Josef Benedikt Cottolengo, die Liebe Christi drängt uns, Turin |
(...) Im selben Geist der Liebe hat 40 Jahre vor Murialdo der heilige Giuseppe Benedetto Cottolengo gelebt, der Gründer des Werkes, das er selbst das „Kleine Haus der göttlichen Vorsehung" nannte und heute auch „Cottolengo" genannt wird. Am kommenden Sonntag werde ich im Rahmen meines Pastoralbesuchs in Turin die Gelegenheit haben, die sterblichen Überreste dieses Heiligen zu verehren und den Gästen des „Kleinen Hauses" zu begegnen.
Giuseppe Benedetto Cottolengo wurde am 3. Mai 1786 in Bra geboren, einer kleinen Stadt in der Provinz Cuneo. Er war der Erstgeborene von 12 Kindern, von denen sechs in jungem Alter verstarben, und legte von klein auf eine große Sensibilität gegenüber den Armen zutage. Er schlug den Weg des Priestertums ein, worin ihn auch zwei seiner Brüder nachahmten. Die Jahre seiner Jugend waren die Jahre des napoleonischen Abenteuers und der nachfolgenden Probleme im religiösen und sozialen Bereich. Cottolengo wurde ein guter Priester, der von vielen Büßern aufgesucht wurde, und er war im Turin jener Zeit Prediger von geistlichen Übungen und Konferenzen bei den Universitätsstudenten, wo ihm immer ein beachtlicher Erfolg zuteil wurde. Im Alter von 32 Jahren wurde er zum Kanoniker der „Santissima Trinità" ernannt, einer Priesterkongregation, die die Aufgabe hatte, in der Corpus-Domini-Kirche tätig zu sein und die religiösen Zeremonien der Stadt prunkvoll zu gestalten, in dieser Situation jedoch fühlte er sich von Unruhe durchdrungen. Gott bereitete ihn für eine besondere Mission vor, und gerade eine unerwartete und entscheidende Begegnung ließ ihn verstehen, was seine künftige Bestimmung in der Ausübung seines Amtes sein sollte.
Der Herr legt immer Zeichen auf unseren Weg, um ihn nach seinem Willen zu unserem wahren Wohl zu führen. Bei Cottolengo geschah dies auf dramatische Weise am Sonntagmorgen des 2. September 1827. Aus Mailand kam in Turin die Kutsche an, die mehr denn je überfüllt war und in die sich eine ganze französische Familie gezwängt hatte, deren Mutter zusammen mit fünf Kindern hochschwanger war und hohes Fieber hatte. Nachdem die Familie durch verschiedene Krankenhäuser geirrt war, fand sie in einem öffentlichen Dormitorium Unterkunft, der Zustand der Frau jedoch verschlimmerte sich und einige machten sich auf die Suche nach einem Priester. Durch einen geheimnisvollen Plan begegneten sie Cottolengo, und gerade er war es, der diese junge Mutter unter dem Leiden der ganzen Familie schweren und niedergeschlagenen Herzens bis zum Tod begleitete. Nachdem er dieser schmerzhaften Aufgabe nachgekommen war, begab er sich - das Herz voller Leid - vor das Allerheiligste Sakrament und betete: „Mein Gott, warum? Warum hast du mich als Zeugen gewollt? Was willst du von mir? Man muss was tun!"
Er stand auf, ließ alle Glocken läuten und die Kerzen anzünden, und während er die Neugierigen in der Kirche empfing, sprach er: „Ein Gnadenstoß! Ein Gnadenstoß!". Von jenem Augenblick an war Cottolengo verwandelt: All seine Fähigkeiten, besonders seine wirtschaftliche und organisatorische Geschicklichkeit, wurden fortan dafür eingesetzt, Initiativen zur Unterstützung der Bedürftigsten ins Leben zu rufen.
Er verstand es, in sein Unterfangen Aberdutzende von Mitarbeitern und Ehrenamtlichen einzubinden. Er ging hinaus in die Peripherie von Turin, um sein Werk auszuweiten, und schuf eine Art Dorf, in dem ein jedes Gebäude, dessen Bau ihm gelang, einen bedeutsamen Namen annahm: „Haus des Glaubens", „Haus der Hoffnung", „Haus der Liebe". Er realisierte den Stil von „Familien" und bildete so richtiggehende Gemeinschaften von Menschen, Ehrenamtlichen, Männern und Frauen, Ordensleuten und Laien, die vereint den sich einstellenden Schwierigkeiten begegneten und sie überwanden. Jeder in jenem „Kleinen Haus der göttlichen Vorsehung" hatte eine präzise Aufgabe: der eine arbeitete, der andere betete, diente, lehrte oder verwaltete. Gesunde und Kranke teilten dieselbe Last des Alltags. Auch das religiöse Leben wurde entsprechend der Zeit, der Bedürfnisse und der besonderen Notwendigkeiten aufgeteilt. Für eine spezifische Ausbildung der Priester des Werkes dachte er auch an ein eigenes Seminar. Er war stets bereit, der Göttlichen Vorsehung zu folgen und ihr zu dienen, nie aber stellte er sie in Frage: „Ich bin zu Nichts gut und weiß nicht einmal, was ich tue. Die Göttliche Vorsehung aber weiß gewiss, was sie will. An mir liegt es nur, ihr nachzukommen. Vorwärts in Domino". Für seine Amen und für die Bedürftigsten wird er sich immer als „der Handlanger der Göttlichen Vorsehung" bezeichnen.
Neben den kleinen Städten wollte er auch fünf Klausurfrauenklöster und ein Eremitenkloster gründen, und er erachtete sie als seine wichtigsten Verwirklichungen: eine Art „Herz", das für das ganze Werk schlagen sollte. Er starb am 30. April 1842; seine letzten Worte waren: „Misericordia, Domine; Misericordia, Domine. Gute und heilige Vorsehung... Heilige Jungfrau, jetzt bist du dran". Sein Leben war insgesamt, wie eine damalige Zeitung schrieb, „ein intensiver Tag der Liebe".
Liebe Freunde, diese beiden heiligen Priester, von denen ich einige Züge vorgestellt habe, haben ihr Amt in der völligen Hingabe an die Ärmsten, die Bedürftigsten, die Letzten gelebt und dabei stets die tiefe Wurzel, die unerschöpfliche Quelle ihres Wirkens in der Beziehung mit Gott gefunden, indem sie aus seiner Liebe schöpften, in der tiefen Überzeugung, dass es unmöglich ist, die Nächstenliebe zu üben, ohne in Christus und in der Kirche zu leben. Ihre Fürsprache und ihr Beispiel mögen weiterhin den Dienst so vieler Priester erleuchten, die sich großherzig für Gott und die ihnen anvertraute Herde aufopfern, und sie mögen einem jeden helfen, sich freudig und großherzig Gott und dem Nächsten zu schenken.
(Benedikt XVI., 28. April, 2010)
Kleines Haus der göttlichen Vorsehung, Turin |