Freitag, 7. Juni 2013

Blutstrom aus der Herzenswunde Jesu

Ich schaute den Sohn Gottes am Kreuze hängend, und siehe, es wurde ihm von göttlicher Gewalt zugeführt eine hehre Frau, die war wie ein lichter Schimmer, der aus den Urtiefen ewigen Ratschlusses wie ein eilender Quell hervorsprang.
Und das Blut, das seiner wunden Seite entquoll, überströmte sie und riß sie empor zu sich. Ihm wurde sie durch des himmlischen Vaters Spruch zu seliger Brautschaft hingegeben und und die edle Mitgift war des Sohnes eigen Fleisch und Blut.
Und ich hörte, wie eine Stimme vom Himmel zu ihm sprach: "Mein Sohn, das soll deine Braut sein zur Erlösung meines Volkes. Sie sei des Volkes Mutter, wiedergebärend die Seelen in der Rettung durch Geist und Wasser."

Da gewann das Frauenbild zusehends an Kraft und Schönheit, und ich schaute etwas wie einen Opferaltar, zu dem schritt die Frau immer wieder hinan und bewunderte hingebend die bräutliche Mitgift, die auf dem Altar lag, und hob sie demütig dem himmlischen Vater und seinen Engeln entgegen.
 
Kirche und Judentum unter dem Kreuz, Basilika Sacre-Coeur, Paray-le-Monial

Und eine Stimme erscholl vom Himmel, die sprach zu mir:
"Am Holz seiner Passion hängt Jesus Christus, der wahre Sohn Gottes. Die Braut aber, die ihm zugesellt wurde im Schweigen des himmlischen Mysteriums, ist die Kirche, purpurnes Gottesblut ist ihr Brautkleid. Und siehe, vor deinen Augen vollzieht es sich: immer wieder tritt sie hin zum Opferaltar und holt sich von dort die bräutliche Mitgift, um mit sorgender Liebe achtet sie, ob auch ihre Kinder fromm hinschreiten zur Feier solcher Mysterien.

Das ist es, was du schautest: Als der Sohn Gottes am Kreuz hing, ward ihm in göttlicher Gewalt als Braut zugeführt die Kirche, das hehre Frauenbild, das da wie ein lichter Schimmer aus den Urtiefen göttlichen Ratschlusses, wie ein eilender Quell hervorging. Denn im gleichen Augenblick, da das unschuldige Gotteslamm auf den Altar des Kreuzes erhoben ward, trat die Kirche im glanzvollen Gewand ihres Glaubens und aller Tugendschöne aus dem Dunkel göttlichen Ratschlusses heraus, urplötzlich wie ein abgründiges Mysterium. Gottes majestätischer Wille gab sie dem Sohne zur Braut.
 
Herz-Jesu-Vision d. Hl. Margareta Maria Alacoque, Basilika Sacre Coeur, Paray-le-Monial

Was aber bedeutet dies? Daß in jenem Augenblick, da aus meines Sohnes Herzenswunde der Blutstrom entquoll, die Heimholung der Seelen begann.
Von nun an wird die Glorie, aus der einst Satan mit seinem Anhang vertrieben ward, dem Menschen geschenkt, da mein Eingeborener Sohn am Kreuz zeitlichen Tod erduldend, die Hölle beraubt und die getreuen Seelen zu himmlischen Reichen emporgeführt hat. Von nun an beginnt der Glaube zu sprossen und zu wachsen in den Jüngern und allen, die ihnen treue Gefolgschaft leisten. Erben sollen auch sie werden des himmlischen Königtums. Darum sahst du jenes Frauenbild vom Blut aus seiner Seitenwunde überströmt und zugleich emporgerissen, sahst du sie vom Willen des höchsten Vaters ihm vereint zu seligfroher Brautschaft. Denn die Gewalt aus der Passion des Gottessohnes überströmt sie wie feurige Flut und läßt sie wunderbarlich entschweben zur Höhe himmlischer Mysterien, so wie der Hauch guten Gewürzes duftig emporsteigt.

Die Kirche ist´s, die täglicher kraftvoller wird in der weißglänzenden Schar der Erben himmlischen Königtums. Sie ist die Braut, die vom Spruch des Ewigen Vaters dem Eingebornen Gottes vermählt ist zu treuester Liebe. Und wie das? Gleichwie die Braut dem Bräutigam sich schenkt zu demütig dienendem Gehorsam, um von ihm zu empfangen das Geschenk der Fruchtbarkeit und unverbrüchlicher Liebe zur Zeugung kindlichen Lebens, also ist die Kirche dem Sohne Gottes verbunden in Demut in Geist und Wasser zur Neugestaltung des Lebens, Seelen heimholend ins Reich, das da liegt im Jenseits.

Darum ist ihre adlige Mitgift Fleisch und Blut, denn Gottes Eingeborener schenkt seinen Gläubigen sein eigen Fleisch und Blut in wundersamer Verklärung, den Gläubigen, die da sind die Kirche und die Kinder der Kirche, auf daß sie besäßen durch ihn das Leben in der seligen Stadt Gottes.

(Hildegard von Bingen, in: H. Rahner, Mater Ecclesia, 55f)


Basilika Sacre Coeur, Paray-le-Monial

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen