Montag, 25. Januar 2021

Pauli Bekehrung - ein Werk der Gnade Christi

 

Bekehrung Pauli, Kathedrale von Ely

 

Die Bedeutung dieser geheimnisvollen Verwandlung, von der die zweite kurze Lesung heute abend spricht, zeigt sich auf wunderbare Weise in der persönlichen Geschichte des hl. Paulus. Infolge des außergewöhnlichen Geschehens, das ihm auf der Straße nach Damaskus widerfahren war, wurde Saulus, der sich durch den Eifer hervortat, mit dem er die im Entstehen begriffene Kirche verfolgte, in einen unermüdlichen Apostel des Evangeliums Jesu Christi verwandelt. In der Geschichte dieses außergewöhnlichen Glaubensverkündigers wird klar, daß diese Verwandlung nicht das Ergebnis eines langen inneren Nachdenkens und nicht einmal Frucht eines persönlichen Bemühens war. Sie ist vor allem Werk der Gnade Gottes, der gemäß seinen unerforschlichen Wegen gehandelt hat. Deshalb sagt Paulus, als er einige Jahre nach seiner Bekehrung an die Gemeinde in Korinth schreibt, wie wir in der ersten Lesung dieser Vesper gehört haben: »Doch durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin, und sein gnädiges Handeln an mir ist nicht ohne Wirkung geblieben« (1 Kor 15,10). Wenn man sich also die Geschichte des hl. Paulus aufmerksam ansieht, begreift man, daß sich die Verwandlung, die er in seinem Dasein erfahren hat, weder auf die sittliche Ebene – wie etwa die von der Unsittlichkeit zur Sittlichkeit – noch auf die verstandesmäßige Ebene – wie etwa die Änderung des eigenen Verständnisses der Wirklichkeit – beschränkt, sondern daß es sich tatsächlich um eine radikale Erneuerung des eigenen Seins handelt, die in vieler Hinsicht einer Neugeburt ähnlich ist. Ihre Grundlage findet eine solche Verwandlung in der Teilhabe am Geheimnis des Todes und der Auferstehung Jesu Christi und zeichnet sich als ein stufenweiser Weg der Gleichgestaltung mit ihm ab. Im Licht dieses Bewußtseins wird der hl. Paulus, als er später dazu aufgerufen ist, die Rechtmäßigkeit seiner apostolischen Berufung und des von ihm verkündeten Evangeliums zu verteidigen, sagen: »Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Soweit ich aber jetzt noch in dieser Welt lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat« (Gal 2,20).

Die vom hl. Paulus persönlich erlebte Erfahrung läßt ihn mit begründeter Hoffnung die Erfüllung dieses Mysteriums der Verwandlung erwarten, das allen, die an Jesus Christus glauben, und auch der ganzen Menschheit und der ganzen Schöpfung zuteil werden wird. In der kurzen zweiten Lesung, die heute abend verkündet wurde, beschreibt der hl. Paulus nach einer ausführlichen, mit den herkömmlichen Bildern aus der apokalyptischen Literatur seiner Zeit versehenen Darlegung, die in den Gläubigen die Hoffnung auf die Auferstehung stärken soll, in wenigen Zeilen den großen Tag des Endgerichts, an dem sich das Schicksal der Menschheit erfüllt: »Plötzlich, in einem Augenblick, beim letzten Posaunenschall [werden] die Toten zur Unvergänglichkeit auferweckt, wir aber werden verwandelt werden« (1 Kor 15,52). An jenem Tag werden alle Gläubigen Christus gleichgestaltet, und alles, was vergänglich ist, wird von seiner Herrlichkeit verwandelt werden: »Denn dieses Vergängliche«, so der hl. Paulus, »muß sich mit Unvergänglichkeit bekleiden und dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit« (1 Kor 15,53). Dann wird der Sieg Christi schließlich vollendet sein, weil, wie uns Paulus unter Hinweis auf die Erfüllung der alten Prophezeiungen der Schrift noch sagt, der Tod und mit ihm die Sünde, die ihn in die Welt kommen ließ, und das Gesetz, das die Sünde bestimmt, ohne uns die Kraft zu ihrer Überwindung zu geben, endgültig besiegt sein wird: »Verschlungen ist der Tod vom Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel? Der Stachel des Todes aber ist die Sünde, die Kraft der Sünde ist das Gesetz« (1 Kor 15,54–56). Der hl. Paulus sagt uns also, daß jeder Mensch durch die Taufe auf den Tod und die Auferstehung Christi am Siege dessen teilhat, der als Erster den Tod überwunden hat, indem er einen Weg der Verwandlung einschlägt, die sich schon jetzt in einer Erneuerung des Lebens äußert und ihre Vollendung am Ende der Zeiten erreichen wird. Sehr bezeichnend ist, daß der Abschnitt mit einem Dankwort schließt: »Gott aber sei Dank, der uns den Sieg geschenkt hat durch Jesus Christus, unseren Herrn« (1 Kor 15,57). Der Gesang des Sieges über den Tod verwandelt sich in einen Gesang an dessen Überwinder. Auch wir wollen heute bei der Feier des abendlichen Gotteslobes unsere Stimmen, unsere Sinne und unsere Herzen zu diesem Hymnus des Dankes für das vereinen, was die göttliche Gnade im Völkerapostel und für den wundervollen Heilsplan vollbracht hat, den Gottvater durch den Herrn Jesus Christus an uns erfüllt. Während wir unser Gebet zum Himmel richten, sind wir zuversichtlich, daß auch wir verwandelt und dem Bild Christi gleichgestaltet werden. Das gilt insbesondere in bezug auf das Gebet für die Einheit der Christen. Wenn wir nämlich inständig um das Geschenk der Einheit der Jünger Christi flehen, machen wir uns den Wunsch zu eigen, den Jesus Christus vor seinem Leiden und Tod in seinem Gebet an den Vater zum Ausdruck gebracht hat: »Alle sollen eins sein« (Joh 17,21). Aus diesem Grund ist das Gebet für die Einheit der Christen nichts anderes als die Teilnahme an der Verwirklichung des göttlichen Planes für die Kirche, und der engagierte Einsatz für die Wiederherstellung der Einheit ist für alle eine Verpflichtung und große Verantwortung.

(Benedikt XVI., ökumen. Vesper, 25.1.2012)

Ely Cathedral

Das Paulustor des Stephansdoms (Benedikt XVI., 25.1.2008)

Bekehrung Pauli in der St Paul´s Cathedral, London

Bekehrung Pauli - St. Paul vor den Mauern in Rom

Bekehrung Pauli - Unterstinkenbrunn

Bekehrung Pauli - Westminster Cathedral (Benedikt XVI., 25.1.2012)

Bekehrung und Berufung Pauli - St John´s College in Oxford  (Benedikt XVI., 25. Oktober 2006)

Bekehrung Pauli in Pöllau (Kanzel) Benedit XVI., Angelus 25.1.2009)

Bekehrung Pauli und Stephanus (St Paul vor den Mauern) Kardinal Schönborn, Katechese, 2.2.2003)

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