Vor der Bekehrung des hl. Augustinus:
So beschloß ich denn, meine Aufmerksamkeit auf die Heiligen Schriften
zu richten und zu sehen, wie beschaffen sie sind. Was ich da entdeckte,
war dies: etwas für Gelehrte Unzugängliches, das sich auch Kindern
nicht aufdeckt, etwas mit niedrigem Eingang, das sich aber beim weiteren
Eindringen erhöht, doch überall in Geheimnisse gehüllt bleibt.
Ich
war keineswegs imstande, darin einzutreten oder den Kopf so zu beugen,
um darin voranzukommen. Aber nicht genauso, wie ich jetzt davon rede,
habe ich damals gefühlt, als ich an die Schrift herantrat, vielmehr
schien sie mir nicht würdig, mit der Hoheit eines Cicero verglichen zu
werden. Mein Dünkel sträubte sich angesichts ihrer Einfachheit, mein
Blick war nicht scharf genug, in ihr Inneres einzudringen.
Die
Schrift als solche wäre fähig gewesen, mit den Kleinen zusammen zu
wachsen, aber ich wollte eben kein kleiner sein, sondern fühlte mich,
von Hochmut geschwollen, groß.
(Augustinus, Confessiones, 3. Buch, im Bann der Manichäer, Hrsg. H. U. v. Balthasar)
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Norwich Cathedral |
Die Bekehrung:
Ich warf mich unter einen Feigenbaum nieder und ließ meinen Tränen freien Lauf; Ströme brachen aus meinen Augen, ein Dir wohlgefälliges Opfer, und ich sagte Dir vieles, nicht in diesen Worten, aber in diesem Sinn: "Und Du, Herr, wie lange noch? Wie lange noch? Wirst Du mir bis ans Ende zürnen? Ach, gedenke nicht meiner alten Sünden." Denn nur sie, ich fühlte es, hielten mich noch zurück. Jämmerliche Worte stieß ich aus: "Wie lange, wie lange noch? Immer nur morgen? Warum denn nicht heute? Warum nicht zu dieser Stunde das Ende meiner Schmach?"
Sprach es und weinte in der bittern Zerknirschung meines Herzens. Und auf einmal hörte ich aus einem Nachbarhaus die Stimme eines Knaben oder Mädchens wiederholt sagen: "Nimm, lies, nimm, lies." Sogleich veränderte sich mein Gesicht, und ich begann angestrengt darüber nachzudenken, ob Kinder bei irgendeinem Spiel etwas derartiges zu singen pflegen; doch ich entsann mich nicht, es je gehört zu haben. Ich dämmte die Tränenflut und stand auf, ich wußte keine andere Deutung, als daß Gott mir befehle, ein Buch zu öffnen und die Stelle zu lesen, auf die ich als erste stieße.
Ich hatte nämlich von Antonius vernommen, er habe aus einer zufällig aufgeschlagenen Stelle im Evangelium eine persönliche Mahnung herausgehört, als sei ihm bei der Lesung zugesprochen worden: "Geh, verkauf alles, was du hast, und gib es den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben, und kommt und folge mir nach." Auf diesen Wahrspruch hin habe er sich sogleich zu Dir bekehrt.
So kehrte ich eilends zu dem Platz zurück, wo Alypius saß, dort hatte ich nämlich beim Aufstehen das buch der Apostel hingelegt. Ich nahm es, schlug es auf und las die erste Stelle, worauf meine Augen fielen:
"Nicht in Schmausereien und Trinkgelagen, nicht in Beischlaf und Unzucht, nicht in Streit und Gezänk, sondern zieht den Herrn Jesus Christus an und pflegt nicht den Leib zur Erregung der Begierlichkeit."
Weiter wollte ich nicht lesen, es war nicht nötig. Denn kaum hatte ich den Satz zu Ende gelesen, ergoß sich wie ein Licht der Gewißheit in mein Herz, und alle Schatten des Zweifels waren zerstoben.
(Begegnung mit Alypius)
Darauf gehen wir zur Mutter: wir sagen es ihr, sie freut sich. Wir erzählen ihr, wie alles sich zutrug, sie jubelt und triumphiert, und sie pries Dich, "der Du mächtig bist über all unser Bitten und unser Verstehen hinaus", denn sie sah, wie viel mehr Du ihr für mich gewährt hast, als sie mir ihren gewohnten Bitten und armen Tränen und Seufzern zu erreichen vermochte.
Du bekehrtest mich in der Tat so zu Dir, daß ich keine Gattin mehr suchte noch sonst etwas, das man in dieser Welt erhoffte. Nund stand ich auf jenem Richtscheit des Glaubens, (der Traum Monikas) auf dem sich mich gemäß Deiner Offenbarung vor Jahren erblickt hatte. Du "hattest ihre Trauer in Freude verwandelt", eine viel überströmendere, als sie sie erbeten, eine viel köstlichere und keuschere, als sie sie von den Enkelkindern meines Fleisches erwartet hatte.
(Augustinus, Confessiones, 8. Buch, 12. Kapitel, Hrsg. H. U. v. Balthasar)
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