Motivation in einer Freundschaft hatte: er war Pole. Als Pole wurde er zu jenem unglückseligen «Lager» verurteilt, und als Pole tauschte er sein Schicksal mit jenem, für das sein Landsmann Franciszek Gajowniczek vorgesehen war; das heißt, er erlitt die grausame Todesstrafe stellvertretend für ihn. Wie viele Dinge kommen einem in den Sinn in Erinnerung an diesen menschlichen, sozialen und ethnischen Aspekt des freiwilligen Sterbens von Maximilian Kolbe, der auch Sohn des edlen und katholischen Polen ist! Das historische Schicksal des Leidens dieser Nation scheint in diesem charakteristischen und heroischen Fall die säkulare Berufung des polnischen Volkes zu belegen, in der gemeinsamen Leidensgeschichte sein Bewußtsein der Einigkeit zu finden, seine ritterliche Mission hin zu der in der Würde des spontanen Opfers seiner Söhne erreichten Freiheit, und deren Bereitschaft, füreinander einzutreten zur Bewältigung der Lebhaftigkeit hin zu einer unbesiegbaren Eintracht, sein unzerstörbar katholischer Charakter, der das polnische Volk als ein lebendiges und geduldiges Glied der universalen Kirche auszeichnet, seine feste Überzeugung, daß im wunderbar-außergewöhnlichen, aber doch tief empfundenen Schutz der Madonna das Geheimnis seiner wieder aufkommenden Blüte liegt - das alles sind in Regenbogenfarben schillernde Strahlen, die vom frischgebackenen Märtyrer Polens ausgehen und das authentische, schicksalschwere Antlitz dieses Landes erstrahlen lassen, und sie regen uns an, den Seligen, seinen exemplarischen Helden, anzurufen für die Festigkeit im Glauben, für den Eifer in den Werken der Liebe, um Eintracht, Wohlfahrt und Frieden seines ganzen Volkes. Die Kirche und die Welt werden davon gemeinsam profitieren. Und so sei es. 
 

Altar des hl. Maximilian M. Kolbe in der Franziskanerkirche in Przemysl

Glasfenster in der St Mary´s Cathedral in Inverness (Hingabe an die Immaculata) 

Glasfenster im Heiligtum der Barmherzigkeit in Bialystok (Lesehore, durch Leiden zur Herrlichkeit) 

Altar in der Minoritenkirche in Venedig

Statue in der Franziskanerkirche Vicenza

Gebet zur Mutter Gottes um Rettung (Loretokapelle Brünn)
Über das Leiden (Minoritenkirche Wien)
Durch die Hände der Unbefleckten kannst du alles (Katharinakirche Krakau) 
Die Macht des Gebetes (Chiesa dei Santi Apostoli, Rom)

Priesterweihe in Rom
Die Primizkirche des M. Kolbe, (S. Andrea delle Fratte, Rom)
Die Todeszelle des hl. Maximilian Kolbe


Franziskanerkirche zur Aufnahme Mariens in Przemysl

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen