Kathedrale von Bourges, Jesu Gang in die Unterwelt |
Epiphanius (+ 535) zugeschrieben
Aus einer Homilie am großen und heiligen Sabbat.
Der Abstieg des Herrn in die Welt des Todes
Was ist das? Tiefes Schweigen herrscht heute auf der Erde, tiefes
Schweigen und Einsamkeit. Tiefes Schweigen, weil der König ruht.
„Furcht packt die Erde, und sie verstummt“ (1), weil Gott ― als Mensch ―
in Schlaf gesunken ist und Menschen auferweckt hat, die seit
unvordenklicher Zeit schlafen. Gott ist - als Mensch - gestorben, und
die Unterwelt erbebt. Gott ist für kurze Zeit in Schlaf gesunken und hat
die in der Welt des Todes auferweckt (2). Er geht auf die Suche nach
dem erstgeschaffenen Menschen wie nach dem verlorenen Schaf (3).
Besuchen will er, „die völlig in Finsternis sitzen und im Schatten des
Todes“ (4). Er kommt, um den gefangenen Adam und die mitgefangene Eva
von ihren Schmerzen zu erlösen, er, zugleich Gott und der Eva Sohn (5).
Er faßt Adam bei der Hand, hebt ihn auf und spricht: „Wach auf,
Schläfer, und steh auf von den Toten, und Christus wird dein Licht
sein!“ (6) Ich habe dich nicht geschaffen, damit du im Gefängnis der
Unterwelt festgehalten wirst. „Steh auf von den Toten!“ Ich bin das
Leben der Toten. Steh auf, mein Geschöpf, steh auf, meine Gestalt, nach
meinem Abbild geschaffen! Erhebe dich, laß uns weggehen von hier! Du
bist in mir und ich in dir (7), wir sind eine unteilbare Person.
Deinetwegen wurde ich dein Sohn, ich, dein Gott. Für dich nahm ich, der
Herr, deine Knechtsgestalt an. Für dich kam ich auf die Erde und unter
die Erde, ich, der über den Himmeln thront. Für dich, den Menschen, bin
ich ein Mensch geworden „ohne Hilfe, frei unter den Toten“ (8). Du
wurdest vom Garten ausgestoßen, ich wurde vom Garten aus den Juden
überliefert und in einem Garten begraben. Sieh den Speichel in meinem
Gesicht! Deinetwegen ließ ich es geschehen, um dir den Anhauch des
Ursprungs wiederzugeben (9). Sieh die Backenstreiche, die ich empfing,
um deine verderbte Gestalt nach meinem Bild wiederherzustellen.
Sieh die Spur der Geißelhiebe auf meinem Rücken, die ich mir gefallen
ließ, um deine Sünden zu vernichten, die auf deinem Rücken lasten. Sieh
meine Hände, die so glückverheißend mit Nägeln an das Kreuz geheftet
sind, deinetwegen: denn du strecktest (einst) zu deinem Unglück deine
Hände aus nach dem Holz. Ich entschlief am Kreuz, und die Lanze
durchbohrte meine Seite, für dich, denn im Paradies fielst du in Schlaf
und brachtest aus deiner Seite Eva hervor. Meine Seite heilte die Wunden
deiner Seite. Mein Schlaf wird dich aus dem Schlaf der Totenwelt
herausführen.
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