Das Sichausspannen Christi, das die vier Richtungen des Kreuzes sinnbilden, ist der geheimnisvolle Ausdruck unserer eigenen Zerrissenheit und macht uns ihm gleichförmig (J. Danielou).
Der Schmerz ist im letzten Ergebnis und Ausdruck des Ausgespanntseins Jesu Christi vom Sein in Gott bis in die Hölle des "Mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Wer seine Existenz so ausgestreckt hat, daß er gleichzeitig in Gott eingetaucht ist und eingetaucht in die Tiefe des gottverlassenen Geschöpfes, der muß gleichsam auseinanderreißen - der ist wirklich "gekreuzigt".
Von hier aus könnte wohl der wahre Grund sinnvoller Passionsfrömmigkeit sichtbar gemacht werden und auch deutlich werden, wie Passionsfrömmigkeit und apostolische Spiritualität ineinander übergehen. Es könnte sichtbar werden, daß das Apostolische, der Dienst an den Menschen und in der Welt sich mit dem Innersten christlicher Mystik und christlicher Kreuzesfrömmigkeit durchdringt. Beides hindert einander nicht, sondern in seiner wahren Tiefe lebt je eines vom andern.
Damit sollte nun auch deutlich sein, daß es beim Kreuz nicht auf eine Summierung physischer Schmerzen ankommt, als ob in der größtmöglichen Summe von Qualen sein Erlösungswert bestünde.
Wie sollte Gott an der Qual seiner Kreatur oder gar seines Sohnes Freude haben oder womöglich gar darin die Valuta sehen können, mit der von ihm Versöhnung erkauft werden müßte?
Die Bibel und der rechte christliche Glaube sind weit von solchen Gedanken entfernt.
Nicht der Schmerz als solcher zählt, sondern die Weite der Liebe, die die Existenz so ausspannt, daß sie das Ferne und das Nahe vereint, den gottverlassenen Menschen mit Gott in Beziehung bringt. Sie allein gibt dem Schmerz Richtung und Sinn.
(J. Ratzinger, Einführung in das Christentum, 239f)
Maria am Gestade, Wien |
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