„Wenn ich also“, sagt er, „euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt auch ihr einander die Füße waschen. Denn ich habe euch ein Beispiel gegeben, daß, wie ich euch getan habe, auch ihr tuet.“
Das ist es, seliger Petrus, was du nicht wußtest, als du es nicht geschehen ließest. Das solltest du „nachher“ erfahren, wie dir dein Meister und Herr versprach, da er dich, damit du es zuließest, bei deiner Fußwaschung schreckte. Wir haben, Brüder, Demut von dem Erhabenen gelernt; tun wir einander in aller Demut, was der Erhabene demütig getan hat. Groß ist diese Anempfehlung der Demut, und es tun dies die Brüder einander auch in sichtbaren Werken, wenn sie sich gegenseitig Gastfreundschaft gewähren; es besteht ja bei sehr vielen die Übung dieser Verdemütigung, bis zu der Handlung, worin man sie ausgedrückt sehen kann. Daher sprach der Apostel, als er die wohlverdiente Witwe empfahl: „Wenn sie gastliche Aufnahme gewährte, wenn sie die Füße der Heiligen wusch“1. Und wo immer bei den Heiligen diese Gewohnheit nicht herrscht, tun sie, was sie mit der Hand nicht vollbringen, mit dem Herzen, wenn sie unter der Zahl derjenigen sich befinden, zu denen im Loblied auf die seligen drei Jünglinge gesagt wird: „Preiset, ihr Heiligen und Demütigen von Herzen, den Herrn“2. Es ist aber viel besser und ohne Widerrede wahrer, wenn es auch mit den Händen geschieht, und der Christ es nicht unter seiner Würde hält zu tun, was Christus getan hat. Denn wenn zu den Füßen des Bruders der Leib sich neigt, so wird auch im Herzen selbst der Affekt der Demut entweder hervorgerufen oder, wenn er schon da war, bestärkt.
.... erinnern wir uns, daß wir die Erhabenheit dieser Handlung des Herrn so erklärt haben, durch das Waschen der Füße der schon gewaschenen und reinen Jünger habe der Herr wegen der menschlichen Neigungen, mit denen wir auf Erden leben, angedeutet, daß wir trotz allen Fortschritts in der Ergreifung der Gerechtigkeit wissen sollen, wir seien nicht ohne Sünde. Diese wäscht er sogleich ab durch seine Fürbitte für uns, indem wir den Vater bitten, der im Himmel ist, daß er uns unsere Schulden vergebe, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern1. Wie nun hängt mit dieser Auffassung zusammen, was er nachher lehrte, wo er den Grund seiner Handlung angab mit den Worten: „Wenn nun ich, der Herr und Meister, eure Füße gewaschen habe, so sollt auch ihr einander die Füße waschen. Denn ich habe euch ein Beispiel gegeben, daß ihr, wie ich euch getan habe, so auch ihr tut“? Können wir etwa sagen, daß auch ein Bruder den andern von der Befleckung der Sünde wird reinigen können? Ja sogar eine Aufforderung dazu sollen wir in der Erhabenheit dieser Handlung des Herrn erblicken, daß wir unsere Sünden einander bekennen und für einander beten sollen, wie auch Christus für uns bittet. Hören wir den Apostel Jakobus, der dies ganz klar vorschreibt und sagt: „Bekennet einander eure Sünden und betet für einander“. Denn auch hierzu gab uns der Herr ein Beispiel. Wenn nämlich er, der eine Sünde weder hat noch hatte noch haben wird, für unsere Sünden bittet, um wieviel mehr müssen wir gegenseitig für die unserigen bitten! Und wenn er uns vergibt, dem wir nichts zu vergeben haben, um wieviel mehr müssen wir einander vergeben, die wir hier ohne Sünde nicht leben können? Denn was gibt wohl der Herr durch dieses bedeutsame Geheimnis zu verstehen, wenn er sagt: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, daß, wie ich euch getan habe, so auch ihr tut“, als eben dies, was der Apostel ganz deutlich sagt: „Vergebet einander, wenn einer gegen jemand eine Klage hat; wie der Herr euch vergeben hat, so auch ihr!“ Vergeben wir uns also gegenseitig unsere Sünden und beten wir gegenseitig für unsere Sünden, und so mögen wir dann gewissermaßen einander unsere Füße waschen. An uns ist es, mit seiner Hilfe den Dienst der Liebe und Demut zu leisten; an ihm ist es, zu erhören und uns von aller Ansteckung der Sünde zu reinigen durch Christus und in Christus, damit, was wir andern auch vergeben d. h. auf Erden lösen, im Himmel gelöst werde.
(Augustinus, Kommentar zum Johannesevangelium)
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