Die Kathedra Petri von der Kuppel aus gesehen (u. Predigt Papst Benedikts)
Der Stuhl Petri in der Dominikanerkirche in London
An der Rückseite des Chores befindet sich (im Petersdom) ein Altar, über dem sich das Behältnis der Cathedra Petri erhebt, ein Komplex, den Bernini in den Jahren zwischen 1658 und 1666 schuf. Der Ehrensitz der Bischöfe und vor allem des Papstes wird gemeinhin als "Cathedra" bezeichnet, um den Lehrauftrag zu unterstreichen, der dem bischöflichen Amt und insbesondere der Papstwürde eigen ist.
Nach einer Legende soll sich in diesem erhabenen Behältnis der bischöfliche Ehrensitz des hl. Petrus befinden - ein Stuhl, auf dem der vom Alter geschwächte Apostel gesessen haben soll, als er die Christen unterwies.
In Wirklichkeit befindet sich darin ein mit fein geschnitzten Eilfenbeinplättchen verzierter Holzthron, den der karolingische Kaiser Karl der Kahle (823-877) dem Papst anläßlich seiner 875 in Rom erfolgten Krönung zum Geschenk gemacht hat.
kaiserl. Thron von Karl dem Kahlen |
Das von Bernini in Bronze gegossene Behältnis ist also gleichsam ein großes Reliquiar in Gestalt eines Thrones, das von vier Kirchenlehrern getragen wird: Zwei Vertretern der Ostkirche, nämlich Athanasius und Chrysostomus, und zwei Kirchenlehrern der römischen Kirche, und zwar Ambrosius und Augustinus.
Seit alters her nennt die Kirche jene Männer, die in maßgeblicher Weise zur Vertiefung der Offenbarungsbotschaft beigetragen haben, "doctores ecclesiae" oder Kirchenlehrer.
Bernini ordnete sie zu Füßen der Cathedra an, fast so, als ob sie dieselbe stützten, womit er ihrer maßgeblichen Bedeutung für das autoritative Lehramt des Papstes Nachdruck verlieh. Der sich darüber erhebende Strahlenkrank, in dessen Mitte Bernini eine weiße Taube als Sinnbild des Heiligen Geistes, des dritten Elements der Dreifaltigkeit, anbrachte. erinnert daran, daß der Papst in seiner Rolle als Lehrer der ganzen Kirche Erleuchtung und Eingebung von Gott selbst erhält.
In diesem Werk Berninis verbinden sich Bau- und Bildhauerkunst, Gold, Glas, Marmor und Bronze zu einem Spiel von Licht und Schatten, ja zu einem bewegten und höchst originellen Bildkomplex, mit dem die Barockkunst ihren expressiven Höhepunkt erreichte.
(Roberta Vicci, Die Patriarchalbasiliken Roms, 55f)
die vier Kirchenlehrer, Cathedra Petri |
Liebe Brüder und Schwestern! Diese Episode aus dem Evangelium, die wir gehört haben, findet eine weitere und noch anschaulichere Erklärung in einem sehr bekannten künstlerischen Element, das den Petersdom ziert: im Kathedra-Altar. Wenn man durch das grandiose Mittelschiff geht und nach Überwindung des Querschiffs zur Apsis gelangt, sieht man sich vor einem riesigen Thron aus Bronze, der zu schweben scheint, in Wirklichkeit aber von den vier Statuen großer Kirchenväter des Ostens und des Westens gehalten wird. Und über dem Thron, umgeben von einem Triumph in der Luft schwebender Engel, leuchtet im Ovalfenster die Herrlichkeit des Heiligen Geistes. Was sagt uns nun dieses bildhauerische Gefüge, das wir dem Genie des Bernini verdanken? Es stellt eine Sicht des Wesens der Kirche und – in ihr – des petrinischen Lehramtes dar.
Das Apsis-Fenster öffnet die Kirche nach außen, zur gesamten Schöpfung hin, während das Bild der Taube des Heiligen Geistes Gott als Quelle des Lichtes zeigt. Doch da ist auch noch ein anderer Aspekt hervorzuheben: Die Kirche selbst ist nämlich wie ein Fenster, der Ort, an dem Gott sich naht, unserer Welt entgegenkommt. Die Kirche existiert nicht für sich selbst, sie ist nicht das endgültige Ziel, sondern muß über sich hinausweisen, nach oben, über uns hinaus. Die Kirche ist wirklich sie selbst in dem Maß, in dem sie den Anderen – den „Anderen“ schlechthin – durchscheinen läßt, von dem her sie kommt und zu dem sie führt. Die Kirche ist der Ort, wo Gott bei uns „ankommt“ und wo wir zu ihm hin „aufbrechen“; sie hat die Aufgabe, außer sich selber auch jene Welt zu öffnen, die dazu neigt, sich in sich selbst zu verschließen, und ihr das Licht zu bringen, das von oben kommt, ohne das sie unbewohnbar würde.
Die große Kathedra aus Bronze birgt einen hölzernen Thron aus dem 9. Jahrhundert, der lange Zeit für den Stuhl des Apostels Petrus gehalten wurde und aufgrund seines hohen symbolischen Wertes gerade über diesem Altar angebracht wurde. Er drückt nämlich die ständige Gegenwart des Apostels im Lehramt seiner Nachfolger aus. Der Stuhl des heiligen Petrus ist – so können wir sagen – der Thron der Wahrheit, der seinen Ursprung aus dem Auftrag Christi nach dem Bekenntnis bei Cäsarea Philippi bezieht. Der Lehrstuhl ruft uns immer wieder die Worte des Herrn an Petrus im Abendmahlssaal in Erinnerung: „Ich aber habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine Brüder“ (Lk 22,32).
Noch eine weitere Erinnerung ruft die Kathedra Petri hervor: das berühmte Wort des heiligen Ignatius von Antiochien, der in seinem Brief an die Römer die Kirche von Rom als die bezeichnet, „welche den Vorsitz in der Liebe hat“ (Inscr. : PG 5,801). In der Tat ist der Vorsitz im Glauben untrennbar an den Vorsitz in der Liebe gebunden. Ein Glaube ohne Liebe wäre kein echter christlicher Glaube mehr.
Aber die Worte des heiligen Ignatius haben auch noch eine andere, sehr viel konkretere Bedeutung: Der Begriff „caritas – Liebe“ wurde nämlich in der frühen Kirche auch als Bezeichnung für die Eucharistie gebraucht. Die Eucharistie ist ja das Sacramentum caritatis Christi – das Sakrament der Liebe Christi –, durch das er weiterhin uns alle zu sich hin zieht, wie er es von der Höhe des Kreuzes aus getan hat (vgl. Joh 12,32). Darum bedeutet „den Vorsitz in der Liebe haben“, die Menschen in eine eucharistische Umarmung – in die Umarmung Christi – hineinziehen, die jede Schranke und jede Fremdheit überwindet und aus den mannigfaltigen Verschiedenheiten die Gemeinschaft bildet. Das Petrusamt ist also ein Primat in der Liebe im eucharistischen Sinn bzw. ein fürsorglicher Einsatz für die weltweite Gemeinschaft der Kirche in Christus. Und die Eucharistie ist Gestalt und Maßstab dieser Gemeinschaft sowie eine Garantie dafür, daß diese dem Kriterium der Glaubensüberlieferung treu bleibt.
Die große Kathedra wird gestützt von den Kirchenvätern. Die beiden Lehrer des Ostens – der heilige Johannes Chrysostomus und der heilige Athanasius – stellen gemeinsam mit den lateinischen – dem heiligen Ambrosius und dem heiligen Augustinus – die Gesamtheit der Überlieferung und somit den Reichtum des Ausdrucks des wahren Glaubens in der heiligen und einen Kirche dar. Dieses Element des Altars sagt uns, daß die Liebe sich auf den Glauben gründet. Sie zerbröckelt, wenn der Mensch nicht mehr auf Gott vertraut und ihm nicht gehorcht. Alles in der Kirche ist auf den Glauben gegründet: die Sakramente, die Liturgie, die Evangelisierung, die Liebe. Auch das Recht, auch die Autorität in der Kirche fußen auf dem Glauben. Die Kirche regelt sich nicht in autonomer Weise, sie gibt sich nicht selbst ihre Ordnung, sondern empfängt sie vom Wort Gottes, das sie im Glauben hört und zu verstehen und zu leben sucht. Die Kirchenväter haben in der Gemeinschaft der Kirche die Funktion von Bürgen für die Treue zur Heiligen Schrift. Sie sichern eine zuverlässige, solide Exegese, die fähig ist, mit der Kathedra Petri ein festes, einheitliches Gefüge zu bilden. Die im Licht der Väter vom Lehramt maßgeblich interpretierte Heilige Schrift erleuchtet den Weg der Kirche in der Zeit, indem sie ihr inmitten der geschichtlichen Veränderungen ein beständiges Fundament gibt.
Nachdem wir die verschiedenen Elemente des Kathedra-Altars bedacht haben, wollen wir ihn nun in seiner Gesamtheit betrachten. Und dabei sehen wir, daß er von einer zweifachen Bewegung durchzogen ist: von einem Aufstieg und einem Abstieg. Es ist das Wechselspiel zwischen Glaube und Liebe. Die Kathedra ist an diesem Ort stark hervorgehoben, denn hier ist das Grab des Apostels Petrus, doch auch sie strebt der Liebe Gottes zu. In der Tat ist der Glaube auf die Liebe hin ausgerichtet. Ein egoistischer Glaube wäre ein unwahrer Glaube.
Wer an Jesus Christus glaubt und in die Dynamik der Liebe eintritt, die in der Eucharistie ihre Quelle hat, entdeckt die wahre Freude und wird seinerseits fähig, nach der Logik dieses Schenkens zu leben. Der wahre Glaube ist erleuchtet von der Liebe und führt zur Liebe, nach oben, wie der Kathedra-Altar bis zum leuchtenden Fenster, zur Herrlichkeit des Heiligen Geistes emporführt, dem eigentlichen Brennpunkt für den Blick des Pilgers, wenn dieser die Schwelle des Petersdoms überschreitet. Dieses Fenster heben der Triumph der Engel und der große vergoldete Strahlenkranz in höchstem Maße hervor, mit einem Eindruck der überquellenden Fülle, welche den Reichtum der Gemeinschaft mit Gott zum Ausdruck bringt. Gott ist nicht Einsamkeit, sondern glorreiche, freudvolle, sich verströmende, strahlende Liebe.
(Predigt von Papst Benedikt XVI am 19.2.2012)
Baldachin von Bernini, Petersdom |
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