Sonntag, 5. Oktober 2014

Am Grab der hl. Anna Schäffer in Mindelstetten

Hochaltarbild in der Pfarrkirche


„Nur der göttliche Seelengast in der heiligen Kommunion ist es, der unserer Armseligkeit und Schwäche Stärke und Kraft verleiht.“

„Wie glücklich sind wir doch, dass wir Jesus beim Throne der Liebe alles sagen können, was unser Herz bedrückt."

„Die  Sehnsucht nach der heiligen Kommunion lässt mich oft mein schweres Leiden vergessen.“

(Anna Schäffer)
 



Anna Schäffer von Mindelstetten, Dulderin. Anna Schäffer wurde am 18. Februar 1882 in Mindelstetten in der Diözese Regensburg geboren. Ihr Wunsch war es, dem Reich Gottes als Missionsschwester in einem Orden zu dienen. Doch Gott hatte für sie die „Mission des Leidens“ vorgesehen.
Am 4. Februar 1901 erlitt sie bei der Verrichtung von Hausarbeiten einen tragischen Unfall. Ein fast 25-jähriges Krankenlager war die Folge. In dieser Situation fasste Anna Schäffer den Entschluss, ihr Leben und Leiden Gott als Sühneopfer darzubringen. Die Kraft dazu schöpfte sie aus der täglichen Kommunion. Anna Schäffer starb am 5. Oktober 1925 mit den Worten „Jesus, Dir leb ich!“. 
Papst Johannes Paul II. sprach die Mystikerin und Dulderin, deren Fürbitte die Gläubigen schon zu Lebzeiten erbaten, am 7. März 1999 in Rom selig. Reliquien der Regensburger Seligen sind im Altar der Katharinenkapelle des Rudolphinums, der am 5. Oktober 2002 geweiht wurde.
(Martyrologium Sancrucensis) 

(Anmerkung: Am 21. Oktober 2012 hat Papst Benedikt XVI. Anna Schäffer in Rom heiliggesprochen.)
 


Reliquienschrein mit einem Teil des Wadenbeins von Anna Schäffer



südlich grenzt ein 1994 errichteter Erweiterungsbau an die Kirche an



Am 25. Juli 1975 wurden die Gebeine von Anna Schäffer exhumiert und einen Tag später im rechten Seitenschiff der Kirche beigesetzt. Am 30. Jänner 1999 wurde das Grab in den Mittelgang der Kirche verlegt.




Gebet zur heiligen Anna Schäffer

Ewiger Gott, du hast deine Dienerin Anna Schäffer durch ihre Krankheit in das Geheimnis des Leidens deines Sohnes Jesus Christus eingeführt. Wir haben das Beispiel ihres Lebens vor Augen und bitten dich: Wecke  in uns das Verlangen, dir mit unserem Leben zu dienen. Stärke uns im Glauben und in der Hoffnung, damit wir treu den Weg deiner Gebote gehen. Heilige uns durch Werke der Buße und der Nächstenliebe. Darum bitten wir durch Jesus Christus, deinen Sohn unseren Herrn und Gott, der in der Eionheit mit dem Heiligen Geist lebt und herrscht in Ewigkeit. Amen.




Erweiterungsbau mit dem alten Rokoko-Hochaltar

linker Seitenaltar: die Unbefleckte Empfängnis, rechter Seitenaltar: der hl. Erzengel Michael

Statue des hl. Nikolaus (Kirchenpatron)




Predigt von Joseph Kardinal Ratzinger in der heiligen Messe zur Vorbereitung auf die Seligsprechung von Anna Schäffer aus Mindelstetten, Rom in St. Paul vor den Mauern (6. März 1999).

Liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienst, liebe Christen,

die heilige Messe zur Vorbereitung auf die Seligsprechung von Anna Schäffer aus Mindelstetten begehen wir hier in der Grabeskirche des Völkerapostels Paulus. Äußerlich scheint es gar keinen größeren Gegensatz geben zu können als den zwischen der gewaltigen Gestalt des Apostels Paulus und der armen leidenden Frau aus einem bayerischen Dorf.

Paulus war in die Schule des berühmten Meisters Gamaliel gegangen. Er war in der griechischen und hebräischen Kultur gleichermaßen zu Hause. Er hat die Mittelmeerwelt durchreist, er hat vor Königen, vor Großen und vor Kleinen gesprochen, er hat kühn das Evangelium um die ganze damals bekannte Erde getragen, die Kirche der Völker aufgerichtet und in seinen Briefen spricht er aus einer unermeßlichen Weite und Tiefe heraus, die die Gelehrten auch heute noch ausmessen.

Und daneben ist diese Frau, deren Leben fast ganz Leiden gewesen ist. Gewiß, auch sie hat in die Mission gehen wollen, auch sie drängte es hinaus in die weite Welt, um den Menschen von Christus her zu helfen und zu dienen. Aber deswegen ist sie ja auch als Magd gegangen, sich zu verdingen, um ihre Mitgift zu verdienen, damit sie dann diesen Beruf als Schwester erfüllen konnte. Als sie 18 Jahre alt war, im Jahr 1900, wurde ihr das alles wie nichts aus den Händen gerissen. Während sie ein Rohr des Waschkessels wieder zu befestigen versuchte, fiel sie in kochende Wäschelauge, und von da an war dieses Leben fortwährende Qual. Sie wurde zu den Ärzten, von einem zum anderen geschleppt. Immer wieder wurde das Fleisch bis auf die Knochen ausgebrannt. Wir können uns das Maß der Schmerzen, das sie in diesen 25 Jahren getragen hat, gar nicht vorstellen. Nun war sie an ihr Kämmerchen gefesselt, und nur selten konnte sie einmal herüber in die Kirche getragen werden. Ihre Welt war äußerlich sehr klein geworden.

Aber in diesen 25 Jahren ihres Leidens hat sie eine große Reise nach innen und nach oben gemacht. Am Anfang hatte sie aufbegehrt, warum muß mir jetzt das Leben, wo es beginnen würde, entrissen werden. Warum bleibt mir nur der Schmerz? Aber dann ist sie hineingewandelt in die Nacht des Leidens und hat darin den Tag Jesu Christi gefunden. Nie hat sie gesagt, wie der Unfall zustande gekommen war. Immer tiefer hat sie im Leiden den Willen Gottes angenommen, sich hineinversenkt in das Geheimnis des leidenden Christus, ist mit ihm, der ein Mitleidender für uns war, eine Mitleidende geworden. Und im Herzen Jesu, in der Gemeinschaft mit ihm, dem Leidenden und Liebenden, hat sie ihren Frieden, ja ihre innere Größe und Freude gefunden, so daß am Ende die Menschen nicht mehr kamen, um sie zu trösten, sondern von ihr getröstet zu werden. Wenn man die Notizen dieses einfachen Menschen liest, dann spürt man doch hinter ihren Worten etwas von der Tiefe und Größe des Glaubens und der Liebe des da Gelernten. Ihr letztes kleines Gedicht, das sie 1923 niedergeschrieben hat, sagt: „Herr, deine Magd ist müde. Hol mich heim zur ewigen Ruhe. Hier ist kein Friede. Herz Jesu ruf mich du“.
In solchen Worten spüren wir etwas von der Demut und von der Größe dieser Frau und können erkennen, welche Reise des Herzens sie in diesen Jahren getan hat. Und wenn wir sie von da aus nun anschauen, dann ist die Differenz zu Paulus, die es immer gibt, geben muß, doch nicht mehr so abgründig.

Denn auch Paulus war vor allem ein großer Leidender. Er war nicht einfach der Aktivist, der durch die Welt fuhr, der Mann des Erfolgs und der Tatkraft, der immer handelt und siegreich und erfolgreich ist.
Am Anfang seines Weges steht das Wort von Hananias, der ihm die Taufe spendete: „Ich will diesem Mann zeigen, wie viel er für meinen Namen leiden muß“ (Apg 9,16). Und erst wenn wir von diesem seinem Taufwort, seinem Weisungswort, her das Leben Pauli lesen, verstehen wir es richtig.

Dann sehen wir, daß die Gründung der universalen Kirche an allen Orten nicht das Werk eines großen Organisators, eines unbekümmerten Tatmenschen war, sondern daß jede Gründung eine mit Schmerz erlittene Geburt gewesen ist, daß er immer neu um das Geborenwerden der Kirche leiden und sich selbst geben mußte, daß er immerfort nur in der Gemeinschaft mit dem leidenden Christus seinen Weg gehen konnte, immerfort in Verfolgung und Verkennung, in Gefahr und in Schmerzen und daß gerade so in diesem Erleiden des Wortes Gottes die Gründung seiner Kirche entsteht.

Am Ende seines Weges, im 2. Timotheusbrief, hören wir sozusagen eines der letzten Worte des Paulus, das er an seinen Lieblingsschüler schreibt: „Leide mit mir für das Evangelium“ (2 Tim 1,8).
Nun kann er nichts mehr tun. Er ist im Kerker Neros in Rom, auch von den Freunden verlassen. Man schämt sich seiner. Man hat keine Zeit für ihn. Er ist in der Nacht dieses Kerkers, und alles scheint umsonst zu sein, vergeblich. Man spürt in diesem Brief etwas von den Dunkelheiten des Verlassenen, von dem, was er da erlitten hat, und doch weiß er auch - das erkennt man -, daß erst jetzt seine in der Taufe empfangene Sendung: „Ich will ihm zeigen, was er für meinen Namen leiden muß“- zur Erfüllung kommt, daß er erst jetzt das Eigentliche vollends tut, indem er mit dem leidenden und verlassenen Christus eins ist, mit ihm in seiner Verlassenheit, in seinen Schmerzen.

„Leide mit mir für das Evangelium“. In diesem Wort des Paulus ist das Leben von Anna Schäffer angesiedelt. Sie ist mit Christus eine Leidende geworden, und da steht freilich die Frage auf: Wenn das ihre Botschaft ist, verstehen wir heute eigentlich diese Botschaft noch? Spricht sie wirklich zu uns? Heute ist alles ganz umgekehrt auf Erfolg, auf Lust, auf Macht und Einfluß angelegt. In der Werbung sehen wir nur schöne und erfolgreiche Menschen, und es wird uns gesagt, wie wir selber so werden können. Ich erinnere mich dabei immer wieder an ein Gespräch zwischen Kardinälen und Professoren, bei dem einer der Kardinäle gesagt hatte, daß im Krankenhaus - es ging um Medizin - nicht nur Medizin ausgeteilt werden muß, nicht nur medizinische Kunst geübt werden darf, sondern daß man dem Menschen helfen muß, das Leiden zu erlernen, das Leiden anzunehmen.

Einer der Professoren hat daraufhin gesagt: Nein, das Leiden darf man nicht annehmen, man muß es beseitigen. Und natürlich müssen wir alles tun, um das Leiden zu mildern und zu lindern. Aber wer behauptet, mehr bräuchten wir nicht, der ist töricht. Denn genau so wichtig ist und bleibt es, das Leiden zu lernen und darin sich zu finden. Denn Leid und Menschsein sind untrennbar.

Es gibt keine Liebe ohne die Bereitschaft, sich selber zurückzunehmen, ohne die Notwendigkeit, immer neu die Andersheit des anderen zu ertragen. Es gibt keine Liebe ohne das Leid der Verwandlung. Nur darin können wir überhaupt reifen. Es gibt keine Treue ohne den Schmerz und die Geduld der Verwandlungen, die wir brauchen. Und wenn reich nur werden kann, wer viel verwandelt worden ist, dann kann reich nur werden, wer auch wirklich Leiden angenommen hat und Leiden anzunehmen gelernt hat. Wer nicht mehr leiden kann, kann auch nicht mitleiden. Und wer nicht mehr mitleiden kann, kann nicht mehr mitlieben. Eine Welt, in der man nicht mehr sinken kann im Leid, wird eine kalte und grausame Welt. Aldous Huxley hat es in seinem Buch „Schöne neue Welt“ geschildert, daß in einer solchen Welt alle in der Droge leben müssen und alle in der Lüge sein werden und alle an sich vorbeileben müssen.

Als Pius X. noch Landpfarrer im Veneto war, hatte er handschriftlich einen kleinen Katechismus für die Schule zusammengeschrieben. Er ist erhalten. Und darin steht auch die Frage: Warum ist der Sohn Gottes Mensch geworden? Die merkwürdige, überraschende Antwort: Um uns das Leiden zu lehren. Das Veneto war ungeheuer arm damals. Armut und einseitige Ernährung bedingten vielfache Krankheit und frühen Tod. Das Leiden war allgegenwärtig. Nur wer leiden konnte, konnte leben. Und leiden zu lernen war der erste Schritt der Erlösung, des Selberwerdens, des inneren Freiwerdens. Heute ist es gottlob bei uns anders. In großen Teilen der Welt ist es immer noch so. Aber auch bei uns gilt, wenn wir nicht zu leiden lernen, lernen wir auch nicht zu leben und lernen wir nicht zu lieben.

Und so steht Anna Schäffer für uns, als die, die das Leiden gelernt hat und die uns so zu leben lehrt. Sie hat in die Mission gehen wollen. Sie kannte die Gestalt der hl. Theresia von Lisieux, die damals als neuer Stern am Himmel der Kirche aufging, und hat von ihr viel angenommen. Theresia von Lisieux hatte ja auch den Gedanken gehabt, eigentlich in der ganzen Welt sein zu müssen und überall das Evangelium zu verkünden. Im Umgang mit dem Wort Gottes und mit ihrem Leiden vom Wort Gottes her, hat sie, die im Karmel der französischen Provinz eingeschlossen war, gelernt, daß sie im Leiden mit Christus, in ihrem Beten und Dienen wirklich mit ihm hineinwirkte in den ganzen Leib Jesu Christi; daß sie gerade so, trotz ihrer Abgeschiedenheit, gegenwärtig war an allen Stellen der Not und mit ihm hinausging in die ganze Welt, mehr als es geschehen wäre, wenn sie an dem einen oder anderen Ort Missionarin gewesen wäre.

Und das war auch die Erfahrung Anna Schäffers, die ihr Leiden mit dem Leiden Christi vereinte, und so in den ganzen Leib des Herrn hineinwirkte über die Zeit hinweg bis zu uns und in die künftigen Generationen.
So ist auch an ihr das Wort wahr geworden, und von ihr her verstehen wir es neu, und wird es zu einem Auftrag an uns, was Paulus an die Kolosser geschrieben hat: „Ich ergänze, was von den Leiden Christi noch fehlt an meinem Fleisch.“ (Kol 1,24)

Sie hat ergänzt, was von den Leiden Christi fehlte und gerade so leuchtet sie und hilft uns, Christus zu verstehen und rechte Christen zu werden. Wenn wir sie anschauen, dann begreifen wir auch, daß ein Christentum, das nur noch „Zuckerbrot“ sein wollte, nicht die wahre Botschaft ist, daß wir gerade die Botschaft des Kreuzes brauchen, um der Wahrheit zu begegnen und um die wirkliche Freude zu erleben.

Und von da aus können wir endlich auch den Schluß des heutigen Evangeliums begreifen, das uns so geheimnisvoll, ja unrealistisch klingt, wenn der Herr den Jüngern nach Ostern verheißt: „Ihr werdet den Kranken die Hände auflegen“ - und im griechischen Text heißt es nicht - „und sie werden gesund werden“ - sondern, - „und es wird ihnen gutgehen.“ (Mk 16,18). „Gut gehen“ nicht in dem äußeren, oberflächlichen Sinn, in dem die Droge ´high´ sein läßt, sondern gutgehen in dem tiefen Sinn, daß wir das wahrhaft Gute erlernen, daß wir dem wahrhaft Guten begegnen, daß wir selber gut werden.

Mit dieser Botschaft steht Anna Schäffer vor uns. Sie zeigt uns, wie es geschehen kann, daß wir durch die Hand des Herrn Gutes erfahren, daß es uns wahrhaft gut geht. Daß wir das Gutgehen erlernen. Wir danken dem Herrn für dieses große Zeichen der Seligen, in der sich zugleich ein Stück der Kirche unserer Heimat spiegelt. Denn hinter ihr steht ihre gute Mutter, die sie gepflegt hat. Neben ihr steht der gütige und weise Pfarrer Carl Rieger, einer der gütigen Priester, die den Menschen in der Kirche Mut gemacht haben. Wir danken Gott für dieses Zeichen, und wir bitten die selige Anna, daß sie auch uns hilft, daß es uns wahrhaft gutgehe. Amen.




Geburtshaus von Anna Schäffer

Pfarrkirche zum hl. Nikolaus, Mindelstetten

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