links: Hl. Benedikt, rechts: Hl. Bernhard |
Am 10. September 2007 sprach Papst Benedikt XVI. in der Stiftskirche des Zisterzienserklosters Heiligenkreuz über den Vorrang des Gebetslebens, über Liturgie und Theologie:
Hochwürdigster Herr Abt,
verehrte Brüder im Bischofsamt,
liebe Zisterziensermönche von Heiligenkreuz,
liebe gottgeweihte Brüder und Schwestern,
sehr geehrte Gäste und Freunde des Stiftes und der Hochschule,
meine Damen und Herren!
verehrte Brüder im Bischofsamt,
liebe Zisterziensermönche von Heiligenkreuz,
liebe gottgeweihte Brüder und Schwestern,
sehr geehrte Gäste und Freunde des Stiftes und der Hochschule,
meine Damen und Herren!
In einem Kloster benediktinischer Prägung hat daher das Gotteslob, das die Mönche als feierliches Chorgebet halten, immer den Vorrang. Gewiß – und Gott sei Dank! –, die Mönche sind nicht die einzigen, die beten; auch andere Menschen beten: Kinder, Jugendliche und alte Menschen, Männer und Frauen, Verheiratete und Alleinstehende – jeder Christ betet, oder er sollte es zumindest tun.
Im Leben der Mönche hat freilich das Gebet eine besondere Stellung: Es ist die Mitte ihres Berufes. Sie sind von Beruf Betende. In der Väterzeit wurde das Mönchsleben als Leben nach der Weise der Engel bezeichnet. Und als das Wesentliche der Engel sah man es an, daß sie Anbetende sind. Ihr Leben ist Anbetung. So sollte es auch bei den Mönchen sein. Sie beten zuallererst nicht um dies oder jenes, sondern sie beten einfach deshalb, weil Gott es wert ist, angebetet zu werden. „Confitemini Domino, quoniam bonus! Danket dem Herrn, denn er ist gütig! Denn seine Huld währt ewig", rufen viele Psalmen (z. B. 106,1).
Ein solches zweckfreies Gebet, das reiner Gottesdienst sein will, wird daher mit Recht „Officium" genannt. Es ist der „Dienst", der „heilige Dienst" der Mönche. Er gilt dem dreifaltigen Gott, der über alles würdig ist, „Herrlichkeit zu empfangen und Ehre und Macht" (Offb 4,11), da er die Welt wunderbar erschaffen und noch wunderbarer erneuert hat.
Zugleich ist das Officium der Gottgeweihten auch ein heiliger Dienst an den Menschen und ein Zeugnis für sie. Jeder Mensch trägt im Innersten seines Herzens die Sehnsucht nach der letzten Erfüllung, nach dem höchsten Glück, also letztlich nach Gott, sei es bewußt oder unbewußt. Ein Kloster, in dem sich die Gemeinschaft täglich mehrmals zum Gotteslob versammelt, bezeugt, daß diese urmenschliche Sehnsucht nicht ins Leere geht. Gott, der Schöpfer, hat uns Menschen nicht in eine beängstigende Finsternis gesetzt, wo wir verzweifelt den letzten Sinngrund suchen und ertasten müßten (vgl. Apg 17,27); Gott hat uns nicht in einer sinnleeren Wüste des Nichts ausgesetzt, wo letztens nur der Tod auf uns wartet. Nein! Gott hat unsere Dunkelheit durch sein Licht hell gemacht, durch seinen Sohn Jesus Christus. In ihm ist Gott mit seiner ganzen „Fülle" in unsere Welt eingebrochen (Kol 1,19), in ihm hat alle Wahrheit, nach der wir uns sehnen, ihren Ursprung und ihren Gipfelpunkt.
Unser Licht, unsere Wahrheit,
unser Ziel, unsere Erfüllung, unser Leben – all das ist nicht eine religiöse
Lehre, sondern eine Person: Jesus Christus. Noch viel mehr
als wir Menschen Gott je suchen und ersehnen können, sind wir schon zuvor von
ihm gesucht und ersehnt, ja gefunden und erlöst! Der Blick der Menschen aller
Zeiten und Völker, aller Philosophien, Religionen und Kulturen trifft zuletzt
auf die weit geöffneten Augen des gekreuzigten und auferstandenen Sohnes
Gottes; sein geöffnetes Herz ist die Fülle der Liebe. Die Augen Christi sind
der Blick des liebenden Gottes. Das Kreuzesbild über dem Altar, dessen
romanisches Original sich im Dom von Sarzano befindet, zeigt, daß dieser Blick
einem jeden Menschen gilt. Denn der Herr schaut jedem von uns ins Herz.
Kern des Mönchtums ist die
Anbetung – das Sein nach der Weise der Engel. Weil aber die Mönche Menschen mit
Fleisch und Blut auf dieser unserer Erde sind, hat der heilige Benedikt dem
zentralen Imperativ des „Ora" doch einen zweiten hinzugefügt: das
„Labora". Zum Mönchsleben gehört in der Konzeption des heiligen
Benedikt wie des heiligen Bernhard mit dem Gebet die Arbeit, die Gestaltung der
Erde gemäß dem Willen des Schöpfers. So haben die Mönche in allen Jahrhunderten
von ihrem Blick auf Gott her die Erde lebbar und schön gemacht. Bewahrung und
Heilung der Schöpfung kam gerade aus ihrem Hinschauen auf Gott. Im Rhythmus von
ora et labora legt die Gemeinschaft der Gottgeweihten Zeugnis ab für
den Gott, der uns in Jesus Christus ansieht und von dem angeblickt Mensch und
Welt recht werden.
Nicht nur die Mönche beten das Officium,
sondern die Kirche hat für alle Ordensleute, aber auch für die Priester und
Diakone, aus der Mönchstradition das Breviergebet abgeleitet. Auch hier gilt,
daß die Ordensfrauen und Ordensmänner, die Priester und Diakone – und natürlich
auch die Bischöfe – im täglichen „offiziellen" Gebet mit Hymnen und
Psalmen, mit Dank und Bitte zweckfrei hintreten vor Gott.
Liebe Mitbrüder im priesterlichen und diakonalen Dienst, liebe Brüder und Schwestern im gottgeweihten Stand! Ich weiß, daß es Disziplin braucht, ja mitunter Überwindung kostet, treu das Brevier zu beten; doch durch dieses Officium werden wir zugleich reich beschenkt: Wie oft fallen dabei wie von selbst Erschöpfung und Bedrückung von uns ab! Und wo Gott treu gelobt und angebetet wird, da bleibt sein Segen nicht aus. In Österreich sagt man mit Recht: „An Gottes Segen ist alles gelegen!"
Euer erster Dienst für diese Welt
muß daher Euer Gebet und die Feier des Gottesdienstes sein. Die Gesinnung eines
jeden Priesters, eines jeden gottgeweihten Menschen muß es sein, „dem
Gottesdienst nichts vorzuziehen". Die Schönheit einer solchen Gesinnung
wird sich in der Schönheit der Liturgie ausdrücken, sodaß dort, wo wir
miteinander singen, Gott preisen, feiern und anbeten, ein Stück Himmel auf
Erden anwesend wird. Es ist wirklich nicht vermessen, wenn man in einer auf
Gott hin konzentrierten Liturgie, in den Riten und Gesängen, ein Abbild des
Ewigen sieht. Wie sonst hätten unsere Vorfahren vor Hunderten von Jahren einen
so erhabenen Kirchenraum schaffen können wie diesen?! Hier zieht schon die
nüchterne Architektur all unsere Sinne hinauf zu dem, „was kein Auge gesehen
und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist: das
Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben" (1 Kor 2,9).
Bei allem Bemühen um die Liturgie muß der Blick auf Gott maßgebend sein. Wir
stehen vor Gott – er spricht mit uns, wir mit ihm. Wo immer man bei
liturgischen Besinnungen nur darüber nachdenkt, wie man Liturgie attraktiv,
interessant, schön machen kann, ist Liturgie schon verfallen. Entweder ist sie opus
Dei mit Gott als dem eigentlichen Subjekt oder sie ist nicht. Ich bitte an
dieser Stelle: Gestaltet die heilige Liturgie aus dem Hinschauen auf Gott in
der Gemeinschaft der Heiligen, der lebendigen Kirche aller Orte und Zeiten so,
daß sie zu einem Ausdruck der Schönheit und Erhabenheit des
menschenfreundlichen Gottes wird!
Die Seele des Gebetes ist schließlich der Heilige Geist. Immer, wenn wir beten, ist in Wirklichkeit er es, der „sich unserer Schwachheit annimmt, der für uns eintritt mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können" (vgl. Röm 8,26). Im Vertrauen auf dieses Wort des Apostels Paulus versichere ich Euch, liebe Brüder und Schwestern, daß das Gebet in Euch jene Wirkung hervorbringen wird, die man früher ausgedrückt hat, indem man Priester und Gottgeweihte schlicht und einfach „Geistliche" genannt hat. Bischof Sailer von Regensburg hat einmal gesagt, die Priester müßten vor allem geistlich-Geistliche sein. Ich fände es schön, wenn der Ausdruck „Geistliche" wieder vermehrt in Gebrauch käme. Wichtig aber ist vor allem, daß sich jene Wirklichkeit an uns ereignet, die das Wort beschreibt: daß wir in der Nachfolge des Herrn durch die Kraft des Geistes zu „geistlichen" Menschen werden.
Österreich ist, wie man
doppelsinnig sagt, wahrhaft „Klösterreich". Eure uralten Stifte mit
Ursprüngen und Traditionen, die über Jahrhunderte reichen, sind Orte der
„Präferenz für Gott". Liebe Mitbrüder, macht diesen Vorrang Gottes den
Menschen deutlich sichtbar! Als geistliche Oase zeigt ein Kloster der heutigen
Welt das Allerwichtigste, ja das letztlich allein Entscheidende: daß es einen
letzten Grund gibt, um dessentwillen es sich zu leben lohnt: Gott und seine
unergründliche Liebe.
Und Euch, liebe Gläubige, bitte
ich: Nehmt Eure Stifte und Klöster als das wahr, was sie sind und immer sein
wollen: nicht nur Kultur- und Traditionsträger oder gar bloße Wirtschaftsbetriebe.
Struktur, Organisation und Ökonomie sind auch in der Kirche notwendig, aber sie
sind nicht das Wesentliche. Ein Kloster ist vor allem eines: ein Ort der
geistlichen Kraft. Wenn man zu einem Eurer Klöster hier in Österreich kommt,
empfindet man dasselbe, wie wenn man nach einer schweißtreibenden Wanderung in
den Alpen sich endlich an einem klaren Quellbach erfrischen kann… Nützt also
diese Quellen der Nähe Gottes in Eurem Land, schätzt die Ordensgemeinschaften,
Klöster und Stifte und nehmt den geistlichen Dienst in Anspruch, den die
Gottgeweihten für Euch zu leisten bereit sind!
Ausbau der Hochschule |
Mein Besuch gilt schließlich der
nunmehr Päpstlichen Hochschule, die im 205. Jahr ihrer Gründung steht und der
vom Herrn Abt in ihrem neuen Status der Name des derzeitigen Petrusnachfolgers
beigefügt wurde. So wichtig die Integration der theologischen Disziplin in die „universitas"
des Wissens durch die Katholisch-Theologischen Fakultäten an den staatlichen
Universitäten ist, ist es doch ebenso wichtig, daß es so profilierte
Studienorte wie den Euren gibt, wo eine vertiefte Verbindung von
wissenschaftlicher Theologie und gelebter Spiritualität möglich ist. Gott ist
ja nie bloß Objekt der Theologie, er ist immer zugleich ihr lebendiges Subjekt.
Christliche Theologie ist auch nie eine bloß menschenförmige Rede über Gott,
sondern sie ist immer zugleich der Logos und die Logik, in der Gott
sich zeigt. Darum sind wissenschaftliche Intellektualität und gelebte
Frömmigkeit zwei Elemente des Studiums, die in unaufgebbarer Komplementarität
aufeinander angewiesen sind.
Hl. Bernhard, Stiftskirche |
Der Ordensvater der Zisterzienser, der heilige Bernhard, hat zu seiner Zeit gegen die Loslösung einer objektivierenden Rationalität vom Strom der kirchlichen Frömmigkeit gekämpft. Unsere Situation heute ist anders und doch sehr ähnlich. Bei dem Mühen um die Zuerkennung strenger Wissenschaftlichkeit im modernen Sinn kann der Theologie der Atem des Glaubens ausgehen. Aber so wie Liturgie, die den Blick auf Gott vergißt, als Liturgie am Ende ist, so hört auch eine Theologie, die nicht mehr im Raum des Glaubens atmet, auf, Theologie zu sein; eine Reihe mehr oder weniger zusammenhängender Disziplinen bliebe übrig. Wo aber eine „kniende Theologie" getrieben wird, wie sie Hans Urs von Balthasar gefordert hat, da wird die Fruchtbarkeit für die Kirche in Österreich und darüber hinaus nicht fehlen.
Hl. Bernhard, Innenhof |
Diese Fruchtbarkeit zeigt sich in
der Förderung und Ausbildung von Menschen, die eine geistliche Berufung in sich
tragen. Damit eine Berufung zum Priestertum oder zum Ordensstand heute das
ganze Leben lang treu durchgehalten werden kann, bedarf es einer Ausbildung,
die Glauben und Vernunft, Herz und Verstand, Leben und Denken integriert. Ein
Leben in der Nachfolge Christi bedarf der Integration der gesamten
Persönlichkeit. Wo die intellektuelle Dimension vernachlässigt wird, entsteht
allzu leicht ein frömmlerisches Schwärmertum, das fast ausschließlich von
Emotionen und Stimmungen lebt, die nicht das ganze Leben durchgetragen werden
können. Und wo die spirituelle Dimension vernachlässigt wird, entsteht ein
dünner Rationalismus, der aus seiner Kühle und Distanziertheit nie zu einer
begeisterten Hingabe an Gott durchbrechen kann. Man kann ein Leben in der
Nachfolge Christi nicht auf solche Einseitigkeiten gründen; man würde mit diesen
Halbheiten selbst unglücklich werden und wohl folglich auch geistlich
unfruchtbar bleiben. Jede Berufung zum Ordensstand und zum Priestertum ist ein
so wertvoller Schatz, daß die Verantwortlichen alles tun müssen, um die
adäquaten Wege der Ausbildung zu finden, so daß zugleich fides et ratio
– Glaube und Vernunft, Herz und Hirn gefördert werden.
Der heilige Leopold von
Österreich hat – wir hörten es eben – 1133 auf Anraten seines Sohnes, des
seligen Bischofs Otto von Freising, der mein Vorgänger auf dem Bischofssitz von
Freising war, Euer Kloster gestiftet (in Freising feiert man heute das Fest des
seligen Otto) und er (Leopold) hat dem Kloster den Namen gegeben: „Unsere Liebe
Frau zum Heiligen Kreuz". Dieses Kloster ist nicht nur traditionell der Gottesmutter
geweiht – wie alle Zisterzienserklöster –, sondern bei Euch glüht das
marianische Feuer eines heiligen Bernhard von Clairvaux. Bernhard, der mit 30
Gefährten ins Kloster eingetreten war, ist eine Art Patron der geistlichen
Berufe. Vielleicht wirkte er deshalb so mitreißend und mutgebend auf viele
berufene junge Männer und Frauen seiner Zeit, weil er so marianisch war. Wo
Maria ist, da ist das Urbild der Ganzhingabe und der Christusnachfolge. Wo
Maria ist, da ist das pfingstliche Wehen des Heiligen Geistes, da ist Aufbruch
und authentische Erneuerung.
Krönung Marias, Pestsäule, Heiligenkreuz |
Von diesem marianischen Ort an
der Via Sacra aus wünsche ich allen geistlichen Orten in Österreich
Fruchtbarkeit und Strahlkraft. Hier möchte ich, wie schon in Mariazell, vor
meinem Abschied nochmals die Gottesmutter um ihre Fürsprache für ganz
Österreich bitten.
Mit den Worten des heiligen Bernhard lade ich einen
jeden ein, vor Maria so vertrauensvoll „Kind" zu werden, wie Gottes Sohn
selbst es getan hat. Der heilige Bernhard sagt, und wir sagen es mit ihm:
„Mitten in Gefahren, Nöten und Unsicherheiten
denke an Maria, rufe Maria an.
Ihr Name weiche nicht aus deinem Mund,
weiche nicht aus deinem Herzen …
Folge
ihr, dann wirst du dich nicht verirren,
rufe sie an, dann kannst du nicht
verzweifeln,
denk an sie, dann irrst du nicht.
Hält sie dich fest, kannst du
nicht fallen;
schützt sie dich, dann fürchte nichts;
führt sie dich, wirst du
nicht müde;
ist sie dir gnädig, dann kommst du sicher ans Ziel."
Pfarrkirche Heiligenkreuz |
Großartig. Danke.
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