Freitag, 25. Januar 2013

Stephanus und Paulus

Eine dritte Vorbereitung auf die Bekehrung des Paulus ist sicher Stephanus, und da wieder zwei Aspekte. Stephanus war jung, in Wien würde man sagen, er war fesch, er hatte ein strahlendes Gesicht, sein Antlitz „leuchtete, wie das eines Engels“, sagt die Apostelgeschichte (6,15). Er war sehr begabt, blitzgescheit. Er konnte gut argumentieren, genau alles das, was Paulus auch kann. Paulus war auch jung, sagt die Apostelgeschichte ausdrücklich, ein „junger Mann namens Saulus“ (7,58), er war blitzgescheit, leidenschaftlich. Da ist jetzt dieser Stephanus und macht genau das Gegenteil von dem, was Paulus macht. Er macht es nicht mit einem griesgrämigen Gesicht, sondern strahlend und mit einer hinreißenden Kraft der Überzeugung. In der Apostelgeschichte wird über Stephanus gesagt: Er war „voll Gnade und Kraft, tat Wunder und große Zeichen unter dem Volk“ (6,8). Dann entsteht der Streit um ihn, und er wird vor den Hohen Rat geführt. Dann heißt es: „Und alle, die im Hohen Rat saßen, richteten ihren Blick auf ihn und sahen sein Antlitz leuchten wie das eines Engels“ (Apg 6,15).

Steinigung des Stephanus, Relief, Basilika St. Paul vor den Mauern, Rom

Wie muss es dem Paulus gegangen sein, als er diesen Stephanus erlebt. Stephanus hält dann eine große Bekehrungspredigt, eine sehr radikale, sehr zu Herzen gehende, die damit endet, dass er seinen eigenen Volksgenossen sagt: „Ihr Halsstarrigen und Unbeschnittenen an Herzen und Ohren, gleich wie eure Väter widersteht auch ihr dem Heiligen Geist.“ – Man muss sich vorstellen: Das hört Paulus alles. – „Wo war ein Prophet, den eure Väter nicht verfolgt haben? Sie haben jene getötet, die die Ankunft des Gerechten weissagten, dessen Verräter und Mörder ihr jetzt geworden seid, ihr, die ihr das Gesetz durch die Vermittlung von Engeln empfangen, aber nicht gehalten habt.“ Dann heißt es: „Als sie das vernahmen, packte sie die Wut und sie knirschten mit den Zähnen“ gegen Stephanus (Apg 7,51-54). Es kommt zum Martyrium des Stephanus. Man schleift ihn hinaus vor die Stadt und steinigt ihn. „Die Zeugen legten ihre Kleider zu Füßen eines jungen Mannes nieder, der Saulus hieß. So steinigten sie Stephanus; er aber betete und rief: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf! Dann sank er in die Knie und schrie laut: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!“ (Apg 7,58-60).

Der unmittelbare Anlass für die Steinigung war, dass Stephanus gesagt hat: „Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen“ (Apg 7,56). Wie muss es dem Paulus gegangen sein, dieser junge, begeisterte, überzeugende Jude, der sagt: Dieser Jesus von Nazaret, den du, Paulus, verfolgst, ich sehe ihn zur Rechten Gottes stehen. Natürlich, der Blasphemie-Vorwurf ganz massiv: Du hast Gott gelästert, du musst sterben! Aber eines sitzt tief im Herzen des Saulus: diese strahlende, überzeugende Kraft des Stephanus. Irgendwo muss in seinem Herzen da schon der Stachel gesessen haben: Dieser Stephanus sieht eine Wirklichkeit, die ich nicht sehe. Später wird Paulus selber sagen, dass seine Worte nicht menschliche Klugheit und schlaue Reden sind, sondern „Erweis von Geist und Kraft“ (1 Kor 2,4), genau das, was er bei Stephanus erlebt hat. Dann diese Fürbitte des Stephanus: „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!“ (Apg 7,60). Ich glaube, diese beiden Elemente, das Zeugnis des Stephanus und seine Fürbitte, sind ganz entscheidend zur Vorbereitung für die Bekehrung. Es gibt keine größere Vorbereitung der Mission als die Hingabe des eigenen Lebens. Das heißt jetzt nicht, dass wir alle Märtyrer werden müssen. Aber das Geheimnis der Bekehrung des Paulus ist sicher entscheidend bestimmt durch die Lebenshingabe des Stephanus, die Sühnehingabe, dass Stephanus sein Leben als Sühne für seine Feinde hingegeben hat: „Herr Jesus, rechne ihnen diese Sünde nicht an!“ Ich gebe mein Leben für die, die jetzt etwas so Böses tun. Paulus wird das zutiefst begreifen. Das wird die entscheidende Verkündigung bei Paulus, die Kraft des Kreuzes. Das wird die Mitte seiner Predigt, wenn er etwa im 2. Korintherbrief sagt: „Die Liebe Christi drängt uns …“ – ich habe es am Anfang zitiert – „Einer ist für alle gestorben, also sind alle gestorben. Er ist aber für alle gestorben, damit die Lebenden nicht mehr für sich leben, sondern für den, der für sie starb und auferweckt wurde“ (2 Kor 5,14-15). – Einer ist für alle gestorben. An Stephanus hat er es gesehen, nachher hat er es begriffen. Stephanus hat sein Leben gegeben wie Jesus. Das ist der Kern der Mission. An Stephanus hat Paulus gesehen und später auch begriffen, was das Geheimnis Jesu ist. Darum konnte er später immer sagen, fast könnte man sagen im Blick auf Stephanus: „Ahmt mich nach!“, so wie er an diesem jungen Mann gesehen hat, was Jesus will, was es heißt, sein Jünger zu sein. Stephanus ist Vorbild der Nachfolge Christi für Paulus. Hier hat Paulus den Schlüssel bekommen für das, was Mission ist, natürlich viel Aktivität, viel Verkündigung, viel Bemühen, Begegnungen, aber im Innersten diese Teilhabe am Kreuz Jesu, Hingabe mit Jesus.

(aus der Katechese vom 2.2.2003 von Christoph Kardinal Schönborn über Paulus als Missionar)


Bekehrung des Paulus, Relief, Basilika St. Paul vor den Mauern, Rom

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