Samstag, 6. Mai 2017

François Xavier Kardinal Nguyên Van Thuân in seiner Titelkirche Santa Maria della Scala


Zur größeren Verehrung des wundertätigen Marienbildes unter der Treppe (scala) eines nahe gelegenen Hauses wurde 1593 der Bau der Kirche S. Maria della Scala im Stadtviertel Trastevere begonnen. Der Überlieferung nach soll vor dem Bild eine Hebamme für ihr stumm geborenenes Kind gebetet haben, sodass dieses plötzlich zu sprechen begann. Als Filialkirche einer Pfarre ist die Kirche zugleich Klosterkirche der Unbeschuhten Karmeliten.
Auf einem Seitenaltar ist das Grab von Kardinal Nguyên Van Thuân. Am 4. Mai 2017 hat Papst Franziskus als Vorstufe zur Seligsprechung den heroischen Tugendgrad des vietnamesischen Kardinals anerkannt. (Zenitartikel)


Apsisbild: Josef und Maria mit den Karmelheiligen vor Christus als Weltenherrscher und dem Hl. Geist, S. Maria della Scala
(Dich bitten wir denn,) komm deinen Dienern zu Hilfe, die du erlöst mit kostbarem Blut. (aus dem Te Deum)
 






das wundertätige Marienbild, S. Maria della Scala

Maria mit dem kleinen Skapulier der Karmeliten


Aufnahme Mariens

Verlobung Marias mit Josef

Altar der hl. Theresia von Lisieux


François-Xavier Kardinal Nguyên Van Thuán (*17. April 1928 in Huê, Vietnam; † 16. September 2002 in Rom) war seit 1998 Präsident des Päpstlichen Rats für Gerechtigkeit und Frieden. Er war der Neffe des ersten südvietnamesischen Präsidenten Ngô Đình Diệm. Der römisch-katholische Kardinal wurde bereits zu Lebzeiten als sogenannter "lebender Märtyrer" bezeichnet.
Kindheit und geistliche Prägung
Nguyen van Thuán kam am 17.April 1928 in Hue in Zentralvietnam auf die Welt. Er wuchs in einem behüteten Elternhaus auf. Sein Lieblingsonkel Ngo Dinh Thuc war Priester. Dieser sah ihn schon als Kind als zukünftigen Priester und bereitete die spirituelle Basis für die geistliche Laufbahn Nguyen Van Thuans.
Ab August 1940 ging Nguyen van Thuán in das Schülerkonvikt in An Ninh. Diese Schule ermöglichte Ihm die Vertiefung seines Glaubens. Dort lerne er durch die Pariser Missions-gemeinschaft, die die Einrichtung leitete, vor allem 3 Heilige kennen, die sein Leben geprägt haben: Therese von Lisieux, den Pfarrer von Ars Jean-Marie Vianney und den "Apostel Asiens" Franz Xaver, dessen Namen er später neben seinem vietnamesischen Namen annahm. 1947 kehrte nach Hue zurück um am Priesterseminar zu studieren.
Priester und Bischof
Am 11. Juni 1953 wurde François-Xavier Nguyễn Văn Thuận zum Priester des Bistums Nha Trang geweiht.
Er studierte in Rom (1956-1959) Kirchenrecht und promovierte. 1962 wurde er Direktor des Schülerkonvikts in An Ninh, der Schule, in der er einen Großteil seiner Kindheit verbracht hatte. 2 Jahre später wurde er 1964 zum Generalvikar der Diozöse Hue bestimmt. Am 13. April 1967 wurde zum Bischof von Nha Trang ernannt und am 24. Juni 1967 empfing er die Bischofsweihe. Weitere 8 Jahre später, am 24. April 1975 ernannte ihn Papst Paul VI. zum Erzbischof-Koadjutor von Saigon (heute: Thành-Phố Hồ Chí Minh bzw. Ho-Chi-Minh-Stadt).

Verfolgung
Nun begann für Nguyễn Văn Thuận die Zeit der Verfolgung. Trotz seiner erfolgreichen Laufbahn, folgten nun die Schwierigkeiten. Die Kommunisten besetzten Saigon und benannten es in Ho-Chi-Minh-Stadt um. Am 15.8.1975, nur wenige Wochen nach seiner Ernennung wurde er festgenommen, wegen seiner verwandschaftlichen Beziehung zum südvietnamesischen Präsidenten Ngo Dinh Diem, der ein gläubiger Katholik und Anti-Kommunist war.
Es sollten 13 Jahre Gefangenschaft folgen, geprägt von Verhören, psychischem Druck und Schikanen. Zuerst stand er jedoch "nur" unter Hausarrest, Kontakt zu anderen Mensche oder pastorale Arbeit waren Ihm nicht erlaubt. Dennoch beschloss er, ein Buch zu schreiben. Es sollten Briefe an die Gläubigen in Vietnam sein. Doch wie sollte er es angehen? Eines Tages nahm er Blickkontakt mit einem Jungen auf der Strasse auf, der daraufhin auf ihn zukam. Ihn weihte er in seinen Buchplan ein. Unter grosser Gefahr reichte Nguyen Van Thuan dem kleinen Jungen seiner Gemeinde jeden Tag unbemerkt Notizen auf einem Blatt eines Abreisskalenders. Der Junge und seine Schwester schreiben es zuhause in einem kleinen Notizblock auf. Die Notizen verbreitete sich geheim innerhalb der katholischen Gemeinschaft in Vietnam. Später wurden sie in dem Buch Hoffnungswege veröffentlicht.
Diese Art des Kontakts nach aussen ging 7 Monate gut. Doch am 19. März 1976 Nguyen Van Thuan von der Polizei abgeholt und in ein Gefangenenlager gebracht, wo er in einer fensterlosen Zelle untergebracht wurde. Erst im Herbst 1988 wurde er wieder freigelassen, stand aber weiterhin unter Beobachtung. Nach einigen Reisen liess man ihn ins (erzwungene) Exil gehen. Nguyen van Thuan wollte nach Rom. Im Dezember 1991 reiste er schliesslich dorthin mit der Hoffnung irgendwann einmal wieder nach Vietnam zurückzukehren.

Exil und Kurienkardinal
Am 21. November 1988 wurde er schliesslich freigelassen, musste jedoch im Vatikan im Exil leben. Nicht einmal die sterbende Mutter durfte er besuchen. Am 24. November 1994 trat er als Koadiutor-Erzbischof von Thành-Phố Hồ Chí Minh zurück.
Am 24. Juni 1998 ernannte Papst Johannes Paul II. ihn zum Präsidenten des Päpstlichen Rats für Gerechtigkeit und Frieden.
Papst Johannes Paul II. nahm ihn im Vatikan auf und ernannte ihn erst zum Vizepräsident und später zum Präsidenten des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden. In dieser Funktin sprach er sich auch für einen Schuldenerlass für ärmere Länder aus, denn seines Erachtens waren die Schulden ein Haupthindernis für deren Entwicklung- eine Idee, die von katholischen Jugendverbänden aufgegriffen und von Politkern auf dem Weltwirtschaftsgipfel 1999 in Köln diskutiert wurde. Kurz vor dem Jahrtausendwechsel bat Papst Johannes Paul II. ihn, die Fastenexerzitien für den Papst und die Römische Kurie zu entwickeln- eine Ehre, die zuvor keinem asiatischen Bischof zuteil geworden war. Seine Mediationen und Ausführungen waren geprägt von seinem persönlichen Schicksal. Ausdrücklich bedankte sich der Papst im März 2000 bei Ihm, dass er ihn und die Kurie darin bestärkt hätte, dass Christus der Halt sein, auch wenn alles um einen herum zusammenzubrechen drohe. Am 21. Februar 2001 wurde er ins Kardinalskollegium aufgenommen und zum Kardinaldiakon von S. Maria della Scala ernannt. Erst jetzt wurde dem Kardinal die Reise ins Heimatland als ausländischer Besucher gewährt.
Kurz nach seiner Ernennung wurde jedoch ein Krebsleiden diagnostiziert, eine notwendige Operation verlief nur teilweise erfolgreich.
Am 16. September 2002 starb Kardinal Nguyễn Văn Thuận in Rom an seiner Krebserkrankung im Rufe der Heiligkeit. Über seinen Leidensweg in Vietnam geben seine autobiographischen Schriften beredt Auskunft, die Papst Benedikt XVI. in der Enzyklika Spe salvi zitierte.
Kardinal Nguyen van Thuan gehörte der Fokolarbewegung an.
Seligsprechungsprozess
Am 22. Oktober 2010 wurde der Seligsprechungsprozess eingeleitet. Die diözesane Phase endete am 5. Juni 2013.[1] In einer Ansprache am 8. Juli 2013 hob Papst Franziskus die Heiligmäßigkeit van Thuáns hervor und nannte ihn einen "Zeugen der Hoffnung".[2]





Ich stehe hier heute vor euch als ein ehemaliger Gefangener, der über 13 Jahre im Kerker verbracht hat, davon neun in Isolationshaft. Nach meiner Festnahme im August 1975 werde ich während der Nacht in ein 450 km entferntes Gefängnis transportiert.

Es beginnt für mich die Erfahrung eines Lebens als Gefangener. Ich habe keinen Zeitplan mehr. Ein vietnamesisches Sprichwort sagt: „Ein Tag im Gefängnis zählt so viel wie tausend Herbste in Freiheit.“ Ich habe das erlebt: im Gefängnis warten alle auf die Befreiung, jeden Tag, jede Minute. Eine Flut verworrener Gefühle wühlt mein Inneres in jenen Tagen und Monaten auf: Traurigkeit, Furcht, Spannung. Im Dunkel der Nacht, mitten in diesem Ozean von Angst, komme ich ganz allmählich zu mir. In den langen Nächten im Gefängnis sehe ich ein, dass der einfachste und sicherste Weg zur Heiligkeit der ist, den gegenwärtigen Moment in Liebe zu leben. Aus dieser Überzeugung heraus entsteht dieses Gebet:
„Jesus, ich werde nicht warten, ich lebe den gegenwärtigen Moment, indem ich ihn ausfülle mit Liebe. Lebe ich jede Minute in Vollkommenheit, wird das Leben heilig sein. Den Weg der Hoffnung bilden kleine Schritte der Hoffnung. Das Leben der Hoffnung bilden die kurzen Minuten der Hoffnung. Wie du, Jesus, der du immer das getan hast, was deinem Vater gefällt. Jede Minute will ich zu dir sagen: Jesus, ich liebe dich, mein Leben ist immer ein neuer und ewiger Bund’ mit dir. Jede Minute will ich mit der ganzen Kirche singen: Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist...“

Am 1. Dezember 1976 um neun Uhr abends werde ich plötzlich gemeinsam mit anderen Gefangenen herausgerufen und zu zweit aneinandergekettet auf einen Lastwagen verladen. Im Hafen Tan-Cang werden wir auf ein verdunkeltes Schiff verladen, damit das Volk uns in den Laderaum des Schiffes, wo man die Kohle bunkert. Es gibt nur eine kleine Petroleumlampe, ansonsten herrscht völlige Dunkelheit. Wir sind insgesamt 1500 Personen, für eine Reise von 1700 Kilometern unter unbeschreiblichen Bedingungen. In meinem Inneren entlädt sich ein Gewitter. Bis zu diesem Moment war ich noch in meiner Diözese, aber nun - wer weiß, wo ich enden werde! Ich verbringe jene Nacht in Angst. Am nächsten Tag, als ein wenig Licht in den Laderaum des Schiffes dringt, bemerke ich um mich herum die traurigen und verzweifelten Gesichter der anderen Gefangenen. Es herrscht eine Stimmung wie auf einer Beerdigung. Einer hatte versucht, sich mit einem Draht zu erhängen, die anderen rufen mich zu ihm. Ich rede auf ihn ein, und am Ende schenkt er mir Gehör. Vor zwei Jahren habe ich diesen Mann auf einem interreligiösen Treffen in Kalifornien wiedergesehen. Voll Freude kam er auf mich zu, dankte mir und zeigte allen die Narben an seinem Hals, die immer noch sichtbar sind. Als die Gefangenen während der Fahrt erfahren, dass Bischof Van Thuan unter ihnen ist, kommen sie zu mir um mir ihre Ängste mitzuteilen. Die Stunden vergehen, und den ganzen Tag hindurch bin ich damit beschäftigt, an ihren Leiden Anteil zu nehmen und sie zu trösten.

Ich verbringe die drei Tage der Reise, indem ich meinen Mitgefangenen beistehe, und ich meditiere über die Passion Jesu. In der zweiten Nacht, in der Dezember-Kälte des Pazifischen Ozeans, beginne ich zu begreifen, dass eine neue Etappe meiner Berufung begonnen hat. In der Diözese hatte ich verschiedene Initiativen zur Evangelisierung der Nichtchristen organisiert. Nun geht es darum, mit Jesus bis zu den Wurzeln der Evangelisierung vorzudringen. Es geht darum, mit ihm zu gehen, um vor dem Stadttor, außerhalb des umgrenzten heiligen Bereichs, zu sterben. So hat er bis zur letzten Konsequenz offenbart, dass man der Liebe Gottes gerade da begegnen kann, wo in den Augen der Menschen Gott nicht zugegen ist.

Auf dem Schiff und später im Umerziehungslager habe ich Gelegenheit gehabt, mit den verschiedensten Menschen einen Dialog aufzunehmen: Mit Ministern, Parlamentariern, hohen militärischen und zivilen Autoritäten, mit maßgeblichen religiösen Vertretern verschiedener Religionen und christlichen Gemeinschaften. Ich wurde im Lager zum Ökonom gewählt, um allen zu dienen, das Essen zu verteilen, heißes Wasser zu besorgen und auf den Schultern die Kohle herbeizuschleppen, die nachts zum Heizen gebraucht wurde, denn die anderen betrachteten mich als Mann des Vertrauens.

Der vor den Mauern Jerusalems gekreuzigte Jesus hatte mir bei der Abreise von Saigon zu verstehen gegeben, dass ich mich auf eine neue Form der Evangelisierung einstellen musste, nicht mehr als Bischof einer Diözese, sondern „vor dem Stadttor“, als Missionar, bis zum Äußersten meiner Liebes- und Hingabefähigkeit. Nun öffnete sich noch eine weitere Dimension: für alle.
Im Dunkel des Glaubens, im Dienst, in der Demütigung, änderte das Licht der Hoffnung meine Sichtweise: Mittlerweile war dieses Schiff, dieses Gefängnis, meine schönste Kathedrale, und diese Gefangenen bildeten ohne jegliche Ausnahme das Volk Gottes, das meiner pastoralen Fürsorge anvertraut war. Meine Gefangenschaft war göttliche Vorsehung, war Gottes Wille.

Vielleicht erleben wir alle ähnliche Momente der Verlassenheit, und das mehr als ein Mal.
Wir fühlen uns nicht verstanden, sind manchmal enttäuscht, sehen uns verraten. Wir spüren den Mangel an Kraft und empfinden die Einsamkeit vor Aufgaben, die uns überfordern. Wir kommen in Berührung mit unerträglichen Leiden der Kirche und ganzer Völker. In gewissen Momenten scheinen selbst das Licht des Glaubens und die Liebe zu erlöschen, und wir sinken in Traurigkeit und Angst.
Das sind kleine oder weniger kleine, manchmal auch länger dauernde Nächte der Seele, die in uns die Gewissheit des nahen Gottes verdunkeln, die unserem ganzen Leben Sinn verliehen hatte. Indem Gott seinen Sohn hingibt, das heißt zulässt, dass dieser die ganze durch die Sünde hervorgerufene Entfernung von Gott bis zum Äußersten zurücklegt, geht auch er in gewisser Weise in eine Gemeinschaft mit allem menschlichen Leiden ein: So weit bringt ihn die Liebe, die er zum Menschen hat. Der Sohn aber, der sich vom Vater verlassen fühlt, überlässt sich ihm erneut in einem Akt unendlicher Liebe: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ (Lk 23,46). So offenbart er, dass er mit dem Vater eins ist, in der Liebe; eins mit ihm in jenem Geist der Liebe, der sie verbindet. Die Erfahrung der größten Trennung von Gott birgt also in sich selbst in geheimnisvoller Weise, aber ganz real, die Erfahrung der vollkommensten Einheit mit dem Vater.
In diese erstaunliche und göttliche Dynamik der Liebe wird jedes unserer Leiden aufgenommen und verwandelt, in ihr jede Leere erfüllt, jede Sünde erlöst.

Unsere Verlassenheit, unsere Entfernung von Gott ist überwunden. Nur mit der Radikalität des Opfers können wir Zeugen der Hoffnung sein, inspiriert an der Liebe Christi, die in Aufmerksamkeit, Zärtlichkeit, Mitleid, Annahme, Verfügbarkeit und Interesse für die Probleme der Menschen besteht.
Der gekreuzigte Jesus hat in seiner Solidarität mit dem Letzten, mit dem Entferntesten, dem Gottlosen, für den Apostel den Weg geöffnet, „allen alles zu sein“. Und Paulus seinerseits teilt uns Christen mit, worin wahres Apostolat besteht: jedem Menschen ohne jegliche Diskriminierung zu offenbaren, dass Gott ihm nahe ist und ihn grenzenlos liebt. Indem wir jeden Menschen, auch den scheinbar verachtungswürdigen oder feindlichsten als „Nächsten“ und als Bruder oder Schwester zu betrachten, verwirklichen wir den zentralen Inhalt der Frohen Botschaft: Im Kreuz Jesu kommt Gott jedem Menschen, der ihm fern ist, nahe und bietet ihm Verzeihung und Erlösung an. Darum ist die Evangelisierung nicht eine nur den Missionaren anvertraute Aufgabe, sondern ein grundlegendes Merkmal für das christliche Leben überhaupt: Die gute Nachricht vom nahen Gott kann nur dann offenbar werden, wenn wir uns als allen nahe erweisen. Über all das habe ich mit den anderen katholischen Gefangenen gesprochen, und daraus ging eine tiefe Verbindung unter uns hervor: eine neue Aufgabe zeichnete sich ab: Wir sind berufen, gemeinsam Zeugen der Hoffnung für alle zu sein, das Licht der Hoffnung weiterzugeben.


Hier ruht Card. F.X. Nguyen van Thuan, S. Maria della Scala

Aufnahme aus dem Jahr 2013




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