Verrat von Judas und Gefangennahme des Herrn, Todesangstbasilika, Jerusalem |
Aus Furcht vor dem Volke trachtete Judas, den
Herrn zu ergreifen, wenn er irgendwo allein wäre. Welch eine Torheit!
Wie hatte ihn doch die Geldgier so ganz verblendet! Er hatte oft
gesehen, wie Christus durch die Menge hindurchschritt, ohne dass man ihn
ergreifen konnte. So viele Beweise seiner Gottheit und Macht hatte
Jesus gegeben, und Judas hofft ihn zu fangen, und zwar trotz der vielen
drohenden und doch milden Worte, die er zu ihm gesprochen, um ihn von
seinen bösen
Plänen abzubringen.
Ja, selbst beim Abendmahle hatte der Herr diese
Sorge nicht vergessen; bis zum letzten Tage redete er mit ihm darüber.
Aber es fruchtete nichts bei ihm. Trotzdem ließ sich der Herr nicht
abhalten.
Diese Handlungsweise des Herrn
wollen auch wir beherzigen und wollen nichts unversucht lassen, um die
Sünder und Nachlässigen zu ermahnen, zu belehren, zu ermuntern,
anzuspornen, ihnen zu raten, selbst wenn wir nichts ausrichten sollten.
Auch Christus wußte ja voraus, dass der Verräter unverbesserlich war;
aber gleichwohl hört er nicht auf, das Seinige zu tun; er mahnt, droht,
spricht Wehe über ihn, aber niemals offen und vor anderen, sondern im
geheimen. Ja, im Augenblicke des Verrates läßt er sich von ihm sogar
küssen;allein auch das macht keinen Eindruck auf Judas.
Ein so großes
Laster ist die Geldgier. Sie machte Judas zum Verräter und Gottesräuber.
Höret es alle, ihr Habsüchtigen, die ihr an derselben Krankheit wie
Judas leidet; höret es und hütet euch vor dieser Leidenschaft. Wenn der
Gefährte Christi, der Wunder gewirkt und eine so ausgezeichnete Schule
durchgemacht hatte, in einen so fürchterlichen Abgrund stürzte, weil er
diese Seuche nicht mied, um wieviel mehr werdet ihr, wenn ihr nicht auf
die Schrift höret, wenn ihr nicht fortwährend auf der Hut seid, Knechte
dieser Leidenschaft werden, da ihr mit Leib und Seele am Irdischen
klebet?
Täglich war Judas in der Gesellschaft dessen, der nicht hatte,
wohin er sein Haupt legen konnte, täglich erhielt er in Wort und Beispiel die Lehre, man solle weder Gold noch Silber, noch zwei Kleider besitzen, und dennoch nahm er es sich nicht zu Herzen. Wie magst da du er
warten, diesem Laster zu entrinnen, da du keine so sorgfältige
Behandlung findest und keinen besonderen Eifer entfaltest? Fürchterlich,
ja fürchterlich ist dieses wilde Tier. Und doch kannst du, wofern du
nur willst, leicht darüber Herr werden. Diese Begierde liegt ja nicht in
der Natur begründet. Beweis dafür sind alle jene, die sich davon frei
gehalten haben. Was aber in der Natur liegt, haben alle gemeinsam. Diese
Leidenschaft hat einzig darin ihren Ursprung, dass man sie
vernachlässigt, daraus
entsteht sie, darin wächst sie. Hat sie einmal jemanden erfaßt, der
Neigung dazu hat, so bringt sie es dahin, dass er gegen die Gesetze
seiner Natur lebt. Wenn solche Leute ihre Stammesgenossen, ihre Freunde,
ihre Brüder, ihre Verwandten, kurz niemand mehr kennen und dazu sich
selbst nicht, so heißt das doch gegen die Natur leben. Es ist also klar,
dass die Schlechtigkeit überhaupt und besonders das Laster der
Habsucht, in deren Schlingen Judas zum Verräter wurde, etwas
Naturwidriges ist.
Wie konnte er aber so weit sinken, fragst du, da er doch von Christus zum Apostel berufen worden war? Die Berufung Gottes zwingt und nötigt keinen, wider Willen die Tugend zu wählen, sondern mahnt und rät nur, läßt nichts unversucht und tut alles, um dem Menschen die Tugendhaftigkeit nahe zu legen; wenn sich ein oder der andere nicht daran kehrt, so wird er nicht gezwungen.
Willst du aber die Gründe kennen lernen, warum Judas gefallen ist, so
wirst du finden, dass es die Geldgier war, die ihn ins Verderben geführt
hat. Und wie geriet er denn in die Fesseln dieser Leidenschaft? Weil
er nachlässig wurde. Aus dieser Quelle erklären sich alle Wandlungen
dieser Art, gleichwie aus dem Eifer die umgekehrten. Wie viele
Gewalttätige sind jetzt sanfter als Schafe! Wie viele Wollüstige sind
später enthaltsam geworden! Wie viele, die vordem habsüchtig waren,
geben jetzt sogar ihren eigenen Besitz hin! Und aus der Nachlässgkeit
ist hin wiederum das Gegenteil hervorgegangen.
Johannes Chrysostomus, In Matthaeum homiliae, Achtzigste Homilie. Kap.XXVI,V.6-16
Todesangstbasilika, Jerusalem |
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