Einzug in Jerusalem, rumänisch-orthodoxe Kirche, Knittelfeld (früher Kapuzinerkirche) |
Der Palmsonntag ist das große Portal, das uns in die Karwoche eintreten läßt, in die Woche, in der Jesus, der Herr, dem Höhepunkt seines Erdenlebens entgegengeht. Er geht nach Jerusalem hinauf, um die Schrift zu erfüllen und ans Kreuz gehängt zu werden; es ist der Thron, von dem aus er auf ewig herrschen, die Menschheit aller Zeiten an sich ziehen und allen das Geschenk der Erlösung anbieten wird. (..)
Was bewegt denn wirklich die Herzen derer, die Christus als den König Israels bejubeln? Sicher hatten sie eine eigene Vorstellung vom Messias, eine Vorstellung davon, wie der von den Propheten verheißene und lang erwartete König handeln müsse. Es ist kein Zufall, daß wenige Tage später die Menschenmenge von Jerusalem, anstatt Jesus zuzujubeln, Pilatus zuruft: „Kreuzige ihn!“. Selbst die Jünger wie auch andere, die ihn gesehen und ihm zugehört hatten, verstummen und sind verstört. Die meisten waren nämlich enttäuscht von der Art, die Jesus gewählt hatte, sich als Messias und König Israels zu zeigen. Genau hier liegt der Kern des heutigen Festes, auch für uns. Wer ist Jesus von Nazareth für uns? Welche Vorstellung haben wir vom Messias, welche Vorstellung haben wir von Gott? Das ist eine entscheidende Frage, die wir nicht umgehen können, um so weniger, als wir gerade in dieser Woche aufgefordert sind, unserem König zu folgen, der als Thron das Kreuz wählt; einem Messias zu folgen, der uns nicht ein einfaches irdisches Glück zusichert, sondern das Glück des Himmels, die Seligkeit Gottes. So müssen wir uns also fragen: Was sind unsere wahren Erwartungen? Welches die tiefsten Wünsche, mit denen wir heute hierher gekommen sind, um den Palmsonntag zu feiern und die Karwoche zu beginnen?
(...) Liebe Brüder und Schwestern, mögen besonders zwei Grundstimmungen diese
Tage beherrschen: der Lobpreis, wie bei denen, die Jesus in Jerusalem mit ihrem
„Hosanna“ empfangen haben, und der Dank, weil Jesus, der Herr, uns in dieser
Karwoche von neuem das denkbar größte Geschenk machen wird:
Er wird uns sein
Leben schenken, seinen Leib und sein Blut, seine Liebe. Doch auf ein so großes
Geschenk müssen wir in angemessener Weise antworten, das heißt mit dem Geschenk
unserer selbst: unserer Zeit, unseres Gebetes, unseres tiefen, liebevollen
Verbundenseins mit Christus, der für uns leidet, stirbt und aufersteht.
Die
Kirchenväter haben ein Symbol all dessen in der Geste der Menschen gesehen, die
Jesus bei seinem Einzug in Jerusalem folgten, in der Geste, ihre Mäntel vor dem
Herrn auszubreiten. Vor Christus – sagten die Väter – müssen wir unser Leben,
unser ganzes Sein ausbreiten, in einer Haltung der Dankbarkeit und der
Anbetung.
Hören wir zum Abschluß noch einmal die Stimme eines dieser alten Väter,
des heiligen Bischofs Andreas von Kreta: „Breiten wir also demütig vor Christus
uns selber aus und nicht die Mäntel oder leblose Zweige und grüne Blätter,
welche die Augen nur für wenige Stunden erfreuen und deren Schicksal es ist,
mit dem Pflanzensaft auch ihr Grün zu verlieren. Breiten wir uns selber aus,
bekleidet mit seiner Gnade oder besser: mit ihm selbst ganz und gar … und
werfen wir uns wie ausgebreitete Mäntel ihm zu Füßen … damit wir dem Sieger
über den Tod nicht mehr einfache Psalmzweige, sondern Siegestrophäen darbringen
können. Indem wir die geistlichen Zweige der Seele schwingen, rufen auch wir
jeden Tag, gemeinsam mit den Kindern, in heiligem Jubel: »Gesegnet sei er, der
kommt im Namen des Herrn, der König Israels!«“ (PG 97,994). Amen!
(Papst Benedikt XVI., Palmsonntag 2012)
(Papst Benedikt XVI., Palmsonntag 2012)
Kreuzweg, Tod Jesu, Herabnahme vom Kreuz, Pieta, Our Lady and the English Martyrs Church, Cambridge |
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