Kehren wir zum Weihnachtsevangelium zurück. Es
erzählt uns, daß die Hirten, nachdem sie die Botschaft des Engels vernommen
hatten, zueinander sagten: „'Kommt, wir gehen nach Betlehem' … So eilten sie
hin“ (Lk 2, 15f). Ja, sie eilten. Was ihnen da verkündet worden war, war
so wichtig, daß sie sofort gehen mußten. In der Tat, was ihnen da gesagt wurde,
ging über alles Gewöhnliche hinaus. Es veränderte die Welt. Der Erlöser ist
geboren. Der erwartete Sohn Davids ist in seiner Stadt zur Welt gekommen. Was konnte
es Wichtigeres geben? Gewiß, auch die Neugier trieb sie, aber doch vor allem
die Erregung über das Große, das gerade ihnen, den Kleinen und scheinbar
unwichtigen Menschen, gesagt worden war. Sie eilten – ohne Aufschub.
In unserem
durchschnittlichen Leben ist es nicht so. Die Dinge Gottes erscheinen den
meisten Menschen nicht vordringlich, sie bedrängen uns nicht unmittelbar. Und
so sind wir, die Allermeisten, gern bereit, sie zu verschieben. Zuerst tut man
das jetzt und hier Vordringliche. In der Liste der Prioritäten steht Gott
häufig so ziemlich an letzter Stelle. Das kann man immer noch tun, so meint
man. Das Evangelium sagt uns: Gott hat höchste Priorität. Wenn irgend etwas in
unserem Leben Eile ohne Aufschub verdient, dann allein die Sache Gottes. Ein
Grundsatz der Regel des heiligen Benedikt lautet: „Dem Werk Gottes (das heißt
dem Gottesdienst) darf nichts vorgezogen werden.“ Der Gottesdienst ist für die
Mönche die erste Priorität. Alles andere kommt danach. In seinem Kern gilt
dieser Satz aber für jeden Menschen. Gott ist wichtig, das Wichtigste in
unserem Leben überhaupt. Diese Priorität lehren uns die Hirten. Von ihnen
wollen wir lernen, uns von all den bedrängenden Dingen des Alltags nicht
erdrücken zu lassen. Von ihnen wollen wir die innere Freiheit lernen, anderes
noch so Wichtiges zurückzustellen, um uns aufzumachen zu Gott, ihn einzulassen
in unser Leben und in unsere Zeit. Zeit, die wir für Gott und von ihm her für
den Nächsten verwenden, ist nie verlorene Zeit. Es ist die Zeit, in der wir eigentlich
leben, in der wir das Menschsein selbst leben.
(Benedikt XVI., Christmette 2009)
Anbetung der Hirten, Southwark Cathedral, London |
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