Thomas Becket, Erzbischof und Märtyrer. Thomas Becket wurde 1118 in London geboren, nach dem Studium in Paris und Bologna wurde er 1154 Archidiakon in Canterbury. 1155 ernannte ihn König Heinrich II. zum Lordkanzler, sieben Jahre später wurde Thomas Erzbischof von Canterbury und Primas von England. Nun widmete er sich ausschließlich seinen Aufgaben als Bischof. Er lebte fortan wie ein Mönch und zeigte sich als großherziger Helfer der Armen.
Als der König in die Rechte der Kirche eingriff, leistete ihm Thomas mit Mut und Entschlossenheit Widerstand. 1164 musste der Erzbischof nach Frankreich ausweichen. Nach langwierigen Verhandlungen zwischen Papst Alexander III. und dem König konnte Thomas Becket 1170 nach England zurückkehren. Doch bald ergaben sich neue Streitigkeiten.
In dem Glauben, dem König einen Gefallen zu erweisen, ermordeten vier Adelige am 29. Dezember 1170 Thomas während der Vesper in der Kathedrale von Canterbury. Er wurde in vollem priesterlichen Ornat vor dem Altar niedergehauen. Das Grab des Erzbischofs war bald Mittelpunkt einer bedeutenden Wallfahrt, besondere Verehrung fand der Märtyrerbischof in Ungarn. Nach seiner Apostasie ließ König Heinrich VIII. 1538 den Schrein zerstören und die Reliquien vernichten.
(Martyrologium Sancrucence)
Mittlerweile
brach König Heinrich von England, in die furchtbarste Wut aus gegen den Papst
und Erzbischof, der die Anhänger des Königs, darunter auch mehrere Bischöfe, in
den Bann tat. Da er der Person des heiligen Erzbischofs nicht beikommen konnte,
so wütete er gegen jene Geistlichen, die es mit dem Papste und Erzbischofe
hielten. Wer einen Brief an ihn schrieb, oder Briefe von ihm nach England
brachte, war des Todes schuldig. Einzelne Geistliche büßten ihre Treue gegen
die heilige Kirche schrecklich; sie wurden geblendet, Hände und Füße wurden
ihnen abgehauen. Besonders hart wurden die Verwandten des heiligen Erzbischofs
verfolgt; ihre Güter wurden ihnen geraubt, sie selbst, sogar Kinder, Greise,
schwangere Weiber, wurden unter dem eidlichen Versprechen, zum Erzbischofe sich
zu begeben, aus dem Lande gejagt und dem Elende preis gegeben. Sie kamen zum
Heiligen; ihr Anblick zerriß ihm das Herz, aber gerade das wollte der wütende
König. Gerne hätte Thomas ihnen geholfen, aber was er nicht tun konnte, das tat
die göttliche Vorsehung. Die verbannten fanden mitleidige Herzen, und litten
keinen Mangel. Inzwischen versuchte der Papst Alles, um den König zu versöhnen,
doch umsonst, ja er vertrieb sogar den Heiligen aus dem Kloster Pontigni. Kurz
zuvor hatte Thomas ein Gesicht, worin ihm Gott seinen Tod hatte zu erkennen
gegeben. Als er einmal zur Nachtszeit vor einem Altar auf den Knien lag und
unter heißen Tränen im wehmütigen Gebete seine Seele sich vor Gott ergoß, da
hörte er eine laute Stimme rufen:
„Thomas, Thomas! meine Kirche
wird durch dein Blut verherrlicht werden.” „Wer bist du?, Herr” fragte der
Heilige. Die Stimme antwortete: „Ich bin Jesus, der Sohn des lebendigen Gottes,
dein Bruder.”
Als er
vom Abte von Pontigni, der ihn so freundlich bewirtet hatte, Abschied nahm,
vergoß er Tränen des Dankes, und entdeckte dem Abte unter dem Siegel der
tiefsten Verschwiegenheit und unter dem Versprechen, erst nach seinem Tode
davon zu reden, das gehabte Gesicht. Er sagte ihm, daß er von vier Männern
werde ermordet werden, er selber habe sie gesehen, wie sie sein Haupt vom
Rumpfe hieben. Hierauf begab sich der Heilige in das Kloster der heiligen
Columba unweit Sens, wo er nicht aufhörte, zu beten, zu weinen und zu fasten,
damit Gott das Herz des Königs erweiche, und der Kirche in England wieder
Friede und Freiheit werde. Und siehe, Gott erhörte das Gebet des Heiligen. Der
König nahm plötzlich andere Gesinnungen an und bezeugte das Verlangen, sich mit
dem Erzbischof zu versöhnen. Thomas zögerte nicht, sich vor dem Könige zu
stellen, der ihn mit allen Merkmalen der Freude aufnahm und ihm seine
Freundschaft wieder schenkte. Aber die Feinde des Heiligen, welche er in den
Bann getan hatte, regten von Neuem durch schändliche Verleumdungen den Zorn des
Königs auf. Vergebens verlangte der Heilige von ihm die Zurückgabe der
Kirchengüter. Thomas kehrte mit blutendem Herzen vom Hofe des Königs in sein
Bistum zurück. Bevor er abreiste, schrieb er an Heinrich noch einen rührenden
Brief.
„Es war mein Wunsch, so schließt
er denselben, Euch nochmal aufzuwarten; allein in dem Zustande, zu dem ich
erniedrigt bin, zwingt mich die Notwendigkeit, meine betrübte Kirche wieder zu
besuchen. Mit Eurer Erlaubnis, Herr! gehe ich, vielleicht werde ich meinen Tod
finden. Ob ich aber lebe oder sterbe, so bin ich der Eurige. Was auch mich oder
die Meinigen befalle, ich bitte Gott, daß Gottes Segen auf Euch und Euern
Kindern ruhen möge.”
Zu
Kanterbury wurde der heilige Erzbischof von Geistlichkeit und Volk freudig
aufgenommen. Aber seine Tage verflossen dort unter großer Traurigkeit. Seine
Feinde hörten nicht auf, ihn dem Könige verhaßt zu machen. Man hielt ihm seine
Lebensmittel zurück, plünderte seine Güter, schlug und beschimpfte seine
Diener. Der Heilige fühlte, daß seine Lebenstage gezählt seien. Am
Weihnachtsfeste des Jahres 1170 nach der heiligen Messe predigte er mit
besonderer Wärme über die Worte:
„Friede den Menschen auf Erden,
die eines guten Willens sind.” Am Schluss sagte er: „Jene, die nach seinem
Blute dürsteten, würden bald befriedigt sein, vorher aber wolle er, um das der
Kirche zugefügte so große Unrecht zu rächen, Ranulf und Robert von Leroc, die
sieben Jahre nicht aufhörten, ihm, seiner Geistlichkeit und seinen Mönchen jede
Beleidigung zuzufügen, in den Bann tun.”
Am
folgenden Tage kamen vier Ritter, Reginald Fitzurse, Wilhelm Tracy, Hugo von
Morville und Richard Britto, heimlich in der Nachbarschaft an. Sie waren
zugegen, als der zornmütige Könige eines Tages gegen den heiligen Erzbischof
die Worte ausstieß: „Ist unter den Feiglingen, die mein Brot essen, keiner, der
mich von diesem unruhigen Priester befreien wird?” Diese Worte hielten sie für
die Erlaubnis, den heiligen Erzbischof zu ermorden, um den Könige zu gefallen.
Deshalb verbanden sie sich durch einen Eid, den Erzbischof entweder zu
entführen oder umzubringen. Den Tag darauf, ungefähr zwei Uhr Nachmittags,
kamen die Ritter plötzlich in das Gemach des Erzbischofs und setzten sich, ohne
ihn zu grüßen, auf den Boden. Unter dem Vorgeben, sie seien vom Könige Heinrich
beauftragt, befahlen sie ihm, diejenigen, welche er in den Bann getan, loszusprechen.
Der Heilige aber entgegnete ruhig, er werde sie nicht eher los sprechen, ehe
denn sie ihr Verbrechen bereut und durch Buße gesühnt hätten. Sonderbar war es,
daß drei von den vier Rittern ihm in den Tagen seines Glückes freiwillig Treue
zugeschworen hatten. Als sie daher das Gemach des Heiligen unter schändlichen
Schmähworten und Drohungen verließen, sagte er zu ihnen:
„Nach dem, was früher zwischen
uns vorgegangen, bin ich erstaunt, daß ihr kommt und mir in meinem eigenen
Hause drohet.”
„Wir
wollen mehr tun, als drohen”, war die Antwort.
Als sie
fort waren, drückten seine Diener laut ihren Schrecken aus; der Heilige allein
blieb gefaßt und zeigte nicht die geringste Spur von Besorgnis. In diesem
Augenblicke hörte er den Gesang der Mönche, welche eben in der Kirche die
Vesper beteten. Da sagte einer seiner Freunde: „Die Kirche ist ein sicherer Ort
als der Palast. Laßt uns dorthin gehen.” Obwohl der Erzbischof zögerte, war er
doch durch die Zudringlichkeit seiner Freunde dahingezogen. Als er die Türen
hinter sich schließen hörte, befahl er, augenblicklich wieder zu öffnen, indem
er sagte, der Tempel Gottes solle nicht verschanzt werden wie eine Burg.
Kräftig durchschritt er die Kirche, und stieg die Stufen des Chores hinauf, als
die vier Ritter, samt 12 Gefährten, alle schwer bewaffnet in die Kirche
stürzten. Es war Dunkel in der Kirche und der Heilige hätte sich unter den
Gerüsten oder dem Dache verbergen können, allein er wandte sich um und ging
ihnen, von seinem Kreuzträger begleitet, entgegen. Einer der Mörder rief: „Wo
ist der Verräter?” Es erfolgte keine Antwort.
— Als aber Reginald Fitzurse fragte: „Wo ist der Erzbischof?” antwortete
dieser:
„Hier bin ich, aber kein Verräter!”
und setzte hinzu „Reginald! Ich habe dir viele Gunst erzeugt, was willst du?
Strebt ihr mir nach dem Leben, so befehle ich euch im Namen Gottes, keinen
meiner Leute anzutasten.” Als man ihm sagte, er müsse auf der Stelle die
gebannten Bischöfe los sprechen, antwortete er: „So lange sie nicht Genugtuung
leisten, will ich nicht.”
„So stirb
denn!” rief der Meuchelmörder und führte einen Streich nach seinem Haupte. Der
Kreuzträger aber streckte seinen Arm vor, der Streich brach ihn, riß aber auch
die Kappe vom Haupte des Heiligen und verletzte ihn am Scheitel. Als er das
Blut über sein Angesicht herab rieseln fühlte, faltete er die Hände, neigte das
Haupt und sprach:
„In Christi Namen und zu seiner
Kirche Verteidigung bin ich bereit zu sterben.”
In dieser
Stellung erwartete er lautlos und unbeweglich den zweiten Streich, der ihn in
die Knie sinkend machte; der dritte streckte ihn an den Stufen des Altars des
heiligen Benedikt zu Boden. Der Oberteil der Hirnschale war zerschmettert, und
einer der Mörder trat ihm auf den Nacken, riß ihm mit der Spitze seines
Schwertes die Gedärme aus und streute sie auf dem Boden umher.
So starb dieser außerordentliche Mann im Alter
von 53 Jahren als ein Märtyrer für die Freiheit seiner Kirche. Der Augenblick
seines Todes war der Triumph seiner Sache, und aus seinem Blute keimte die
Freiheit der Kirche empor. Es war der 29. Dezember des Jahres 1170, als er
seinen heißen Kampf mit seinem Tode endete.
(Quelle: Heiligenlegenden)
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Martyrium des hl. Thomas Becket (Thomas von Canterbury) während der Vesper am 29.12.1170 in der Kathedrale zu Canterbury
Our Lady and the English Martyrs Church, Cambridge |