Samstag, 15. Oktober 2016

Wie der Herr begonnen hat, meine Seele wachzurufen (Teresa von Avila)




Im Alter von 20 Jahren trat sie in den Karmel der Menschwerdung ein, der sich in Ávila befand. Drei Jahre danach wurde sie schwer krank, so sehr, dass sie für vier Tage ins Koma fiel und scheintot war (vgl. Leben, 5). Auch im Kampf gegen ihre eigenen Krankheiten sah die Heilige den Kampf gegen die Abschwächung und den Widerstand gegen den Ruf Gottes: „Ich wünschte mir zu leben", so schrieb sie, „weil ich verstand, dass ich nicht lebte, sondern gegen den Schatten des Todes kämpfte und keinen hatte, der mir Leben gab und ich konnte es mir selber nicht geben. Derjenige, der es mir geben konnte, tat Recht daran, mir nicht zu helfen, denn so oft hatte er mir sein Antlitz gezeigt und ich habe ihn verlassen" (Leben 8, 2). 1543 verlor sie die Nähe ihrer Familienmitglieder: der Vater starb und alle ihre Geschwister wanderten einer nach dem anderen nach Amerika aus. In der Fastenzeit von 1554, mit 39 Jahren, erreichte Teresa den Höhepunkt ihres Kampfes gegen ihre eigene Schwäche. Der zufällige Fund einer Statue „eines mit Wunden übersäten Jesus" prägte ihr Leben sehr tief (vgl. Leben 9). Die Heilige fand in dieser Zeit tiefen Trost in den ‚Bekenntnissen‘ des hl. Augustinus, so sehr, dass sie am wichtigsten Tag ihrer mystischen Erfahrung schrieb: „Es geschah..., dass mir plötzlich die Präsenz Gottes deutlich wurde, so sehr, dass ich sie auf keinem Wege leugnen konnte, ich wurde ganz in ihn aufgenommen" (Leben 10, 1).
(Papst Benedikt XVI. in der Generalaudienz am 2.2.2011 über Teresa von Avila)


Teresa erblickt den Schmerzensmann, Convento de Santa Teresa

Meine Seele lebte schon ganz müde dahin, aber die schlechten Gewohnheiten, die sie an sich hatte, ließen sie nicht in Ruhe, obwohl sie das wollte.
Da geschah es mir, daß ich eines Tages beim Eintritt in den Gebetsraum ein Bild sah, das man zur Verehrung dorthin gebracht und für das Fest, das im Haus gefeiert wurde aufgestellt hatte. Es war das Bild eines ganz mit Wunden bedeckten Christus und so andachtserweckend, daß es mich beim Anblick zuinnerst erschütterte, ihn so zu sehen, denn es stellt gut dar, was er für uns durchlitten hatte. Das, was ich empfand, weil ich mich für diese Wunden kaum dankbar gezeigt hatte, war so gewaltig, daß es mir war, als würde es mir das Herz zerreißen. Aufgelöst in Tränen warf ich mich vor ihm nieder und flehte ihn an, mir ein für allemal Kraft zu geben, ihn nicht mehr zu beleidigen. (1)
(.....)
Aber dieses letzte Mal, ich meine mit diesem Bild, scheint mir doch mehr genutzt zu haben, denn ich hatte zu mir kaum noch Vertrauen, sondern setzte mein ganzes Vertrauen auf Gott. Ich glaube, ich habe ihm damals gesagt, daß ich von dort nicht mehr aufstehen würde, bis er tat, worum ich ihn anflehte. Ich glaube sicher, daß mir das das geholfen hat, denn seitdem ging es viel besser mit mir. (3)

(Teresa von Avila, das Buch meines Lebens, 9,1 und 3; Hrsg. Dobhan, Peeters)


In der Fußnote merken die Übersetzer an:
Die hier geschilderte Episode, die die endgültige Bekehrung (sog. "Zweite Bekehrung") Teresas markierte, dürfte während der Fastenzeit 1554 stattgefunden haben; sie war damals 39 Jahre alt. Man geht heute zumeist davon aus, daß es sich beim "ganz mit Wunden bedeckten Christus" nicht, wie eine aus San Jose stammende Tradition behauptet, um ein Gemälde, sondern um eine Holzskulptur handelte, die sich vermutlich in ihrem persönlichen Gebetsraum innerhalb ihrer Zelle befand und nicht, wie ebenfalls behauptet worden ist, den gegeißelten Heiland, sondern den Schmerzensmann darstellte.
Im Menschwerdungskloster wird bis heute eine farblich gefaßte, etwa 10 bis 20 cm hohe Holzskulptur des Schmerzensmannes (Ecce Homo) aufbewahrt, die nach der Übewrlieferung mit der von der Autorin beschriebenen Statue identisch sei.

Schmerzensmann, Convento de Santa Teresa

Dein bin ich, Dir geboren -
Was wünscht Du, Herr, von mir?

Gib, wenn Du willst, Gebetes Kraft,
wenn nicht, gib Trockenheit;
gib Frömmigkeit, die Andacht schafft,
wenn nicht Vergeblichkeit.
O Majestät, in Dir allein
kann mir auf Erden Frieden sein:

Dein bin ich, Dir geboren -
Was wünscht Du, Herr, von mir?

Nichtwissen oder Weisheit schenk
um Deiner Liebe willen.
Im Überfluß ich Dein gedenk,
im Hunger, nicht zu stillen.
Schick Finsternis, schick helles Licht,
wenn nur Dein Wille in mir spricht!

Dein bin ich, Dir geboren -
Was wünscht Du, Herr, von mir?

(Teresa von Avila, Ich bin ein Weib - und obendrein kein gutes, 114, Hrsg Sartory)

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