Thomas und der Auferstandene, Saint Gatien, Tours |
HL. Gregor der Große (+ 604)
Aus einer Homilie zu den Evangelien .
Mein Herr und mein Gott
„Thomas, genannt Didymus (Zwilling), einer der
Zwölf, war nicht bei ihnen als Jesus kam.“1 Dieser eine Jünger
fehlte. Als er zurückkehrte, hörte er, was geschehen war, wollte das Gehörte
aber nicht glauben. Da kam Jesus noch einmal und ließ den ungläubigen Jünger
die Seite berühren, zeigte ihm die Hände und heilte durch den Anblick der Male
die Wunde seines Unglaubens. Liebe Brüder, was fällt euch dabei auf? Haltet ihr
es für einen Zufall, dass dieser erwählte Jünger damals nicht dabei war, dann
aber kam und hörte, hörte und zweifelte, zweifelte und betastete, betastete und
glaubte?
Das geschah nicht durch Zufall, sondern durch
Fügung Gottes. Denn seine Milde bewirkte in wunderbarer Weise, dass dieser
zweifelnde Jünger in uns die Wunden des Unglaubens heilte, als er die Wunden am
Leib des Meisters berührte. Mehr nützt uns der Unglaube des Thomas zum Glauben
als der Glaube der glaubenden Jünger. Denn indem Thomas durch das Betasten zum
Glauben zurückgeführt wird, lässt unser Geist jeden Zweifel fallen und wird im
Glauben gefestigt. So wurde jener Jünger zweifelnd und bestastend Zeuge der
wirklichen Auferstehung. Er betastete und rief.
„Mein Herr und mein Gott! Jesus
sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, Thomas, glaubst du.“2 Aber
Paulus sagte doch: „Glauben aber ist: Feststehen in dem, was man erhofft,
Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht“3, sicherlich
deswegen, weil der Glaube eine Überzeugung von Wirklichkeiten ist, die nicht
sichtbar sein können. Was wir sehen, das glauben wir nicht, sondern das kennen
wir. Thomas sieht und berührt. Warum wird dann von ihm gesagt: „Weil du mich
gesehen hast, glaubst du“? Nun, was er sah, war etwas anderes als das, was er
glaubte. Der sterbliche Mensch konnte Gott nicht sehen. Er sah den Menschen,
aber er bekannte Gott: „Mein Herr und mein Gott!“ Im Sehen glaubte er; als er
den wirklichen Menschen sah, bekannte er in seinem Ausruf den Gott, den er
nicht sehen konnte.
Große Freude schafft, was nun folgt: „Selig sind,
die nicht sehen und doch glauben!“4 In diesem Ausspruch sind ohne
Zweifel zunächst wir gemeint, die wir Gott nicht gesehen haben, aber im Herzen
bewahren. Wir sind in dem Sinn gemeint, dass unserem Glauben die Taten folgen
sollen. Denn der glaubt im Vollsinn, der in der Tat ausübt, was er glaubt.
Paulus aber sagt von denen, die den Glauben nur mit dem Mund bekennen: „Sie
beteuern, Gott zu kennen, durch ihr Tun aber verleugnen sie ihn.“5
Darum schreibt Jakobus: „Der Glaube ohne Werke ist nutzlos.“6
(1) Joh 20,24. (2) Joh 20,23.24. (3) Hebr 11,1. (4)
Joh 20,29. (5) Tit 1,16. (6) Jak 2,20.
Thomas will die Wunden des Herrn berühren
(Wadowice, Notre Dame de Paris, Domingo de Silos, Jesus College - Cambridge, Kunsthistorisches Museum-Wien)
ganz links: Thomas und Stephanusfenster, Kathedrale von Tours |
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen