Mittwoch, 13. Mai 2015

13. Mai 1917 - 1. Erscheinung der Muttergottes in Fatima


Marienstatue in der Erscheinungskapelle, Fatima

Etwa drei Kilometer außerhalb von Fatima befindet sich ein Landstück, die Cova da Iria, das Lucias Eltern gehörte. Sein Name bedeutet "Mulde der Irene", benannt nach der portugiesischen heiligen Irene oder Iria. Es war ein natürliches Amphitheater von vielleicht 500 Metern im Durchmesser, eine Mulde, von Hängen umgeben. Hierher trieb Lucia ihre Herde, zusammen mit der Herde von Jacinta und Franciska, an jenem 13. Mai 1917, dem Sonntag vor Christi Himmelfahrt, nachdem die Kinder, wie jeden Sonntag, die heilige Messe in der Dorfkirche besucht haben. Sie hatten keine Eile, schlenderten über die steinigen Felspfade, ließen die Schafe schon am Wegrand grasen, und so stand die Sonne bereits hoch am Himmel, als sie ihr Ziel erreichten. Als die Mittagsglocken im Dorf läuteten, packten sie, ohne Zeit zu verlieren, ihre Vesperpakete aus, die am Sonntag immer einen ganz besonderen Leckerbissen enthielten, machten das Kreuzzeichen, beteten das "Vaterunser" und begannen zu essen. Als sie damit fertig waren, trieben sie die Schafe den Hang höher hinauf zu einem frischen Futterplatz, um "Häuserbauen" zu spielen. Francisco war der Architekt und Maurer, die Mädchen seine Gehilfinnen.

Ein grell aufleuchtendes Licht, einem Blitz ähnlich, unterbrach ganz plötzlich ihr Spiel. Zog ein Gewitter auf, mussten sie sich unverzüglich auf den Heimweg machen. Doch am stahlblauen Himmel war kein Wölkchen zu sehen. Kein Lüftchen bewegte sich, strahlendes Sonnenlicht flimmerte in der klaren, sauberen Luft. Lucia traute dem Frieden nicht. "Gehen wir lieber nach Hause. Es hat geblitzt, es könnte ein Gewitter geben." Wie immer waren die anderen bereit, ihr zu folgen. Doch kaum wollten sie aufbrechen, blitzte ein zweiter Lichtstrahl auf. Instinktiv machten die Kinder ein paar Schritte nach vorn, dann blickten sie alle wie automatisch nach rechts. Was sie dann sahen, verschlug ihnen den Atem.

"Über einer Steineiche schwebte eine Dame, ganz in Weiß gekleidet, strahlender als die Sonne", erklärte Lucia später, "Sie verbreitete ein noch helleres Licht als die hellsten Sonnenstrahlen, die durch ein mit Wasser gefülltes Kristallglas scheinen. Überrascht durch diese Erscheinung, blieben wir stehen. Wir standen so nahe, dass wir innerhalb des Lichtes blieben, welches sie umgab oder das sie ausstrahlte.  Der Abstand betrug etwa anderthalb Meter." Die wundersame Frau schien 15 bis 18 Jahre alt zu sein. Sie war nur 1,20 Meter groß und hatte schwarze Augen. Ihr Kleid war weiß wie Schnee, am Hals mit einer goldenen Schnur geschlossen und bis zu den Füßen reichend, die die Blätter der Steineche kaum berührten. Ein weißer, goldumsäumter Mantel umhüllte den Kopf und die ganze Gestalt. Von den Händen, die sie vor der Brust gefaltet hielt, hing ein Rosenkranz aus weiß leuchtenden Perlen mit einem kleinen, silbernen Kreuz herab. Um den Hals trug sie eine Kette, an der, in Höhe ihrer Taile, eine strahlende Kugel hing. Ein heller LIchtschein umstrahlte ihr Antlitz, doch ihre reinen, unendlich zarten Züge schienen von Traurigkeit überschattet.

"Hab keine Angst, ich tue euch nichts zuleide", sprach sie mit einer sanften Stimme, die Lucia tief in ihrem Innersten vernahm.
"Woher kommst du?", fragte das Hirtenmädchen.
"Ich komme vom Himmel."
"Und was willst du hier in der Welt?"
"Ich bin gekommen, euch zu bitten, daß ihr in den folgenden sechs Monaten, jeweils am Dreizehnten, zur selben Stunde hierher kommt. Dann werde ich euch sagen, wer ich bin und was ich will. Ich werde danach noch ein siebtes Mal hierher zurückkehren."
"Komme ich auch in den Himmel?"
"Jawohl!"
"Und Jacinta?"
"Auch!"
"Und Francisco?"
"Auch, aber er muss noch viele Rosenkränze beten."
Lucia fragte in kindlicher Einfalt noch nach dem Schicksal zweier verstorbener Mädchen aus dem Dorf: "Ist Maria das Neves schon im Himmel?"
"Jawohl."
"Und Amelia?"
"Sie bleibt bis zum Ende der Welt im Fegefeuer."
Lucias Augen füllten sich mit Tränen, die langsam ihre Wangen herunterrollten.
"Kannst du mir sagen, ob der Krieg noch lange dauern oder bald zu Ende sein wird?"
"Das kann ich dir noch nicht sagen, ebenso wenig wie ich dir jetzt schon sagen kann, was ich wünsche."
Lucia schluckte betroffen.

"Wollt ihr euch Gott anbieten, um alle Leiden zu ertragen, die Er euch schicken wird, zur Sühne für alle Sünden, durch die Er beleidigt wird und als Bitte um die Bekehrung der Sünder?", fragte die strahlend leuchtende Frau.
"Ja, wir wollen das!", antwortete Lucia stellvertretend für die beiden anderen Kinder.
"Ihr werdet also viel leiden müssen, aber die Gnade Gottes wird eure Stärke sein."

Mit diesen Worten öffnete sie zum ersten Mal die Hände. Ein starkes Licht, noch heller als das, das sie umgab, ging von ihnen aus, drang in die Brust und ins tiefste Innere der Kinder ein - "und wir erkannten uns selber in Gott, der dieses Licht war, viel klarer, als wir uns im besten Spiegel sehen konnten", schrieb Lucia später. Instinktiv fielen die drei Kinder auf die Knie, begannen inbrünstig zu beten: "O heiligste Dreifaltigkeit, ich bete dich an. Mein Gott, mein Gott, ich liebe dich im heiligsten Sakrament."

Lucia und Jacinta streuen bei d. Fronleichnamsprozession Blumen
Rosenkranzbasilika, Fatima


"Betet täglich den Rosenkranz, um den Frieden der Welt und das Ende des Krieges zu erlangen", forderte die Lichtgestalt sie noch auf, um sich anschließend langsam zu erheben und in östlicher Richtung aufzusteigen, bis sie in der Unendlichkeit der Ferne entschwand. "Das Licht, das sie umgab, schien einen Weg durch die Himmelswölbung zu öffnen", meinte Lucia.
(aus: M. Hesemann, Das Fatima-Geheimnis, 34ff)

Turmkreuz mit Krone, Rosenkranzbasilika, Fatima

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