da ich keinen Mann erkenne? (Lukas 1,34) |
Was nun das Zeugnis für die Jungfräulichkeit Marias im Lukasevangelium angeht, so ist es Maria selbst, die in der für das Marienbild des Neuen Testamentes in vieler Hinsicht bedeutsamen Verkündigungsszene ihre Jungfräulichkeit behauptet, wie das in der Frage geschieht: "Wie wird dies geschehen, da ich keinen Mann erkenne?" (Lk 1,34)
Dieses erste biblische Marienwort, das dem genauen geschichtlichen und psychologischen Verständnis manche Schwierigkeit bereitet, läßt doch soviel deutlich werden, daß die mit Joseph Verlobte noch nicht heimgeführt ist und sich deshalb eine baldige Erfüllung des göttlichen Willens nicht vorstellen kann. So verstanden, spräche Maria hier nur von ihrem gegenwärtigen jungfräulichen Stand.
Aber im Zusammenhang mit der Erklärung des Engels über die wunderbare Empfängnis betrachtet, die aus Heiligem Geist geschehen und im "Überschatten" durch die Kraft des Höchsten erfolgen wird, geschieht hier doch eine Bekundung der jungfräulichen Empfängnis des Gottessohnes aus dem Munde Marias selbst, die damit zugleich diese ihre Berufung bejaht und annimmt.
In diesem Sinn bezieht auch der Evangelist das Wort Marias in seine Darstellung ein, der es schließlich um nichts anderes geht als um die schon von Matthäus festgestellte jungfräuliche Empfängnis zu einem Zeitpunkt, "als Maria mit Joseph verlobt war, bevor sie zusammenkamen." (Mt 1,18).
Man hat freilich (nicht ohne Berechtigung) immer wieder gefragt, ob in diesem Marienwort nicht mehr enthalten sei als nur das Bekenntnis zur jungfräulichen Empfängnis des Messias und ob darin nicht auch ein Vorsatz zur Jungfräulichkeit oder gar ein Gelübde von seiten Marias eingeschlossen sei. Aus dem Wortlaut des Textes läßt sich diese Annahme freilich nicht zwingend ableiten.
Man führt gegen sie auch ins Feld, daß ein Jungfräulichkeitsvorhaben nicht zum Ehewillen Marias wie zu den geltenden jüdischen Vorstellungen über Ehe und Familie gepaßt hätte. Aber man sollte bei dieser Frage bedenken, daß die Nichtannahme eines förmlichen Vorhabens oder Gelübdes die Größe und Bedeutung der von diesem Zeitpunkt an von Maria gewählten Jungfräulichkeit nicht schmälern würde.
Auch so bliebe sie die erste Repräsentantin einer um Christi wilen gewählten neuen Lebensform, die erst in der neuen Heilszeit in ihren vollen Bedeutung aufging (Guardini).
Das alles wäre zu bedenken und zu erwägen, ohne daß man die andere Annahme als völlig willkürlich bezeichnen dürfte, die etwa sagt: "Es ist keine Willkür, bei einer Auserwählten wie dieser auch eine innere Sonderführung anzunehmen" (Köster).
(Leo Kardinal Scheffczyk, Maria, Mutter und Gefährtin Christi, 34f)
Verkündigung an Maria, Mosaik aus dem 6. Jh., Euphrasius-Basilika, Porec |
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