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Salisbury Cathedral |
Du aber "strecktest Deine Hand aus der Höhe" und "rissest meine Seele aus" der dichten Finsternis, weil meine Mutter, Deine Getreue, um meinetwillen zu Dir weinte. Sie weinte mehr, als Mütter ein totes Kind beweinen.
Durch den Glauben und den Geist, den sie von Dir erhalten hatte, sah sie meinen Tod, und Du, Herr, hast sie erhört. Du hast sie erhört und ihre Tränen nicht gering geachtet, wenn sie strömend den Boden unter ihren Augen netzten, wo immer sie betend verweilte. Ja, Du hast sie erhört. Denn woher sonst kam der Traum, durch den Du sie getröstet hast, so daß sie wieder einwilligte, mit mir zusammenzuleben und im Hause den gleichen Tisch zu teilen? Sie hatte eine Zeitlang sich geweigert, es zu tun, vor Abscheu und Widerwillen gegen meine gotteslästerlichen Verirrungen.
Im Traum aber sah sie sich auf einem hölzernen Richtscheit stehen (Hinweis auf regula fidei, die christliche Glaubenslehre), und ein strahlender, froher, sie anlächelnder Jüngling kam auf sie zu, während sie trauerte und vor Gram ganz gebrochen war. Dieser fragte nach dem Grund ihrer Trauer und warum sie immerfort weine, wie man fragt, um zu helfen, nicht aus Neugier. Sie erwiderte, sie beklage meinen Untergang. Da hieß er sie, getrost zu sein, und ermunterte sie, aufzumerken und genau hinzusehen: dort, wo sie sei, sei auch ich. Und als sie aufmerkte, sah sie, daß ich neben ihr auf dem gleichen Richtscheit stand.
Wieso das? Doch weil Dein Ohr an ihrem Herzen lag, o Du guter, allmächtiger Gott, der über jeden von uns wacht, als kümmertest Du Dich um ihn allein oder um alle so wie um jeden.
Und wie kam das Weitere, daß, als sie mir ihre Schau erzählte, und ich sie so wegdeuten wollte, als dürfe sie nicht daran verzweifeln, eines Tages dort zu sein, wo ich war, sie sogleich ohne das geringste Zögern erwiderte: "Nein, mir wurde nicht gesagt: Wo er ist, wirst du sein, sondern: Wo du bist, wird auch er sein".
Herr, hier bekenne ich Dir ein weiteres Mal meine Erinnerung, soweit mein Gedächtnis reicht: die Antwort, die Du mir so durch den Mund meiner wachsamen Mutter gabst, ihre Ruhe angesichts meiner falschen, danebengreifenden Antwort, ihre rasche Einsicht in das zu Beachtende - das ich vor ihrer Antwort nicht beachtet hatte-, sie hat mich damals mehr bewegt als der Traum selbst, der dieser frommen Frau lange vorweg zur Tröstung über gegenwärtige Sorgen eine Freude ankündigte, die sich erst viel später verwirklichen sollte.
Denn neun Jahre ungefähr verflossen, während denen ich mich "im tiefen Schlamm" und im finstern Irrtum wälzte; oft suchte ich aufzutauchen und sank nur tiefer zurück, während diese keusche, fromme und nüchterne Witwe, so wie Du sie liebst, schon beflügelter im Hoffen, aber unermüdet im Weinen und Seufzen, zu jeder Stunde ihres Gebets nicht aufhörte, für mich vor Dir zu klagen. Ihren Gebete "drangen vor Deine Augen", aber Du ließest mich indessen noch immer im Finstern suhlen und mich einwühlen.
(Augustinus, Confessiones, Hrsg. Hans Urs von Balthasar, 3. Buch, der Traum Monikas, 82ff)
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Heilige Monika, bitte für uns und alle, die nicht glauben Salisbury Cathedral |
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