Verkündigung, rumänisch orthodoxe Pfarrkirche Knittelfeld, vormals Kapuzinerkirche |
Du hast gehört, heilige Jungfrau, du sollst einen Sohn empfangen und gebären: Nicht von einem Menschen hast du das Wort gehört, sondern vom Heiligen Geist.
Der Engel wartet auf Antwort; denn es ist Zeit, daß er zu Gott zurückkehrt, der ihn gesandt hat. Herrin, auch wir warten auf das Wort des Erbarmens, wir, auf denen das Todesurteil lastet.
Siehe, dir ist der Preis unserer Erlösung angeboten. Wir werden sofort befreit, wenn du zustimmst. Im ewigen Wort Gottes sind wir alle geschaffen, wir, die wir sterben müssen. Durch ein kurzes Wort von dir sollen wir neu geschaffen und dem Leben zurückgegeben werden. Um dieses Wort bitten dich, gütige Jungfrau, der beklagenswerte Adam und seine Nachkommen, die, aus dein Paradies vertrieben, in der Verbannung weilen. Um dieses Wort bitten Abraham und David. Dieses Wort ersehnen alle heiligen Patriarchen, deine Väter; auch sie wohnen ja im Schatten des Todes. So liegt der ganze Erdkreis dir zu Füßen und wartet auf deine Antwort. Nicht von ungefähr; denn von deinem Mund hängt der Trost der Verbannten ab, der Loskauf der Gefangenen, die Befreiung der Verurteilten und das Heil aller Nachkommen Adams, deines ganzen Geschlechtes.
Gib unverzüglich deine Antwort, heilige Jungfrau, antworte dem Engel, antworte ohne Zögern durch den Engel dem Herrn. Antworte und empfange das Wort. Sag dein Wort und nimm das göttliche Wort entgegen! Sprich das vergängliche Wort und umfange das ewige! Was zögerst du, warum erbebst du? Glaube, bekenne und nimm das Wort an! Die Demut fasse sich ein Herz, die Ehrfurcht öffne sich im Vertrauen. Jetzt ist nicht der Augenblick, daß die jungfräuliche Bescheidenheit die Klugheit vergessen dürfte. In dieser einzigen Sache, du kluge Jungfrau, fürchte nicht, vermessen zu sein. Zwar mag Ehrfurcht im Schweigen sich angemessen kundtun, jetzt aber ist es notwendig, daß die Bereitschaft für Gott zu Wort kommt.
Heilige Jungfrau, öffne das Herz dem Glauben, öffne die Lippen dem Bekenntnis, öffne deinen Schoß dem Schöpfer. Siehe, der, „nach dem sich die Völker sehnen" (1), steht vor der Tür und klopft an. Wenn er vorbeiginge, weil du zögerst, müßtest du mit Schmerzen von neuem suchen, ihn, den deine Seele liebt! (2) Steh auf, laufe, öffne! Mach dich im Glauben auf, eile in Liebe und öffne ihm durch dein Wort! Und sie sagt das Wort: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe nach deinem Wort!" (3)
1. Hag.2,8 (Vg.); 2. Vgl. Hld.3,3; 3.Lk.1,38
Aus einer Homilie über die gläubige Zustimmung Marias zu Gottes Heilsplan von
Bernhard von Clairvaux (+1153)
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