Sonntag, 3. März 2024

Tempelreinigung (3. Sonntag der Fastenzeit)

 

Tempelreinigung, St Peter´s, Nottingham

Deckenfresko in Kremsmünster

Wandfresko im Gurker Dom 

Wandmalerei im Kreuzgang der Frauenkirchner Basilika

Dann kommt er zum Tempel. Aber dort, wo der Raum der Begegnung zwischen Gott und Mensch sein sollte, findet er Viehhändler und Geldwechsler, die den Ort des Gebets mit ihren Geschäften ausfüllen. Gewiß – das Vieh, das dort angeboten wurde, gehörte für die Opfer, die im Tempel dargebracht wurden. Und da im Tempel nicht das Geld gebraucht werden konnte, auf dem die römischen Imperatoren dargestellt waren, die dem wahren Gott entgegenstanden, mußte dort Geld eingetauscht werden, das keine götzendienerischen Bilder trug.
Aber all das konnte anderswo geschehen: Der Raum, an dem es nun geschah, sollte seiner Bestimmung nach Vorhof der Heiden sein. Denn der Gott Israels war eben der eine Gott aller Völker, und wenn die Heiden auch gleichsam nicht den Innenraum der Offenbarung betreten, so konnten sie sich doch im Vorhof des Glaubens dem Gebet an den einen Gott anschließen. Der Gott Israels, der Gott aller Menschen, wartete immer auch auf ihr Gebet, auf ihr Suchen und Rufen. Aber nun herrschte da stattdessen das Geschäft – ein Geschäft, das von der zuständigen Behörde legalisiert worden war, die selbst am Gewinn der Händler beteiligt war. Die Händler handelten recht nach der geltenden Ordnung, aber die Ordnung selbst war korrupt. „Habsucht ist Götzendienst“, sagt der Kolosserbrief (vgl. 3, 5). Diesen Götzendienst findet Jesus vor, und ihm gegenüber zitiert er Jesaja: „Mein Haus soll ein Haus des Gebetes sein“ (Mt 21, 13; vgl. Jes 56, 7), und Jeremia: „Ihr aber macht daraus eine Räuberhöhle“ (Mt 21, 13; cfr Jer 7, 11). Gegen die falsch verstandene Ordnung verteidigt Jesus mit seiner prophetischen Gebärde die wahre Ordnung, die sich im Gesetz und den Propheten findet.

All dies muß uns auch heute als Christen nachdenklich machen: Ist unser Glaube rein und offen genug, daß auch die „Heiden“, die suchenden und fragenden Menschen von heute, von ihm her das Licht des einen Gottes erahnen, sich in den Vorhöfen des Glaubens an unser Beten anhängen, mit ihrem Fragen doch auch Anbetende werden können? Wissen wir auch mit dem Herzen und mit unserer Lebenspraxis, daß Habsucht Götzendienst ist? Lassen wir nicht auf vielerlei Weise die Götzen auch mitten in die Welt unseres Glaubens hinein? Sind wir bereit, uns immer wieder neu vom Herrn reinigen, aus uns und aus der Kirche austreiben zu lassen, was ihm entgegensteht?

Bei der Tempelreinigung geht es aber um mehr als um Bekämpfung von Mißbräuchen. Eine neue Geschichtsstunde ist angesagt. Nun beginnt, was Jesus der Samariterin auf ihre Frage nach der rechten Anbetung angekündigt hatte: „Die Stunde kommt, und sie ist schon da, zu der die wahren Beter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn so will der Vater angebetet werden“ (Joh 4, 23). Die Zeit ist zu Ende, in der Tiere für Gott geopfert wurden. Immer schon waren die Tieropfer nur ein armseliger Ersatz gewesen, eine Gebärde der Sehnsucht nach der wirklichen Weise, Gott anzubeten. Der Brief an die Hebräer hat als Überschrift über das Leben und Wirken Jesu ein Wort aus Psalm 40 gestellt: „Schlacht- und Speiseopfer hast du nicht gewollt; aber einen Leib hast du mir bereitet“ (Hebr 10, 5). An die Stelle der Schlacht- und Speiseopfer tritt Christi Leib, tritt er selbst. Nur die „Liebe bis ans Ende“, nur die sich ganz für die Menschen an Gott verschenkende Liebe ist der wahre Kult, ist das wahre Opfer. Anbeten im Geist und in der Wahrheit bedeutet Anbeten in der Gemeinschaft mit ihm, der die Wahrheit ist; anbeten in der Gemeinschaft mit seinem Leib, zu dem uns der Heilige Geist zusammenführt.
(Benedikit XI., 16.3.2008, Palmsonntag, Weltjugendtag()

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