Berufung des Ignatius, anbetend betrachtet Ignatius den kreuztragenden Christus, Paul Troger |
1 Seele Christi, heilige mich.
2 Leib Christi, rette mich.
3 Blut Christi, tränke mich.
4 Wasser der Seite Christi, wasche mich.
5 Leiden Christi, stärke mich.
6 O guter Jesus, erhöre mich.
7 Birg in deinen Wunden mich.
8 Von dir lass nimmer scheiden mich.
9 Vor dem bösen Feind bewahre mich.
10 In meiner Todesstunde rufe mich,
11 Zu dir zu kommen heiße mich,
12 mit deinen Heiligen zu loben dich
13 in
deinem Reiche ewiglich. Amen.
Die Textgeschichte des Anima
Christi lässt sich nicht auf eine einzige, gesicherte Quelle zurückverfolgen; noch
weniger stammt der Text von Ignatius von Loyola selbst,2 auch wenn er es „von
Anfang an am Ende bestimmter Betrachtungen als Gebetsvorschlag für den
Exerzitanten“3 angefügt und ihm dadurch einen besonderen Rang verliehen hat. Mithin kann
das Anima Christi durchaus als eines seiner Lieblingsgebete bezeichnet
werden.
In jedem Fall scheint der
Gebetstext bereits seit dem Hochmittelalter im europäischen Raum mit Abwandlungen und
Erweiterungen überliefert worden zu sein.4 Die Anfänge dürften im 14.
Jahrhundert liegen, möglicherweise sogar früher:
So soll Papst Johannes XXII. (um
1244–1334) für das Beten des Anima Christi einen zeitlichen
Ablasses gewährt haben.5 Auch die Mystikerin Marguerite Ebner (1291–1351)
kannte das Gebet. Eine weitere Fassung des Anima Christi überliefert eine
Handschrift englischer Provenienz, die sich in die Zeit um 1370 datieren lässt.6
Dies
sind lediglich Hinweise, die die lange Tradition dieses Gebetes verdeutlichen
sollen. Fest steht jedenfalls: Wir haben es beim Anima Christi nicht nur mit
einem Jahrhunderte alten und weit verbreiteten, sondern auch mit einem vielfach variierten und
ergänzten Gebet zu tun.
(1) Anima
Christi, sanctifica me – Seele Christi, heilige mich
Der Ausdruck „anima Christi“
kommt wörtlich nirgends im Neuen Testament vor; allerdings finden sich in
den Passionsberichten des Markus, des Matthäus sowie im Johannes-Evangelium
indirekte Bezüge, wo Jesus über sich spricht und das Wort anima gebraucht:
Mk 14,34/Mt 26,38
tunc ait illis/
tristis est anima mea usque ad mortem
und er sagte zu
ihnen: Meine Seele ist zu Tode betrübt.
Joh 12,27 nunc anima mea
turbata est et quid dicam/ Pater
salvifica me ex hora hac
Jetzt ist meine Seele erschüttert.
Was soll ich sagen:
Vater, rette mich aus dieser Stunde?
Diese Bezüge verweisen den Beter
des Anima Christi von Anfang an auf das Leiden, Sterben und Auferstehen Jesu. Mit
den ersten beiden Worten des Gebetes begibt der Beter sich innerlich
hinein in das Erlösungsgeschehen und das Heilswerk Jesu Christi.10 Der Beter macht
sich auf den Weg der Passion, geht in Gedanken den Leidensweg mit. Und er bittet
darum, dass auch er durch dieses Erlösungs- und Heilsgeschehen geheiligt werde (sanctifica
me).
aus: B. Klinger, Anima Christi, aus: Geist und Leben 85/4 (2012), 358-375)
Am Grab des hl. Ignatius von Loyola in Rom
S. Francesco Saverio, Trient |