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Johannes Nepomuk-Denkmal, Karlsbrücke, Veitsdom im Hintergrund |
Eine ausführliche Schilderung der Vorgänge in Prag am 20. März 1393 gibt
uns die Klageschrift, welche Erzbischof von Jenzenstein unmittelbar
nach ihnen und unter ihrem frischen Eindruck dem Papst Bonifatius IX. in
Rom persönlich überreichte. In ihr zählt er in 38 Artikeln alle
Übergriffe auf, die sich der König bzw. seine Räte mit Vorwissen und
Willen ihres Herrn auf das kirchliche Rechtsgebiet hatten zuschulden
kommen lassen.
Nach der Darstellung des Erzbischofs war der Hergang der Ereignisse folgender: Gleich nachdem der Generalvikar Johannes von Pomuk mit seinen Amtsgenossen Nikolaus Puchnik am erzbischöflichen Hof in Raudnitz angekommen war, traf dort die Aufforderung des Königs an den Erzbischof ein, sofort nach Prag zu kommen. Dieser zögerte begreiflicherweise. Schließlich entschloß er sich, da das Drängen des Königs ungestümer wurde, auf den Rat seines Generalvikars sowie seines Hofmeisters, doch nach Prag zu gehen.
Auf dem Weg kamen ihm jedoch neue Bedenken und er machte eine Meile vor Prag - wahrscheinlich in dem ihm gehörenden Keje - Halt. Dort fanden sich nun als Unterhändler des Königs ein: dessen Beichtvater, der Minorit Fr. Nikolaus von Münsterberg, erwählter Bischof von Lavant und der Hofmarschall Johann Cuch von Zasada auf Lobkowic. Sie sollten den Erzbischof überreden, nach Prag zu kommen und mit dem König persönlich zu verhandeln.
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Beichte der Königin, Karlsbrücke, Prag |
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Johannes v. Nepomuk wird in die Moldau gestürzt, Karlsbrücke, Prag |
Das war für die beiden Unterhändler keine leichte Aufgabe, hatten sie doch gleichzeitig dem Erzbischof ein Brieflein des Königs auszuhändigen, das nichts weniger als beruhigend klang. Der Erzbischof gibt den Inhalt dieses in vulgari teutonico, also deutsch, abgefaßten königlichen Handbillets lateinisch wieder: Tu Archiepiscope mihi castrum Ridnicz et alia castra mea restituas et recedas mihi des terra mea Boemie. Et si aliquid contra me tentabis vel meos, volo te submergere litesque sedare, Pragam veni! Man wird verstehen, daß sich der Erzbischof, nachdem er vom Inhalt dieses Schreibens Kenntnis genommen hatte, entschieden weigerte, Prag zu betreten und sich geradezu dem Jähzorn des Königs und seinen unberechenbaren Folgen auszusetzen.
Nur dadurch, daß sie die beiden Unterhändler zugleich mit dem Obersthofmeister des Königs, Heinz Skopek von Duba, der auch noch dazukam, mit ihrer eigenen Person für des Erzbischofs und seiner Umgebung Leben und Sicherheit verbürgten, gelang es, ihn umzustimmen und zu bewegen, mit seinem Gefolge und seinen Räten - dem Generalvikar, dem Offizial Nikolaus Puchnik und dem Probst von Meissen Wenzel Knobloch - im erzbischöflichen Hofe auf der Prager Kleinseite Wohnung zu nehmen.
Die Unterhändler des Königs und die drei eben genannten Vertreter des Erzbischofs nahmen die Aussöhnungsverhandlungen auf, die schon am folgenden Tag zu einem glücklichen Abschluß gediehen. Es wurde ein beiden Partnern genehmer Vertrag aufgesetzt und für den anderen Tag eine persönliche Zusammenkunft zwischen König und Erzbischof ausgemacht. Sie sollte im Kloster der Johanniter-Ritter, das neben dem erzbischöflichen Hofe lag, also auf neutralem Boden, vor sich gehen. Auf ihr gedachte man, eine vollständige Aussöhnung zwischen den beiden Männern, die Staat und Kirche in Böhmen vertraten, zu erreichen. Der am Vortag aufgesetzte Vertrag sollte dabei von ihnen unterfertigt werden.
Die geplante Zusammenkunft fand auch statt, nahm aber einen ganz anderen Verlauf, als beide Teile gedacht und wohl auch erhofft hatten. Der König, der seiner Gepflogenheit gemäß bereits am frühen Morgen stark dem Weine zugesprochen hatte, - wenigstens schließt dies W. W. Tomek aus seinem ganzen Verhalten, - geriet beim Anblick des Erzbischofs und seiner geistlichen Räte in maßlosen Zorn und - so erzählt der Erzbischof wörtlich - "kassierte und zerriß jenen Vertrag, den er doch selbst durch seinen Rat hatte verfassen lassen, mit dem Bemerken, er wolle sich mit einem solchen Vertrag und Abkommen nicht zufriedenstellen. Aber das fügte er noch bei - (...): Erzbischof, du bannst ohne mein Vorwissen meine Beamten; du hast den Abt von Kladrau bestätigt; du schwärzest meinen Unterkämmerer als Ketzer und Irrlehrer an und bringst auch die Juden mit herein in die ganze Sache, wo doch die Juden nur mich etwas angehen und jene Sache mich allein betriffrt. Du fängst ohne alle Überlegung solche Sachen an und auf eigene Faust. Merk dir, das soll dir teuer zu stehen kommen und auch den Deinen!"
"Dann schleuderte er auch gegen meinen Hofmeister Drohungen und sagte ihm schließlich: "Mach dich fort von hier, sonst will ich dir deinen Kopf zu Füßen legen lassen!" Schließlich deutete er auf meine Räte, die Prälaten, die hinter mir standen, und sagte: "Nehmt mir diese vier gefangen und bringt sie in sicheres Gewahrsam!" Er meinte damit meinen Offizial Nikolaus Puchnik, meinen Generalvikar, den decretorum Doktor Johannes, meinen Kanonikus und Meißner Propst Wenzel und mich selbst. Auch sonst stieß er wilde Drohungen aus, zeigte mit dem Finger auf uns und sagte: "Dich und dich, werde ich ertränken lassen! Jetzt aber werdet ihr zum Kapitelhaus hinaufgehen und dort werde ich schon sehen, auf wessen Rat und Veranlassung dies geschiehen ist!"
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Denkmal, das den Ort des Brückensturzes bezeichnet |
Der Erzbischof wollte nun durch einen Kniefall den Zorn des Königs besänftigen. Doch der König äffte voll Hohn diese Gebärde nach und fiel auch seinerseits vor dem Erzbischof auf die Knie. Die dadurch entstehende Verwirrung benutzte die Leibwache des Erzbischofs, schob sich zwischen König und Erzbischof und drängte diesen vom König weg. Dann brachten sie ihn unbehelligt aus dem Saal und Kloster, ohne daß dies der König in seinem blinden Wüten und Toben überhaupt wahrnahm.
Erst als er mit den übrigen Gefangenen im Kapitelhaus auf der Burg ankam, bemerkte der König, daß ihm der Erzbischof entkommen war. Er traf wohl sogleich Anstalten, sich seiner wieder zu bemächtigen, ließ die Stadttore und den Moldauhafen besetzen und die Überfuhr über den Fluß allgemein sperren. Allen Geistlichen wurde für die kommende Nacht das Verlassen des Hauses verboten: Priestern wurde im Betretungsfall Gefängnishaft angedroht, Klerikern - also auch den Hörern der Hochschule - der Verlust der rechten Hand.
Doch hatte sich der Erzbischof bereits in Sicherheit gebracht. Da nicht einmal seine feste Stadt Raudnitz ihm genügend Schutz zu bieten schien, war er in die dichten Wälder des Erzgebirges gegen Sachsen zu an die Grenze seines ehemaligen Bistums Meißen geflüchtet. Hier durfte er in der dem Erzbistum gehörigen Burg Geiersberg - an der Zollstraße von Aussig nach Meissen - sicheren Schutz vor weiteren Nachstellungen des Königs erwarten.
"Dieser hatte inzwischen die drei gefangenen Prälaten" - wir lassen nun wieder den Erzbischof selbst erzählen - "mit meinem Hofmeister, Herrn Nyepr, einem schon betagten Ritter, ins Kapitelhaus gebracht und von dort ins Richthaus zum Nachrichter. Im Kapitelhaus schlug er meinem Domdechanten, den Juris Doktor Bohuslaus (von Krnow), einen ehrwürdigen Mann und bereits hoch in den Jahren, mehrere Male mit seinem Degenknopf dermaßen fest auf das Haupt, daß das Blut nur so herumspritzte."
"Im Richthaus, wo Laien zu Gericht sitzen, ließ er ihnen Hände und Füße binden und sie vor aller Augen vom Henker und Folterknecht der gemeinen Verbrecher in sakrilegischem Unterfangen auf mannigfache Weise peinlich foltern. Er sah dabei nicht bloß zu, sondern mit Hintansetzung der Ehre seiner königlichen Majestät legte er selbst Hand an und brannte mit einer großen Fackel den Generalvikar und den Offizial an der Seite und an verschiedenen anderen Stellen. Nur den Propst verschonte er und den Ritter (Nyepr), den er an einem anderen Orte in Gewahrsam hielt.
"Dann gab er den Befehl, sie zu ertränken. Und sicher wären sie auch alle ertränkt worden, wenn sie nicht in Gegenwart eines öffentlichen Notars das eidliche Versprechen abgegeben hätten: weder jetzt noch späterhin davon zu sprechen, daß sie gefangengehalten und gefoltert wurden. Auch mußten sie ihm schwören, gegen mich, ihren Erzbischof, Stellung nehmen zu wollen. Jene ließen sich nun in ihrer Todesangst, ehe sich sich ertränken ließen, dazu herbei, eine öffentliche, rechtsgültige Urkunde auszustellen und bekräftigten sie durch einen Eidschwur."
"Nur der ehrwürdige Doktor Johannes, mein Generalvikar für die geistlichen Angelegenheiten des Erzbistums, wurde aufs grausamste gemartert und es wurde ihm eine Seite des Körpers dermaßen verbrannt, daß er auf keine Weise hätte am Leben bleiben können. Schließlich wurde er ganz offen durch die Straßen und über die Plätze der Straße geschleppt, seine Hände auf den Rücken und seine Füße gegen das Haupt nach Art eines Rades zusammengeschnürt, und sein Mund gewaltsam mit einem hölzernen Knebel aufgespreizt. So wurde er um die dritte Nachtstunde von der Prager Brücke in die Moldau gestürzt, wo er im Wasser des Flusses versank und elendiglich seine Tage beschloß."
(aus: Gefolge des Lammes, Bd. 2, 242-245, 1960)