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Mercedes Benz 300SEL, Stoccarda, 1967; Nummernschild SCV 12, verwendet vom Staatssekretariat in der Amtszeit von Papst Paul VI., Castel Gandolfo |
Papst
Namensdeutung:
der Geringe (lat.)
Namenstage:
Paulus, Paul, Pablo, Paolo, Pál, Pavel, Pol, Poul, Pavo, weibl.: Paula, Paulina, Pauline
Gedenktag:
29. Mai
Lebensdaten: geboren am 26. September 1897 in Concesio bei Brescia, gestorben am 6. August 1978 in Castel Gandolfo
Lebensgeschichte:
Giovanni Battista Enrico Antonio Maria Montini, genannt Giambattista,
war der zweite von drei Söhnen eines Anwalts, katholischen
Zeitungsverlegers und Abgeordneten sowie einer landadeligen Mutter. Er
ging in Brescia unter anderem bei den Jesuiten der Stadt zur Schule,
seiner schwachen Gesundheit wegen allerdings immer als Externer, und
trat 1916 ins Priesterseminar ein. 1920 zum Priester geweiht, zog er zum
Weiterstudium des Kirchen- und bürgerlichen Rechts nach Rom und
vollendete seine Ausbildung an der Päpstlichen Diplomatenakademie. Ab
1923 zur Mitarbeit im Vatikanischen Staatssekretariat herangezogen,
stieg er zu einem engen Mitarbeiter des Kardinalstaatssekretärs Eugenio
Pacelli und späteren Papstes Pius XII. auf. Als dieser ihn 1954 zum
Erzbischof von Mailand ernannte, munkelten einige, Montini wäre damit
aus der Kurie entfernt worden, dabei war ganz das Gegenteil der Fall:
Mailand war eines der wichtigsten Bistümer, Industriehauptstadt und
einer der kulturellen Mittelpunkte Italiens: genau der Schnittpunkt für
den Einfluss, den der Papst der Kirche in der Gesellschaft der
Nachkriegszeit sichern wollte. Montini bewährte sich durch öffentliche
Präsenz im gesellschaftlichen und kulturellen Leben, zahllose Vorträge,
Förderung des Laienapostolats und Annäherung an die Arbeiterschaft.
Papst
Johannes XXIII.,
mit dem er befreundet war, verlieh ihm 1958 das mit dem Erzbistum
Mailand traditionell verbundene Kardinalsbirett und entsandte ihn
verschiedentlich als seinen Vertreter ins Ausland. Montini, der als eine
der progressivsten Kirchenspitzen galt, gehörte der entscheidenden
Vorbereitungskommission des Zweiten Vatikanischen Konzils an und setzte
es, nachdem er am 21. Juni 1963 selbst zum Papst gewählt worden war,
als Papst Paul VI. entschlossen fort. Er war immens gebildet und von
tiefer Spiritualität, wirkte aber seiner natürlichen Reserviertheit
wegen etwas farblos, obwohl er als erster Papst die Welt bereiste und
durch aufsehenerregende Besuche Brücken zur Orthodoxie und zum Judentum
baute sowie recht spektakuläre Zeichen wie den Verzicht auf die Tiara
und die Abschaffung des Index der verbotenen Bücher setzte. Während er
sich für eine Zusammenarbeit von Kirche und Welt am Gemeinwohl
einsetzte, wurde er in diesen Umbruchszeiten verschiedentlich
angegriffen. Mit seinem Namen sind die umfassende Reform der Liturgie
und des kirchlichen Lebens verbunden sowie die Enzyklika
Humanae vitae über die Weitergabe des menschlichen Lebens,
die ihm 1968 traurige Berühmtheit einbrachte – bei denen, die sie nicht
gelesen haben. Weil er in seinem päpstlichen Amt die traditionelle
Lehre und die kirchliche Disziplin betonte, dabei aber nach den
Weisungen des Konzils die Öffnung der Kirche zur Welt betrieb und damit
ihren säkularisierten Zustand akzeptierte, war er für viele seiner
Zeitgenossen schwer zu fassen. Papst Paul VI. gab sich keinen Illusionen
hin. Er soll gesagt haben, die Kirche habe den Frühling gesät, gekommen
sei aber der Sturm.
Verehrung: Paul VI.
wurde nach seinem Tod in der päpstlichen Sommerresidenz Castel Gandolfo
in den Vatikanischen Grotten unterhalb des Petersdoms in einem Erdgrab
bestattet. Das 1993 eröffnete Seligsprechungsverfahren kam 2014 unter
Papst Franziskus zum Abschluss. Nach der Anerkennung eines weiteren
Wunders auf seine Fürsprache sprach Franziskus ihn am 14. Oktober 2018
heilig. Sein Gedenktag, der 29. Mai, ist der Tag seiner Priesterweihe –
heute vor 100 Jahren.
(Bistum Augsburg)
Papst Paul VI. (Portrait in Castel Gandolfo, Heiligsprechung durch Papst Franziskus)
Am Grab des hl. Papstes Paul VI. (er erklärt Maria zur Mutter der Kirche)
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Castel Gandolfo |
GEDANKEN ÜBER DEN TOD
* L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, 14. September 1979, Nr. 37.
Tempus resolutionis meae instat.
„Die Zeit meines Aufbruchs ist nahe" (2
Tim 4, 6).
Certus quod velox est depositio tabernaculi mei .
„Ich weiß, dass mein Zelt bald abgebrochen wird
‟ (2 Petr 1, 14).
Finis venit, venit finis .
„Das Ende kommt, das Ende naht
‟ (
Ez 7, 2).
Diese Meditation über die Hinfälligkeit des irdischen Lebens und das
unvermeidliche und immer greifbarere Herannahen seines Endes drängt sich
auf. Es wäre unklug, sich blind zu stellen vor diesem unausweichlichen
Los, vor dem schrecklichen Zusammenbruch, der dazu gehört, vor der
geheimnisvollen Verwandlung, die sich in meinem Ich vollziehen wird, vor
dem, was sich vorbereitet.
Ich sehe, dass diese Überlegung sich sehr persönlich stellt: Ich, wer
bin ich? Was bleibt von mir? Wohin gehe ich? Und deshalb stellt sie
sich auch unter ausdrücklich moralischem Aspekt: Was muss ich tun? Was
ist meine Verantwortung? Und ich sehe auch, dass es vergeblich ist, sich
für das gegenwärtige Leben Hoffnungen zu machen. Ihm gegenüber gibt es
Pflichten und funktionelle, augenblicksbedingte Erwartungen. Die
Hoffnungen sind für das Jenseits da.
Und ich sehe, dass diese wichtigste aller Überlegungen sich nicht in
einem subjektiven Monolog vollziehen kann, nicht im gewohnten Ablauf der
menschlichen Ereignisse, der mit dem wachsenden Licht auch das Dunkel
des menschlichen Schicksals wachsen lässt; nein, im Dialog mit der
göttlichen Wirklichkeit, von der ich herkomme und zu der ich gewisslich
hingehe, dem Licht folgend, das uns Christus für den großen Hinübergang
in die Hand gibt. Ich glaube, Herr.
Die Stunde kommt. Seit einiger Zeit habe ich ein Vorgefühl davon.
Mehr als die physische Müdigkeit, die Bereitschaft, jeden Augenblick
wegzutreten, scheint mir die Dramatik meiner Verantwortung nahezulegen,
dass mein Auszug aus dieser Welt die beste Lösung ist, damit die
Vorsehung sichtbar werden und die Kirche zu einer besseren Zukunft
hinführen kann. Ja, die Vorsehung hat so viele Weisen, in das gewaltige
Spiel der Umstände einzugreifen, die meine Wenigkeit fesseln. Aber die
meiner Abberufung in das andere Leben scheint die natürlichste, weil sie
zwingender als andere ist und nicht an die gegenwärtigen
Schwierigkeiten gebunden.
Servus inutilis sum.
„Ich bin ein unnützer Knecht.
‟
Ambulate dum lucem habetis. „Geht euren Weg, solange ihr das Licht habt
‟ (
Joh 12, 35).
Ja, mir wäre es recht, im Licht zu sterben. Gewöhnlich hat das Ende
des irdischen Lebens, wenn es nicht von Krankheit verdunkelt ist, eine
bestimmte Klarheit: die der schönen, angenehmen, nostalgischen und
klaren Erinnerungen, die uns jetzt sagen, dass sie unwiderruflich
vorüber sind und dass ihre verzweifelten Versprechungen Illusion sind.
Hier fällt Licht auf die Enttäuschungen eines Lebens, das auf
vergängliche Güter und trügerische Hoffnungen gegründet war. Hier fällt
Licht auf die dunklen und jetzt wirkungslosen Selbstpeinigungen. Hier
leuchtet das Licht der Weisheit, die endlich die Eitelkeit der Dinge
einsieht und den Wert der Tugenden, die das Leben auszeichnen sollten:
Vanitas vanitatum. „Eitelkeit der Eitelkeiten.
‟
Was mich betrifft, möchte ich endlich eine zusammenfassende und weise
Kenntnis der Welt und des Lebens haben. Ich meine, dass eine solche
Erkenntnis sich in Dank ausdrücken müsste: Alles war Geschenk, alles war
Gnade. Und wie schön die ganze Vergangenheit war, zu schön, so dass sie
uns anzog und bezauberte, während sie Zeichen und Aufforderung sein
wollte. Auf jeden Fall scheint mir, der Abschied müsse sich in einem
großen und schlichten Akt des Dankes ausdrücken, der Danksagung: Dieses
sterbliche Leben ist trotz seiner Mühen, seiner dunklen Geheimnisse,
seiner Leiden, seiner fatalen Hinfälligkeit eine sehr schöne Tatsache,
ein immer originelles und bewegendes Wunder, ein Ereignis, wert in
Freude und Jubel besungen zu werden. Leben, Leben des Menschen! Nicht
weniger wert der Bewunderung und des seligen Staunens ist der Rahmen,
der das Leben des Menschen umgibt: Diese unermessliche, geheimnisvolle,
herrliche Welt, dieses Universum von tausend Kräften, tausend Gesetzen,
tausend Schönheiten, tausend Tiefen. Ein bezauberndes Panorama. Es
scheint Verschwendung ohne Maß.
Bei diesem Rückblick steigt das Bedauern auf, dieses Bild nicht genug
bewundert zu haben; die Wunder der Natur, den überraschenden Reichtum
der großen und kleinen Welt nicht im verdienten Maß bemerkt zu haben.
Warum habe ich den Raum, in dem sich das Leben vollzieht, nicht genug
studiert, durchforscht, bewundert? Welche unverzeihliche Zerstreuung,
welche tadelnswerte Oberflächlichkeit! Trotzdem muss man, zumindest am
Ende, erkennen, welches Wunder diese Welt,
qui per Ipsum factus est, „die durch Ihn geschaffen ist
‟,
darstellt. Dich grüße und Dich und feiere ich, wenn auch im letzten
Augenblick, mit unendlicher Bewunderung und, wie ich schon sagte, mit
Dank: Alles ist Geschenk. Hinter dem Leben, hinter der Natur, dem
Weltall steht die Weisheit und, das sage ich bei diesem leuchtenden
Abschied (Du hast es uns offenbart, Herr Christus), steht die Liebe! Die
Bühne der Welt ist ein heute großenteils unbegreiflicher Plan eines
Schöpfergottes, der sich „Unser Vater im Himmel
‟
nennt.. Dank Dir, Gott, Dank und Herrlichkeit Dir, Vater! In diesem
letzten Augenblick bemerke ich, dass diese faszinierende und
geheimnisvolle Szenerie eine Widerspiegelung, ein Reflex des ersten und
einzigen Lichts ist. Sie ist die natürliche Offenbarung eines
außergewöhnlichen Reichtums und einer Schönheit, die Einfüllung,
Vorspiel, Vorwegnahme, Einladung sein sollte zur Schau jener
unsichtbaren Sonne,
quem nemo vidit unquam, die „niemand je gesehen hat
‟ (vgl.
Joh 1, 18):
unigenitus Filius, qui est in sinu Patris, Ipse enarravit, „der eingeborene Sohn im Schoß des Vaters, er selbst hat uns das offenbart
‟. Amen, Amen.
Aber jetzt, im Glanz der untergehenden Sonne, drängt sich mir über
dieses letzte Abendlicht, Verheißung der ewigen Morgenröte, hinaus, ein
anderer Gedanke in den Sinn: die Sehnsucht, die elfte Stunde zu nutzen,
der eilige Wunsch, etwas Wichtiges zu tun, ehe es zu spät ist. Wie all
die missratenen Dinge in Ordnung bringen, die verlorene Zeit
wiedergewinnen, in der letzten Möglichkeit der Entscheidung, das
unum necessarium, „das einzig Notwendige
‟, wählen?
Auf den Dank folgt die Reue. Auf das Gloria vor Gott, dem Schöpfer
und Vater, folgt der Schrei nach Barmherzigkeit und Vergebung. Könnte
ich wenigstens das eine tun: Deine Güte anrufen und mit meiner Schuld
Deine grenzenlosen Heilsmöglichkeiten bekennen.
Kyrie eleison; Christe eleison; Kyrie eleison. „Herr, erbarme Dich; Christus, erbarme Dich; Herr, erbarme Dich.
‟
Hier steigt aus meiner Erinnerung die arme Geschichte meines Lebens
auf; dieses Geflecht einzigartiger und ungezählter Wohltaten, die ihren
Ursprung unsagbarer Güte verdanken (die eines Tages sehen und „in
Ewigkeit singen
‟ zu dürfen ich hoffe). Und da
stehen auf der anderen Seite, von einer Kette nichtswürdiger Handlungen
durchzogen, an die ich lieber nicht erinnern möchte, so viele Mängel,
Unvollkommenheiten, Irrtümer, Dummheiten, Lächerlichkeiten.
Tu scis insipientiam meam. „Gott, du kennst meine Torheit
‟ (
Ps
68, 6). Armes, mühseliges, beengtes, dürftiges Leben, das sehr viel,
sehr viel Geduld, Heilung, unendliche Barmherzigkeit braucht. Die
höchste Synthese scheint mir noch immer die des hl. Augustinus:
miseria et misericordia. „Meine Erbärmlichkeit, Gottes Barmherzigkeit.
‟
Könnte ich Dich doch wenigstens jetzt als den ehren, der Du bist,
nämlich der Gott unendlicher Güte, indem ich Deine liebevolle
Barmherzigkeit anrufe, annehme, feiere.
Und dann endlich ein Akt guten Willens: Nicht mehr zurückblicken,
sondern gern, einfach, demütig, tapfer meine Schuldigkeit tun, wie sie
sich aus den Umständen ergibt, in denen ich mich befinde, so wie es Dein
Wille ist.
Schnell handeln. Alles tun. Gut handeln. Freudig handeln. Das tun,
was Du von mir willst, auch wenn es meine Kräfte unendlich übersteigt
und mich das Leben kostet. Jetzt und endlich, in dieser letzten Stunde.
Ich beuge das Haupt und erhebe den Geist. Ich demütige mich selbst und erhebe Dich, Gott, „dessen Wesen die Güte ist
‟ (hl.
Leo). Lass mich in dieser letzten Nachtwache Dir huldigen, lebendiger
und wahrer Gott, der Du morgen mein Richter sein wirst. Lass Dir das Lob
geben, das Du am meisten begehrst, den Namen, den Du vorziehst: Du bist
Vater.
Dann meine ich, dass jetzt vor dem Tod, dem Lehrer der Philosophie
des Lebens, das größte Ereignis von allen für mich, wie für alle, die
das gleiche Glück haben, die Begegnung mit Christus, dem Leben, sei. All
das wäre zu durchdenken mit jener Klarheit, mit der die Lampe des Todes
eine solche Begegnung erhellt.
Nihil enim nobis nasci profuit, nisi redimi profuisset. „Nichts hätte es uns geholfen, geboren zu werden, hätte es uns nicht zur Erlösung verholfen.
‟
Das ist die Entdeckung der österlichen Verkündigung, das ist das
Kriterium zur Beurteilung aller Dinge, die das menschliche Dasein
betreffen und seine wahre und einzige Bestimmung, die sich nicht anders
umgrenzen lässt als in Richtung auf Christus:
o mira circa nós tuae pietatis dignatio! „Oh wunderbare Herablassung Deiner Liebe zu uns!
‟
Wunder aller Wunder, das Geheimnis unseres Lebens in Christus. Hier
besingen der Glaube, die Hoffnung, die Liebe die Geburt des Menschen und
feiern seinen Tod. Ich glaube, ich hoffe, ich liebe in Deinem Namen,
Herr.
Und dann frage ich mich noch: Warum hast Du mich gerufen, warum hast
Du mich erwählt, so ungeeignet, so widerspenstig, so arm an Geist und
Herz? Ich weiß:
quae stulta sunt mundi elegit Deus... ut non glorietur omnis caro in conspectu eiu. „Gott hat das Törichte in der Welt erwählt ..., damit kein Mensch sich rühmt vor Gott
‟ (1
Kor 1,
27-29). Meine Erwählung zeigt zwei Dinge: meine Geringfügigkeit; Deine
barmherzige und mächtige Freiheit, die nicht einmal vor meinem
Unglauben, meiner Erbärmlichkeit, meiner Fähigkeit, Dich zu verraten,
Halt gemacht hat:
Deus meus, Deus meus, audebo dicere... in quodam
aestasis tripudio de Te praesumendo dicam: nisi quia Deus es, iniustus
esser, quia peccavimus graviter... et Tu placatus es. Nos Te provocamus
ad iram, Tu autem conducis nos ad misericordiam! „Mein Gott, mein
Gott, ich wage zu sagen... in ekstatischem Jubel nehme ich mir heraus zu
sagen: Wenn Du nicht Gott wärst, wärst Du ungerecht, denn wir haben
schwer gesündigt und Du hast Dich versöhnen lassen. Wir haben Dich zum
Zorn gereizt, und Du hast uns statt dessen zur Barmherzigkeit
hingeführt!
‟ (
PL 40, 1150).
Siehe, ich stehe Dir zu Diensten, siehe, zu Diensten Deiner Liebe.
Siehe, ich bin in einem Zustand der Erhebung, der mir nicht mehr
erlaubt, in die Haltung des armen Menschen zurückzufallen, wenn nicht,
um mir die Wirklichkeit meines Seins in Erinnerung zu bringen und in
grenzenlosestem Vertrauen die Antwort zu geben, die ich schuldig bin:
amen; fiat; Tu scis quia amo Te. „Amen,
Amen. Du weißt, dass ich Dich liebe." Ein Zustand der Spannung tritt
ein und fixiert in einem dauernden Akt absoluter Treue meinen Willen zum
Dienst durch Liebe:
in finem dilexit , „er liebte bis zum Ende
‟.
Ne permittas me separari a Te. „Erlaube nicht, dass ich mich von Dir trenne.
‟
Das Ende des gegenwärtigen Lebens, das man ruhig und heiter erträumen
konnte, muss dagegen wachsende Bemühung um Wachsamkeit, Hingabe,
Aufmerksamkeit sein. Das ist schwierig, aber es ist so, dass der Tod das
Ziel der irdischen Pilgerschaft besiegelt und die Brücke zu der großen
Begegnung mit Christus im ewigen Leben bildet. Ich sammle meine letzten
Kräfte und weiche nicht vor der vollendeten Ganzhingabe zurück:
consummatum est, „alles ist vollendet
‟.
Ich erinnere mich der Worte, die der Herr dem Petrus über seinen Tod vorausgesagt hatte:
amen, amen dico tibi... cum... senueris, extendes manus tuas, et alius et cinget, et ducet quo tu non vis.
Hoc autem dixit significans qua morte clarificaturus esset Deum. Et, cum hoc dixisset, dicit et: sequere me. „Amen,
Amen, ich sage dir wenn du alt geworden, bist, wirst, du deine Hände
ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und führen, wohin du nicht
willst. Dies sagte Jesus, um anzudeuten, durch welchen Tod er Gott
verherrlichen sollte. Nach diesen Worten sagte er zu ihm: Folge mir!
‟ (
Joh 21, 18-19).
Ich folge Dir, und ich stelle fest, dass ich mich nicht verstohlen
aus dieser Welt schleichen kann. Tausend Fäden verbinden mich mit der
Menschheitsfamilie, tausend mit der Gemeinschaft der Kirche. Diese Fäden
zerreißen von selbst, aber ich darf nicht vergessen, dass sie von mir
letzte Pflichterfüllung verlangen.
Discessus pius, „ein frommer Tod
‟.
Vor meinem Geist steht die Erinnerung daran, wie Jesus von dieser Welt
Abschied genommen hat. Ich muss daran denken, wie er immer wieder sein
Leiden vorausgesehen und oft davon gesprochen hat; wie er die Zeit in
Erwartung „seiner Stunde
‟ gemessen hat; wie
das Wissen um die endzeitliche Bestimmung seinen Geist und seine Lehre
erfüllt hat; wie er von seinem bevorstehenden Tod zu den Jüngern beim
letzten Abendmahl gesprochen hat; und schließlich, wie er wollte, dass
sein Tod zum bleibenden Gedächtnis werde durch die Einsetzung des
eucharistischen Opfers:
mortem Domini annuntiabitis donec veniat . „Verkündet den Tod des Herrn bis er wiederkommt.
‟
Ein Aspekt unter allen anderen ist grundlegend:
tradidit semetipsum, „er hat sich selbst für mich hingegeben
‟.
Sein Tod war ein Opfer. Er starb für die anderen, er starb für uns. Die
Einsamkeit dieses Todes war von unserer Gegenwart angefüllt, war von
Liebe durchdrungen:
dilexit Ecclesiam, „er liebte die Kirche
‟ (an „Le mystère de Jésus" von Pascal denken). Sein Tod war die Offenbarung seiner Liebe zu uns:
in finem dilexit, „er liebte bis zum Ende
‟.
Und von dieser demütigen und unermesslichen Liebe gab er am Ende seines
irdischen Lebens ein eindringliches Beispiel (die Fußwaschung). Er
machte seine Liebe zum Gleichnis und Endgebot. Sein Tod war das
Testament seiner Liebe. Es ist gut, sich daran zu erinnern.
Ich bitte deshalb den Herrn, mir die Gnade zu geben, dass mein
baldiger Tod ein Geschenk der Liebe an die Kirche sei. Ich darf sagen,
dass ich sie immer geliebt habe. Diese Liebe hat mich meinem engherzigen
und wilden Egoismus entrissen und mich in ihren Dienst gestellt. Und
durch sie habe ich, wie mir scheint, gelebt, und durch nichts anderes.
Aber ich möchte, dass die Kirche das weiß. Und dass ich die Kraft hätte,
ihr das zu sagen in jener Vertraulichkeit des Herzens, zu der man nur
im letzten Moment des Lebens den Mut aufbringt. Ich möchte schließlich,
dass sie alles begreift, was zu ihrer Geschichte gehört, zu dem Plan,
den Gott von ihr hat, zu ihrer endzeitlichen Bestimmung, zu ihrer
vielfältigen, ganzheitlichen, in sich geschlossenen Zusammensetzung,
ihrem menschlichen und unvollkommenen Zusammenhalt, ihrem Unglück und
Leid, den Schwächen und Erbärmlichkeiten so vieler ihrer Söhne, ihren
weniger sympathischen Aspekten und ihrer fortdauernden Bemühung um
Treue, Liebe, Vollkommenheit und Nächstenliebe. Mystischer Leib Christi.
Ich möchte sie umarmen, begrüßen, lieben in jedem Wesen, das zu ihr
gehört, in jedem Bischof und Priester, der ihr beisteht und sie leitet,
in jeder Seele, die in ihr lebt und leuchtet; ich möchte sie segnen.
Auch weil ich sie nicht verlasse, nicht von ihr fortgehe, sondern mich
noch mehr und besser mit ihr vereinige und verschmelze: der Tod ist ein
Schritt nach vorn in der Gemeinschaft der Heiligen.
Hier ist der Platz, an das letzte Gebet Jesu zu erinnern (
Joh 17).
Der Vater und die Meinen, sie sind alle eins: in der Auseinandersetzung
mit dem Bösen und der Möglichkeit der Erlösung; im vollen Bewusstsein,
dass es meine Mission war, sie zu berufen, ihnen die Wahrheit zu
offenbaren, sie zu Kindern Gottes und zu Brüdern untereinander zu
machen: sie zu lieben mit der Liebe, die in Gott ist und von Gott kommt,
durch Christus; die gekommen ist in der Menschlichkeit und dem mir
anvertrauten Dienst der Kirche; die ihr mitgeteilt wurde.
Ihr Menschen begreift mich. Ich liebe euch alle in der Ausgießung des
Heiligen Geistes, den ich, als Diener, euch mitteilen sollte. So schaue
ich auf euch, so grüße ich euch, so segne ich euch. Alle. Und euch, die
ihr mir am nächsten steht, am herzlichsten. Der Friede sei mit euch.
Und was soll ich der Kirche, der ich alles schulde und die die meinige
war, sagen? Der Segen Gottes sei über dir; sei dir deiner Natur und
deiner Sendung bewusst; habe ein Gespür für die wahren und tiefsten
Bedürfnisse der Menschheit. Und geh deinen Weg arm, also frei, tapfer
und liebend Christus entgegen.
Amen. Der Herr komme. Amen.