Sonntag, 31. Mai 2020

Heiliger Geist, forme die Herzen der Priester und Ordensleute


Pfingsten, Holzrelief des Chorgestühls in der Kathedrale von Orleans

Heiliger Geist, in die Herzen ausgegossene Liebe,
die du Geist und Sinn, Gnade und Inspiration schenkst,
ewige Lebensquelle,
die du durch die zahlreichen Charismen die Sendung Christi vollendest,
wir bitten dich für alle Personen des geweihten Lebens.

Erfülle ihr Herz mit der innigen Gewissheit,
dazu auserwählt worden zu sein,
um zu lieben, zu loben und zu dienen.
Lab sie deine Freundschaft kosten,
erfülle sie mit deiner Freude und mit deinem Trost,
hilf ihnen, Momente der Schwierigkeit zu überwinden
und nach dem Fall in Vertrauen wieder aufzustehen,
mache sie zum Spiegel der göttlichen Schönheit.

Gib ihnen den Mut, sich den Herausforderungen unserer Zeit zu stellen,
und die Gnade,
den Menschen die Güte und Menschenfreundlichkeit
unseres Retters Jesus Christus zu bringen (vgl. Tit 3,4).
(Johannes Paul II., aus dem nachsynodalen Apostolischen Schreiben "VITA CONSECRATA“ 1996)



Geburt der Kirche

Maria, Braut des Heiligen Geistes, bitte für uns!

 
Liebe Brüder und Schwestern!
Heute feiern wir das hohe Pfingstfest. Die Liturgie läßt uns darin aufs neue durch den Bericht des hl. Lukas im Buch der Apostelgeschichte (2,1–13) die Geburt der Kirche erleben. Fünfzig Tage nach Ostern kam der Heilige Geist auf die Gemeinschaft der Jünger herab – »Sie alle verharrten […] einmütig im Gebet« –, die zusammen »mit Maria, der Mutter Jesu« und den zwölf Aposteln versammelt waren (vgl. Apg 1,14; 2,1). Wir können daher sagen, daß die Kirche in der Herabkunft des Heiligen Geistes ihren feierlichen Anfang hatte. In diesem außerordentlichen Ereignis finden wir die wesentlichen und charakteristischen Merkmale der Kirche:

Die Kirche ist eine, wie die Pfingstgemeinde, die im Gebet versammelt und »einmütig« war: »Sie war ein Herz und eine Seele« (Apg 4,32).

Die Kirche ist heilig, nicht wegen ihrer Verdienste, sondern weil sie, vom Heiligen Geist beseelt, ihren Blick fest auf Christus gerichtet hält, um Ihm und seiner Liebe gleich zu werden.

Die Kirche ist katholisch, weil das Evangelium für alle Völker bestimmt ist; und aus diesem Grund läßt sie der Heilige Geist schon am Anfang alle Sprachen sprechen.

Die Kirche ist apostolisch, weil sie auf dem Fundament der Apostel errichtet ist und deren Lehren durch die ununterbrochene Kette der bischöflichen Sukzession treu bewahrt.

Darüber hinaus ist die Kirche ihrem Wesen nach missionarisch, und seit dem Pfingsttag hört der Heilige Geist nicht auf, sie auf die Wege der Welt zu drängen, bis hin zu den äußersten Grenzen der Erde und bis zum Ende der Zeiten.

Diese Wirklichkeit, die wir in jedem Zeitalter ausmachen können, ist sozusagen schon im Buch der Apostelgeschichte vorweggenommen, wo die Überlieferung des Evangeliums von den Juden zu den Heiden, von Jerusalem nach Rom, beschrieben ist. Rom steht für die Welt der Heiden und so für alle Völker, die nicht zum alten Volk Gottes gehören. In der Tat schließt die Apostelgeschichte mit der Ankunft des Evangeliums in Rom. Man kann also sagen, daß Rom der konkrete Name der Katholizität und der Wirklichkeit der Mission ist; Rom bezeichnet die Treue zu den Ursprüngen, zur Kirche aller Zeiten, zu einer Kirche, die alle Sprachen spricht und allen Kulturen entgegengeht.
Liebe Brüder und Schwestern, das erste Pfingsten ereignete sich, als die selige Jungfrau Maria unter den Jüngern im Abendmahlssaal von Jerusalem zugegen war und betete. Auch heute vertrauen wir uns ihrer mütterlichen Fürsprache an, auf daß der Heilige Geist überreich auf die Kirche unserer Zeit herabkomme, die Herzen aller Gläubigen erfülle und in ihnen – in uns – das Feuer seiner Liebe entzünde.
(Papst Benedikt, Regina Coeli, Pfingstsonntag 2007)

Glasfenster in der Herz-Jesu-Basilika in Koekelberg, Brüssel (Predigt Benedikt XV., Pfingsten 2009)

pfingstliche Flugkunst

in der Dormitio-Abtei, Jerusalem (Predigt, Benedikt XVI., Pfingsten 2008)

aus seinem Inneren werden Ströme lebendigen Wassers fließen ( Glasfenster, Herz-Jesu-Basilika in Koekelberg, Brüssel) 

Gemälde über der Taufkapelle des hl. Antonius

Gemälde Turmbau zu Babel (Pieter Bruegel) und Glasfenster in St Aloysius Church, London (Predigt Benedikt XVI., Pfingstsonntag 2012)

Pfingstrosen

Glasfenster von Himmelfahrt und Pfingsten im Kreuzgang von Stift Lilienfeld, NÖ

Philipp Neri empfängt den Heiligen Geist, Fresko in der Chiesa Nuova

Mosaik in der Rosenkranzbasilika in Pompei

Pfingsten lässt sich schwer einfangen

Hochaltarbild in Maria Roggendorf, NÖ (Papst Benedikt XVI. Generalaudienz 14.3.2012; von Maria beten lernen)

Hochaltar in der Kathedrale von Toledo (Warum die Taube, Hauke)

Glasmalerein in der Kathedrale von Notre Dame (optimale Vorbereitung auf Pfingsten) 

Pfingstsonntag in Wien, garantiert coronafrei 

von der Knospe zur Blüte

Figurengruppe in der Krakauer Marienkirche (Gebet von Alfons Maria von Liguori) 

ein pfingstliches Pferd

Medaillon am Hochaltar der Pöllauer Pfarrkirche, Stmk.



Marienaltar in Spitalkirche zum Heiligen Geist, Meran

Samstag, 30. Mai 2020

Johanna von Orleans - wie das Mädchen Johanna himmlische Stimmen und deren Anordnungen vernahm(1/10)


Katharina, Margareta und der Erzengel Michael sprechen zu Jeanne d´Arc, Kathedrale von Orlean


Jungfrau, Märtyrin
Namensdeutung: Gott ist gnädig (hebr.)
Namenstage: Jeanne, Johanna, Jana, Janina, Jeanine, Jeanette, Janice, Jolina, Iwana, Gianna, Hanna, männl.: Johannes, Jean
Gedenktag: 30. Mai
Lebensdaten: geboren 1412 in Domrémy, Lothringen, gestorben am 30. Mai 1431 in Rouen

Lebensgeschichte: Jeanne d’Arc war ein überaus frommes Bauernkind, das mit 13 Jahren „Stimmen“ hörte: Die heiligen Katharina, Margareta und Michael trugen ihr vom Himmel auf, Frankreich vom Hundertjährigen Krieg gegen die Engländer zu befreien und den Thronfolger zum König zu krönen. Jeanne zog sich von ihrer Umgebung zurück, löste zuletzt ihre Verlobung und schaffte es durch ihr Charisma, ihre Weissagungs- und Heilungsgabe tatsächlich, bis zu Karl VII. vorgelassen zu werden, der seinen Herrschaftsanspruch schon aufgegeben hatte.

Sie erhielt eine Eskorte, um das belagerte Orléans mit Lebensmitteln zu versorgen, schnitt sich die Haare kurz, bekam eine Rüstung und – hatte durchschlagenden Erfolg. Jeanne gab den Soldaten neuen Mut, sie säuberte den Tross von Gesindel und Prostituierten, ließ Geistliche den Heeresbannern voranschreiten und begann, die Engländer zurückzudrängen. Als Karl VII. 1429 in Reims gekrönt wurde, war sie in der ersten Reihe dabei.

1430 wurde sie bei einem Ausfall feindlicher Burgunder gefangengenommen und an die Engländer verkauft, die sie in Paris der Ketzerei anklagen ließen. Obwohl sich die ungebildete „Jungfrau“, wie sie sich selber nannte, souverän verteidigte, wurde sie auf politischen Druck zum Feuertod verurteilt. Vor einen Scheiterhaufen geführt, versprach man ihr für den Fall ihres Geständnisses, sie in einem kirchlichen Gefängnis zu verwahren. Als man sie aber in den Kerker zurückbrachte, widerrief sie ihre Unterschrift und wurde am 30. Mai 1431 als rückfällige Ketzerin auf dem Marktplatz von Rouen verbrannt.

Verehrung: 1450 ließ Karl VII., der seinen Thron keiner Ketzerin verdanken konnte, ihren Prozess wiederaufnehmen, der 1456 mit ihrer vollständigen Rehabilitierung endete. Sie wurde 1909 selig- und 1920 heiliggesprochen und 1922 zur Patronin Frankreichs erklärt.
Darstellung: als junge Frau mit Rüstung, reitend, mit Schwert und Banner
Patronin: von Frankreich, Orléans, Rouen, der Telegraphie und des Rundfunks
(Bistum Augsburg)

Jeanne d´Arc

Statue in Notre Dame de Paris 

Statue im Haus der hl. Therese Les Buissonnets, Lisieux 

an ihrem Hinrichtungsort in Rouen




1893 schufen Jac-Galland und Gibelin in der Kathedrale von Orleans zehn große Glasmalereien in den Fenstern der Seitenschiffe, auf denen die wichtigsten Stationen im Leben von Jeann d´Arc dargestellt sind.


Heute gedenkt die Kirche auch des Königs Ferdinand III. von Kastilien und des
Priesters und Märtyrers Otto Neururer

in der Pfarrkirche Peter und Paul, wo seine Asche aufbewahrt wird,

Gedenkstätte im Innsbrucker Dom




Kathedrale von Orleans

Freitag, 29. Mai 2020

Paul VI. - die Zeit meines Aufbruchs ist nahe

Mercedes Benz 300SEL, Stoccarda, 1967; Nummernschild SCV 12, verwendet vom Staatssekretariat in der Amtszeit von
Papst Paul VI., Castel Gandolfo
 
Papst
Namensdeutung: der Geringe (lat.)
Namenstage: Paulus, Paul, Pablo, Paolo, Pál, Pavel, Pol, Poul, Pavo, weibl.: Paula, Paulina, Pauline
Gedenktag: 29. Mai
Lebensdaten: geboren am 26. September 1897 in Concesio bei Brescia, gestorben am 6. August 1978 in Castel Gandolfo
Lebensgeschichte: Giovanni Battista Enrico Antonio Maria Montini, genannt Giambattista, war der zweite von drei Söhnen eines Anwalts, katholischen Zeitungsverlegers und Abgeordneten sowie einer landadeligen Mutter. Er ging in Brescia unter anderem bei den Jesuiten der Stadt zur Schule, seiner schwachen Gesundheit wegen allerdings immer als Externer, und trat 1916 ins Priesterseminar ein. 1920 zum Priester geweiht, zog er zum Weiterstudium des Kirchen- und bürgerlichen Rechts nach Rom und vollendete seine Ausbildung an der Päpstlichen Diplomatenakademie. Ab 1923 zur Mitarbeit im Vatikanischen Staatssekretariat herangezogen, stieg er zu einem engen Mitarbeiter des Kardinalstaatssekretärs Eugenio Pacelli und späteren Papstes Pius XII. auf. Als dieser ihn 1954 zum Erzbischof von Mailand ernannte, munkelten einige, Montini wäre damit aus der Kurie entfernt worden, dabei war ganz das Gegenteil der Fall: Mailand war eines der wichtigsten Bistümer, Industriehauptstadt und einer der kulturellen Mittelpunkte Italiens: genau der Schnittpunkt für den Einfluss, den der Papst der Kirche in der Gesellschaft der Nachkriegszeit sichern wollte. Montini bewährte sich durch öffentliche Präsenz im gesellschaftlichen und kulturellen Leben, zahllose Vorträge, Förderung des Laienapostolats und Annäherung an die Arbeiterschaft. Papst Johannes XXIII., mit dem er befreundet war, verlieh ihm 1958 das mit dem Erzbistum Mailand traditionell verbundene Kardinalsbirett und entsandte ihn verschiedentlich als seinen Vertreter ins Ausland. Montini, der als eine der progressivsten Kirchenspitzen galt, gehörte der entscheidenden Vorbereitungskommission des Zweiten Vatikanischen Konzils an und setzte es, nachdem er am 21. Juni 1963 selbst zum Papst gewählt worden war, als Papst Paul VI. entschlossen fort. Er war immens gebildet und von tiefer Spiritualität, wirkte aber seiner natürlichen Reserviertheit wegen etwas farblos, obwohl er als erster Papst die Welt bereiste und durch aufsehenerregende Besuche Brücken zur Orthodoxie und zum Judentum baute sowie recht spektakuläre Zeichen wie den Verzicht auf die Tiara und die Abschaffung des Index der verbotenen Bücher setzte. Während er sich für eine Zusammenarbeit von Kirche und Welt am Gemeinwohl einsetzte, wurde er in diesen Umbruchszeiten verschiedentlich angegriffen. Mit seinem Namen sind die umfassende Reform der Liturgie und des kirchlichen Lebens verbunden sowie die Enzyklika Humanae vitae über die Weitergabe des menschlichen Lebens, die ihm 1968 traurige Berühmtheit einbrachte – bei denen, die sie nicht gelesen haben. Weil er in seinem päpstlichen Amt die traditionelle Lehre und die kirchliche Disziplin betonte, dabei aber nach den Weisungen des Konzils die Öffnung der Kirche zur Welt betrieb und damit ihren säkularisierten Zustand akzeptierte, war er für viele seiner Zeitgenossen schwer zu fassen. Papst Paul VI. gab sich keinen Illusionen hin. Er soll gesagt haben, die Kirche habe den Frühling gesät, gekommen sei aber der Sturm.

Verehrung: Paul VI. wurde nach seinem Tod in der päpstlichen Sommerresidenz Castel Gandolfo in den Vatikanischen Grotten unterhalb des Petersdoms in einem Erdgrab bestattet. Das 1993 eröffnete Seligsprechungsverfahren kam 2014 unter Papst Franziskus zum Abschluss. Nach der Anerkennung eines weiteren Wunders auf seine Fürsprache sprach Franziskus ihn am 14. Oktober 2018 heilig. Sein Gedenktag, der 29. Mai, ist der Tag seiner Priesterweihe – heute vor 100 Jahren.
(Bistum Augsburg)

Papst Paul VI. (Portrait in Castel Gandolfo, Heiligsprechung durch Papst Franziskus)
Am Grab des hl. Papstes Paul VI. (er erklärt Maria zur Mutter der Kirche)

Castel Gandolfo

GEDANKEN ÜBER DEN TOD
 * L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, 14. September 1979, Nr. 37.

Tempus resolutionis meae instatDie Zeit meines Aufbruchs ist nahe" (2 Tim 4, 6).

Certus quod velox est depositio tabernaculi mei . Ich weiß, dass mein Zelt bald abgebrochen wird (2 Petr 1, 14)Finis venit, venit finisDas Ende kommt, das Ende naht (Ez 7, 2).

Diese Meditation über die Hinfälligkeit des irdischen Lebens und das unvermeidliche und immer greifbarere Herannahen seines Endes drängt sich auf. Es wäre unklug, sich blind zu stellen vor diesem unausweichlichen Los, vor dem schrecklichen Zusammenbruch, der dazu gehört, vor der geheimnisvollen Verwandlung, die sich in meinem Ich vollziehen wird, vor dem, was sich vorbereitet.

Ich sehe, dass diese Überlegung sich sehr persönlich stellt: Ich, wer bin ich? Was bleibt von mir? Wohin gehe ich? Und deshalb stellt sie sich auch unter ausdrücklich moralischem Aspekt: Was muss ich tun? Was ist meine Verantwortung? Und ich sehe auch, dass es vergeblich ist, sich für das gegenwärtige Leben Hoffnungen zu machen. Ihm gegenüber gibt es Pflichten und funktionelle, augenblicksbedingte Erwartungen. Die Hoffnungen sind für das Jenseits da.

Und ich sehe, dass diese wichtigste aller Überlegungen sich nicht in einem subjektiven Monolog vollziehen kann, nicht im gewohnten Ablauf der menschlichen Ereignisse, der mit dem wachsenden Licht auch das Dunkel des menschlichen Schicksals wachsen lässt; nein, im Dialog mit der göttlichen Wirklichkeit, von der ich herkomme und zu der ich gewisslich hingehe, dem Licht folgend, das uns Christus für den großen Hinübergang in die Hand gibt. Ich glaube, Herr.

Die Stunde kommt. Seit einiger Zeit habe ich ein Vorgefühl davon. Mehr als die physische Müdigkeit, die Bereitschaft, jeden Augenblick wegzutreten, scheint mir die Dramatik meiner Verantwortung nahezulegen, dass mein Auszug aus dieser Welt die beste Lösung ist, damit die Vorsehung sichtbar werden und die Kirche zu einer besseren Zukunft hinführen kann. Ja, die Vorsehung hat so viele Weisen, in das gewaltige Spiel der Umstände einzugreifen, die meine Wenigkeit fesseln. Aber die meiner Abberufung in das andere Leben scheint die natürlichste, weil sie zwingender als andere ist und nicht an die gegenwärtigen Schwierigkeiten gebunden. Servus inutilis sum. Ich bin ein unnützer Knecht.

 Ambulate dum lucem habetis. „Geht euren Weg, solange ihr das Licht habt (Joh 12, 35).

Ja, mir wäre es recht, im Licht zu sterben. Gewöhnlich hat das Ende des irdischen Lebens, wenn es nicht von Krankheit verdunkelt ist, eine bestimmte Klarheit: die der schönen, angenehmen, nostalgischen und klaren Erinnerungen, die uns jetzt sagen, dass sie unwiderruflich vorüber sind und dass ihre verzweifelten Versprechungen Illusion sind. Hier fällt Licht auf die Enttäuschungen eines Lebens, das auf vergängliche Güter und trügerische Hoffnungen gegründet war. Hier fällt Licht auf die dunklen und jetzt wirkungslosen Selbstpeinigungen. Hier leuchtet das Licht der Weisheit, die endlich die Eitelkeit der Dinge einsieht und den Wert der Tugenden, die das Leben auszeichnen sollten: Vanitas vanitatum. „Eitelkeit der Eitelkeiten. Was mich betrifft, möchte ich endlich eine zusammenfassende und weise Kenntnis der Welt und des Lebens haben. Ich meine, dass eine solche Erkenntnis sich in Dank ausdrücken müsste: Alles war Geschenk, alles war Gnade. Und wie schön die ganze Vergangenheit war, zu schön, so dass sie uns anzog und bezauberte, während sie Zeichen und Aufforderung sein wollte. Auf jeden Fall scheint mir, der Abschied müsse sich in einem großen und schlichten Akt des Dankes ausdrücken, der Danksagung: Dieses sterbliche Leben ist trotz seiner Mühen, seiner dunklen Geheimnisse, seiner Leiden, seiner fatalen Hinfälligkeit eine sehr schöne Tatsache, ein immer originelles und bewegendes Wunder, ein Ereignis, wert in Freude und Jubel besungen zu werden. Leben, Leben des Menschen! Nicht weniger wert der Bewunderung und des seligen Staunens ist der Rahmen, der das Leben des Menschen umgibt: Diese unermessliche, geheimnisvolle, herrliche Welt, dieses Universum von tausend Kräften, tausend Gesetzen, tausend Schönheiten, tausend Tiefen. Ein bezauberndes Panorama. Es scheint Verschwendung ohne Maß.

Bei diesem Rückblick steigt das Bedauern auf, dieses Bild nicht genug bewundert zu haben; die Wunder der Natur, den überraschenden Reichtum der großen und kleinen Welt nicht im verdienten Maß bemerkt zu haben. Warum habe ich den Raum, in dem sich das Leben vollzieht, nicht genug studiert, durchforscht, bewundert? Welche unverzeihliche Zerstreuung, welche tadelnswerte Oberflächlichkeit! Trotzdem muss man, zumindest am Ende, erkennen, welches Wunder diese Welt, qui per Ipsum factus est, „die durch Ihn geschaffen ist, darstellt. Dich grüße und Dich und feiere ich, wenn auch im letzten Augenblick, mit unendlicher Bewunderung und, wie ich schon sagte, mit Dank: Alles ist Geschenk. Hinter dem Leben, hinter der Natur, dem Weltall steht die Weisheit und, das sage ich bei diesem leuchtenden Abschied (Du hast es uns offenbart, Herr Christus), steht die Liebe! Die Bühne der Welt ist ein heute großenteils unbegreiflicher Plan eines Schöpfergottes, der sich „Unser Vater im Himmel nennt.. Dank Dir, Gott, Dank und Herrlichkeit Dir, Vater! In diesem letzten Augenblick bemerke ich, dass diese faszinierende und geheimnisvolle Szenerie eine Widerspiegelung, ein Reflex des ersten und einzigen Lichts ist. Sie ist die natürliche Offenbarung eines außergewöhnlichen Reichtums und einer Schönheit, die Einfüllung, Vorspiel, Vorwegnahme, Einladung sein sollte zur Schau jener unsichtbaren Sonne, quem nemo vidit unquam, die „niemand je gesehen hat (vgl. Joh 1, 18): unigenitus Filius, qui est in sinu Patris, Ipse enarravit, „der eingeborene Sohn im Schoß des Vaters, er selbst hat uns das offenbart. Amen, Amen.

Aber jetzt, im Glanz der untergehenden Sonne, drängt sich mir über dieses letzte Abendlicht, Verheißung der ewigen Morgenröte, hinaus, ein anderer Gedanke in den Sinn: die Sehnsucht, die elfte Stunde zu nutzen, der eilige Wunsch, etwas Wichtiges zu tun, ehe es zu spät ist. Wie all die missratenen Dinge in Ordnung bringen, die verlorene Zeit wiedergewinnen, in der letzten Möglichkeit der Entscheidung, das unum necessarium,  „das einzig Notwendige, wählen?
Auf den Dank folgt die Reue. Auf das Gloria vor Gott, dem Schöpfer und Vater, folgt der Schrei nach Barmherzigkeit und Vergebung. Könnte ich wenigstens das eine tun: Deine Güte anrufen und mit meiner Schuld Deine grenzenlosen Heilsmöglichkeiten bekennen. Kyrie eleison; Christe eleison; Kyrie eleison. „Herr, erbarme Dich; Christus, erbarme Dich; Herr, erbarme Dich.
Hier steigt aus meiner Erinnerung die arme Geschichte meines Lebens auf; dieses Geflecht einzigartiger und ungezählter Wohltaten, die ihren Ursprung unsagbarer Güte verdanken (die eines Tages sehen und „in Ewigkeit singen zu dürfen ich hoffe). Und da stehen auf der anderen Seite, von einer Kette nichtswürdiger Handlungen durchzogen, an die ich lieber nicht erinnern möchte, so viele Mängel, Unvollkommenheiten, Irrtümer, Dummheiten, Lächerlichkeiten. Tu scis insipientiam meam. „Gott, du kennst meine Torheit (Ps 68, 6). Armes, mühseliges, beengtes, dürftiges Leben, das sehr viel, sehr viel Geduld, Heilung, unendliche Barmherzigkeit braucht. Die höchste Synthese scheint mir noch immer die des hl. Augustinus: miseria et misericordia. „Meine Erbärmlichkeit, Gottes Barmherzigkeit. Könnte ich Dich doch wenigstens jetzt als den ehren, der Du bist, nämlich der Gott unendlicher Güte, indem ich Deine liebevolle Barmherzigkeit anrufe, annehme, feiere.
Und dann endlich ein Akt guten Willens: Nicht mehr zurückblicken, sondern gern, einfach, demütig, tapfer meine Schuldigkeit tun, wie sie sich aus den Umständen ergibt, in denen ich mich befinde, so wie es Dein Wille ist.

Schnell handeln. Alles tun. Gut handeln. Freudig handeln. Das tun, was Du von mir willst, auch wenn es meine Kräfte unendlich übersteigt und mich das Leben kostet. Jetzt und endlich, in dieser letzten Stunde.

Ich beuge das Haupt und erhebe den Geist. Ich demütige mich selbst und erhebe Dich, Gott, „dessen Wesen die Güte ist(hl. Leo). Lass mich in dieser letzten Nachtwache Dir huldigen, lebendiger und wahrer Gott, der Du morgen mein Richter sein wirst. Lass Dir das Lob geben, das Du am meisten begehrst, den Namen, den Du vorziehst: Du bist Vater.

Dann meine ich, dass jetzt vor dem Tod, dem Lehrer der Philosophie des Lebens, das größte Ereignis von allen für mich, wie für alle, die das gleiche Glück haben, die Begegnung mit Christus, dem Leben, sei. All das wäre zu durchdenken mit jener Klarheit, mit der die Lampe des Todes eine solche Begegnung erhellt. Nihil enim nobis nasci profuit, nisi redimi profuisset. „Nichts hätte es uns geholfen, geboren zu werden, hätte es uns nicht zur Erlösung verholfen. Das ist die Entdeckung der österlichen Verkündigung, das ist das Kriterium zur Beurteilung aller Dinge, die das menschliche Dasein betreffen und seine wahre und einzige Bestimmung, die sich nicht anders umgrenzen lässt als in Richtung auf Christus: o mira circa nós tuae pietatis dignatio! „Oh wunderbare Herablassung Deiner Liebe zu uns! Wunder aller Wunder, das Geheimnis unseres Lebens in Christus. Hier besingen der Glaube, die Hoffnung, die Liebe die Geburt des Menschen und feiern seinen Tod. Ich glaube, ich hoffe, ich liebe in Deinem Namen, Herr.

Und dann frage ich mich noch: Warum hast Du mich gerufen, warum hast Du mich erwählt, so ungeeignet, so widerspenstig, so arm an Geist und Herz? Ich weiß: quae stulta sunt mundi elegit Deus... ut non glorietur omnis caro in conspectu eiu. „Gott hat das Törichte in der Welt erwählt ..., damit kein Mensch sich rühmt vor Gott (1 Kor 1, 27-29). Meine Erwählung zeigt zwei Dinge: meine Geringfügigkeit; Deine barmherzige und mächtige Freiheit, die nicht einmal vor meinem Unglauben, meiner Erbärmlichkeit, meiner Fähigkeit, Dich zu verraten, Halt gemacht hat: Deus meus, Deus meus, audebo dicere... in quodam aestasis tripudio de Te praesumendo dicam: nisi quia Deus es, iniustus esser, quia peccavimus graviter... et Tu placatus es. Nos Te provocamus ad iram, Tu autem conducis nos ad misericordiam! „Mein Gott, mein Gott, ich wage zu sagen... in ekstatischem Jubel nehme ich mir heraus zu sagen: Wenn Du nicht Gott wärst, wärst Du ungerecht, denn wir haben schwer gesündigt und Du hast Dich versöhnen lassen. Wir haben Dich zum Zorn gereizt, und Du hast uns statt dessen zur Barmherzigkeit hingeführt! (PL 40, 1150).

Siehe, ich stehe Dir zu Diensten, siehe, zu Diensten Deiner Liebe. Siehe, ich bin in einem Zustand der Erhebung, der mir nicht mehr erlaubt, in die Haltung des armen Menschen zurückzufallen, wenn nicht, um mir die Wirklichkeit meines Seins in Erinnerung zu bringen und in grenzenlosestem Vertrauen die Antwort zu geben, die ich schuldig bin: amen; fiat; Tu scis quia amo Te. „Amen, Amen. Du weißt, dass ich Dich liebe." Ein Zustand der Spannung tritt ein und fixiert in einem dauernden Akt absoluter Treue meinen Willen zum Dienst durch Liebe: in finem dilexit , „er liebte bis zum EndeNe permittas me separari a Te. „Erlaube nicht, dass ich mich von Dir trenne. Das Ende des gegenwärtigen Lebens, das man ruhig und heiter erträumen konnte, muss dagegen wachsende Bemühung um Wachsamkeit, Hingabe, Aufmerksamkeit sein. Das ist schwierig, aber es ist so, dass der Tod das Ziel der irdischen Pilgerschaft besiegelt und die Brücke zu der großen Begegnung mit Christus im ewigen Leben bildet. Ich sammle meine letzten Kräfte und weiche nicht vor der vollendeten Ganzhingabe zurück: consummatum est, „alles ist vollendet.

Ich erinnere mich der Worte, die der Herr dem Petrus über seinen Tod vorausgesagt hatte: amen, amen dico tibi... cum... senueris, extendes manus tuas, et alius et cinget, et ducet quo tu non vis. Hoc autem dixit significans qua morte clarificaturus esset Deum. Et, cum hoc dixisset, dicit et: sequere me. „Amen, Amen, ich sage dir wenn du alt geworden, bist, wirst, du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und führen, wohin du nicht willst. Dies sagte Jesus, um anzudeuten, durch welchen Tod er Gott verherrlichen sollte. Nach diesen Worten sagte er zu ihm: Folge mir! (Joh 21, 18-19).

Ich folge Dir, und ich stelle fest, dass ich mich nicht verstohlen aus dieser Welt schleichen kann. Tausend Fäden verbinden mich mit der Menschheitsfamilie, tausend mit der Gemeinschaft der Kirche. Diese Fäden zerreißen von selbst, aber ich darf nicht vergessen, dass sie von mir letzte Pflichterfüllung verlangen. Discessus pius, „ein frommer Tod. Vor meinem Geist steht die Erinnerung daran, wie Jesus von dieser Welt Abschied genommen hat. Ich muss daran denken, wie er immer wieder sein Leiden vorausgesehen und oft davon gesprochen hat; wie er die Zeit in Erwartung „seiner Stunde gemessen hat; wie das Wissen um die endzeitliche Bestimmung seinen Geist und seine Lehre erfüllt hat; wie er von seinem bevorstehenden Tod zu den Jüngern beim letzten Abendmahl gesprochen hat; und schließlich, wie er wollte, dass sein Tod zum bleibenden Gedächtnis werde durch die Einsetzung des eucharistischen Opfers: mortem Domini annuntiabitis donec veniat . „Verkündet den Tod des Herrn bis er wiederkommt.

Ein Aspekt unter allen anderen ist grundlegend: tradidit semetipsum, „er hat sich selbst für mich hingegeben. Sein Tod war ein Opfer. Er starb für die anderen, er starb für uns. Die Einsamkeit dieses Todes war von unserer Gegenwart angefüllt, war von Liebe durchdrungen: dilexit Ecclesiam, „er liebte die Kirche (an „Le mystère de Jésus" von Pascal denken). Sein Tod war die Offenbarung seiner Liebe zu uns: in finem dilexit, „er liebte bis zum Ende. Und von dieser demütigen und unermesslichen Liebe gab er am Ende seines irdischen Lebens ein eindringliches Beispiel (die Fußwaschung). Er machte seine Liebe zum Gleichnis und Endgebot. Sein Tod war das Testament seiner Liebe. Es ist gut, sich daran zu erinnern.

Ich bitte deshalb den Herrn, mir die Gnade zu geben, dass mein baldiger Tod ein Geschenk der Liebe an die Kirche sei. Ich darf sagen, dass ich sie immer geliebt habe. Diese Liebe hat mich meinem engherzigen und wilden Egoismus entrissen und mich in ihren Dienst gestellt. Und durch sie habe ich, wie mir scheint, gelebt, und durch nichts anderes. Aber ich möchte, dass die Kirche das weiß. Und dass ich die Kraft hätte, ihr das zu sagen in jener Vertraulichkeit des Herzens, zu der man nur im letzten Moment des Lebens den Mut aufbringt. Ich möchte schließlich, dass sie alles begreift, was zu ihrer Geschichte gehört, zu dem Plan, den Gott von ihr hat, zu ihrer endzeitlichen Bestimmung, zu ihrer vielfältigen, ganzheitlichen, in sich geschlossenen Zusammensetzung, ihrem menschlichen und unvollkommenen Zusammenhalt, ihrem Unglück und Leid, den Schwächen und Erbärmlichkeiten so vieler ihrer Söhne, ihren weniger sympathischen Aspekten und ihrer fortdauernden Bemühung um Treue, Liebe, Vollkommenheit und Nächstenliebe. Mystischer Leib Christi. Ich möchte sie umarmen, begrüßen, lieben in jedem Wesen, das zu ihr gehört, in jedem Bischof und Priester, der ihr beisteht und sie leitet, in jeder Seele, die in ihr lebt und leuchtet; ich möchte sie segnen. Auch weil ich sie nicht verlasse, nicht von ihr fortgehe, sondern mich noch mehr und besser mit ihr vereinige und verschmelze: der Tod ist ein Schritt nach vorn in der Gemeinschaft der Heiligen.

Hier ist der Platz, an das letzte Gebet Jesu zu erinnern (Joh 17). Der Vater und die Meinen, sie sind alle eins: in der Auseinandersetzung mit dem Bösen und der Möglichkeit der Erlösung; im vollen Bewusstsein, dass es meine Mission war, sie zu berufen, ihnen die Wahrheit zu offenbaren, sie zu Kindern Gottes und zu Brüdern untereinander zu machen: sie zu lieben mit der Liebe, die in Gott ist und von Gott kommt, durch Christus; die gekommen ist in der Menschlichkeit und dem mir anvertrauten Dienst der Kirche; die ihr mitgeteilt wurde.

Ihr Menschen begreift mich. Ich liebe euch alle in der Ausgießung des Heiligen Geistes, den ich, als Diener, euch mitteilen sollte. So schaue ich auf euch, so grüße ich euch, so segne ich euch. Alle. Und euch, die ihr mir am nächsten steht, am herzlichsten. Der Friede sei mit euch. Und was soll ich der Kirche, der ich alles schulde und die die meinige war, sagen? Der Segen Gottes sei über dir; sei dir deiner Natur und deiner Sendung bewusst; habe ein Gespür für die wahren und tiefsten Bedürfnisse der Menschheit. Und geh deinen Weg arm, also frei, tapfer und liebend Christus entgegen.
Amen. Der Herr komme. Amen.

Donnerstag, 28. Mai 2020

Selige Margareta Pole, Märtyrerin

Margareta Pole im Gefängnis vor der Hinrichtung
 
* 14. August 1473 im Schloss in Farley Hill in England
† 28. Mai 1541 in East Smithfield, dem Stadtteil von London in England
Margareta  Pole war durch ihren Mann mit dem Königshaus Tudor verwandt und wirkte als Erzieherin von Maria, "der Katholischen", einer Tochter von König Heinrich VIII. Weil Margaretas Sohn Reginald, der spätere Erzbischof von Canterbury, sich gegen die Kirchenpolitik des Königs wandte, fiel sie bei diesem in Ungnade; zuerst wurde ihr anderer Sohn, ein Jahr später sie selbst verhaftet und schließlich hingerichtet. Am 29. Dezember 1886 wurde sie mit anderen Märtyrern von Papst Leo XIII. selig gesprochen. Ihr Gedenktag ist der 28. bzw. der 4. Mai (England).

Selig die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden,
ihnen gehört das Himmelreich
Margareta Pole, Our Lady and the English Martyrs Church;
Cambridge


Heute gedenkt die Kirche auch des Mönchs und Bischofs Lanfranc von Canterbury und des Bischofs Germanus von Paris.