Vinzenz von Paul spricht mit den Galeerensträflingen, Saint Maurice, Lille |
Vinzenz von Paul, Priester, Ordensgründer und Apostel der Nächstenliebe. Vinzenz, geboren am 24. April 1581 zu Pouy, wurde 1600 Priester und lebte seit 1608 in Paris. Dort lernte er Pierre de Bérulle kennen, der einen solchen Einfluss auf ihn ausübte, dass Vinzenz 1617 das Gelübde ablegte, sein Leben den Armen zu weihen.
1625 gründete er die „Kongregation der Mission“, die als „Lazaristen“ bekannt wurden. Allein bis zu seinem Tod hielten die Lazaristen in Frankreich etwa 800 Volksmissionen. Ebenso war er an der Gründung von Priesterseminaren und an der Einrichtung von Exerzitien für den Klerus beteiligt. Vinzenz rief eine Vereinigung von Frauen zur Betreuung von armen und alleinstehenden Kranken ins Leben sowie mit Luise von Marillac die Vinzentinerinnen, die erstmals in der Kirche eine Genossenschaft ohne Profess und Klerus bildeten, um sich allen Werken der christlichen Nächstenliebe zu widmen. Vinzenz wurde so zum Erneuerer des kirchlichen Lebens im Frankreich des 17. Jahrhunderts bei Klerus und Laien. Seine Ideen aber breiteten sich weit über Frankreich hinaus in der ganzen Welt aus. Vinzenz starb am 27. September 1660.
(Martyrologium Sancrucense)
Vinzenz von Paul sieht während der hl. Messe die Seele von Johanna Franziska von Chantal in den Himmel eingehen
Die Herzreliquie von Vinzenz von Paul in der Rue du Bac
Die Galeeren sind ein trauriges Kapitel der Geschichte des Ancien Regime in Frankreich. Die Verwendung von Galeeren - flacher, langer, schmaler, mit Segel und rudern in Bewegung gesetzter Schiffe - geht weit ins Altertum zurück, fand jedoch bei der französischen Marine erst unter Karl IV. Eingang. Vom 16. Jahrhundert an wurden sie zu einem festen Bestandteil im französischen System des Strafvollzugs. Weil man nur mit Müh und Not freiwillige und bezahlte Ruderer werben konnte, wurde es im Justizverfahren Frankreichs zum festen Brauch, Verurteilte auf die Galeeren des Königs zu schicken. Grundsätzlich war diese Strafe für relativ schwere Verbrechen vorgesehen, doch fehlte es nicht an Gerichten, die sie üblerweise auch aus weniger schweren Gründen verhängten, und das um so eher, als ihnen immer wieder Anweisungen zugingen, sie möchten der Marine möglichst viele Ruderer liefern.
Ende des 17. Jh. stellten die Galeeren eine selbständige Organisation dar, unabhängig von der übrigen Flotte; sie wurden der Befehlsgewalt eines Galeerengenerals unterstellt, dessen Kommando sich auf ungefähr 6000 Sträflinge, auf etwa 20 Schiffe verteilt, erstreckte. Jedes Schiff wies 25-30 Ruderbänke auf, jede Bank mit 5 oder 6 Ruderknechten besetzt, die "das Galeerenvolk" des Schiffes bildeten; der Rest der Besatzung setzte sich aus Matrosen und Soldaten zusammen. Die Galeerensklaven waren sozusagen nackt und strotzten vor Schmutz. Gegen die Unbill der Witterungseinflüsse schützte sie lediglich ein Zeltdach. Sie waren zu zweit an den nämlichen Block und außerdem an die Ruderbank gekettet. Die Nahrung war schlecht und die Vorsteher und Aufseher des Galeerenvolkes griffen leichter Hand nach der Peitsche. Nur sehr selten wurden die Galeerenverurteilten nach Ablauf ihrer Strafzeit freigelassen. Die Willkür trieb es auf diesem Gebiet bis zu dem Grad, daß die Gerichtsschreiber es meist unterließen, beim Eintritt in die Galeere die Strafdauer in das Strafregister einzutragen.
Seit 1598 war das Amt eines Galeerengenerals mit der Familie de Gondi verbunden. Vinzenz bot sich demnach des öfteren Gelegenheit, Einblick zu erhalten in die traurigen Verhältnisse der Galeerensklaven. Es scheint, daß er im Frühjahr1618, bald nach seiner Rückkehr von Chatillon, den General nach Marseille begleiten mußte, wo sich damals das Standquartier des Galeerengenerals befand. Mit eigenen Augen konnte er den leiblichen und sittlichen Tiefstand und die Verlassenheit mitansehen, unter der diese Elenden seufzten. Ohne Zweifel war es Vinzenens Einfluß zu verdanken, daß de Gondi in Marseille ein Spital für kranke Galeerensträflinge errichten ließ; leider zögerte sich, weil das Geld fehlte, die Fertigstellung lange hinaus, erst im Jahr 1645 war der Bau dank den Zuwendungen der Herzogin von Aiguillon, der Nichte Richelieus, vollendet. Nach Paris zurückgekehrt, wahrscheinlich um Ostern 1618, nahm sich Vinzenz der Zuchthäusler an, die in den Gefängnissen der Hauptstadt, vor allem in der Conciergerie, auf die Abfahrt der "Kette" warteten.
So nämlich nannte man den Abtransport, der alljährlich im März oder April die zu Galeerenstrafen verurteilten nach Marseille führte. Die Monate des Wartens verbrachten sie in feuchten, licht- und luftlosen, stinkigen Verließen. Sie waren an die Mauer gekettet; nie wurden sie ins Freie geführt. In erster Linie trachtete Vinzenz danach, ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Er setzte es beim Staatsanwalt durch, daß sie in ein Miethaus am Faubourg Saint-Honire bei der Rochuskirche überführt und dort menschlicher behandelt wurden. Gleichzeitig bettelte Vinzenz Almosen zusammen, um den Sträflingen Erleichterungen zu verschaffen. So weit es ihm nur möglich war, besuchte und tröstete Vinzenz die Gefangenen persönlich. Als er 1625 die Kongregation der Volksmissionäre ins Leben rief, nahm er in den Gründungsvertrag ausdrücklich die Bestimmung auf, die Mitglieder müßten "den armen Sträflingen geistlichen Beistand leisten und an ihrer leiblichen Strafe Anteil nehmen".
Auf das Gesuch der Gondi hin erhielt Vinzenz mit Ernennungsurkunde vom 8. Februar 1619 den Titel eines Königlichen Militärgeistlichen bei den Galeeren, verbunden mit einem Gehalt von jährlich 600 Livres. Dieses eigens für ihn geschaffene Amt unterstellte ihm alle übrigen Galeeren-Geistlichen und verschaffte ihm die Möglichkeit, zahlreiche Mißbräuche abzustellen. Unverzüglich ging Vinzenz daran, auf den Schiffen Missionen durchzuführen.
l: Galeerensträflinge in Paris, die auf Abransport nach Marseille warten, r: Aufseher droht Galeerensträflingen |
Das Gefängnis in der Pariser Pfarrei Sanct Rochus stellte gewiß einen Fortschritt dar, entsprach aber noch keineswegs den erstrebten Verbesserungen. Die Galeerensträflinge waren dort eingepfercht und man gestattete ihnen keinen Spaziergang im Gefängnishof. Um 1630 herum trat die Hochwohllöbliche Gesellschaft vom Heiligen Sakrament in Erscheinung, eine Art frommer und wohltätiger Geheimgesellschaft, an deren Wirken Vinzenz lebhaft Anteil nahm. Sie zeigte großes Interesse am Schicksal der Galeerengefangenen. Die Sektion Paris unterhielt Beziehungen mit der Gruppe in Marseille und übermittelte ihr die Ausweispapiere, die notwendig waren, um nach Ablauf der Strafverbüßungszeit die Gefangenen freizubekommen. In Paris bemühte sich die Gesellschaft um die Erleichterung des Loses der Gefangenen von Sankt Rochus, indem sie ihnen ein wenig Bewegungsfreiheit an der frischen Luft verschaffte.
Später im Jahre 1632, setzte Vinzenz die Verlegung des Gefängnisses in einen großräumigen Eckturm der alten Stadtmauern von Paris durch, der am Quai de la Tournelle zwischen dem Sankt Bernhard-Tor und der Seine stand, im Bereich der Pfarrei Saint-Nicolas du Chardonnet. Vinzenz selber nahm die Aufgabe auf sich, die Almosen zusammenzubringen, deren diese Armen bedurften, für die die Staatsverwaltung einzig Brot und Wasser lieferte. Er lenkte auch die Aufmerksamkeit der Caritas-Damen auf die Gefangenen, sie möchten sie besuchen und ihnen diese und jene Unterstützung zuteil werden lassen. Im Jahre 1640 schickte er die Barmherzigen Schwestern zu ihnen und veranlaßte sie, einen regelmäßigen Dienst leiblicher und geistlicher Hilfe bei den Strafgefangenen einzurichten, für den er ein besonderes Reglement aufsetzte. Eine schwierige Aufgabe in diesem äußerst verkommenen Milieu; es bedurfte hiefür heldenhafter Geduld, Selbstverleugnung und überdurchschnittlicher Klugheit.
Das Leben auf der Galeere, auf jeder Bank 5 Sträflinge, deren rechter Fuß angekettet ist, vorne und hinten ein mit der Peitsche bewaffneter Aufseher |
Das war Vinzenzens unerschöpflicher Liebestätigkeit gegenüber den Galeerensträflingen. Sie ist groß genug, um uns auf manche der frommen Legenden verzichten zu lassen, die uns zum Beispiel berichten, erhabe sich an die Ketten eines Verurteilten legen lassen. Doch kommt dieser Geschichte, die von der Einbildungskraft des Volkes immer wieder gespeist wurde, der Wert eines Symbols zu. Sie beweist, wie sehr Vinzenz´ Zeitgenossen nicht aus dem Staunen heraus kamen über so viel Sorge um Menschen, die man damals für den Abschaum der Menschheit hielt. Die Erinnerung an seine Menschengüte verblaßte seither nicht mehr.
(Text und Bilder aus: Leonhard von Matt, Vinzenz von Paul, 111-121)
Die Armen sind unsere Herren, sie sind unsere Köngie. Man muß ihnen gehorchen.
Es ist keine Übertreibung, sie so zu bezeichnen;
denn in den Armen ist unser Herr gegenwärtig.
(Vinzenz von Paul)
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